Gemeinsam statt einsam
In Wurmlingen soll ein Modellprojekt entstehen, wie Senioren im Ort altern können
- Die Gesellschaft wird immer älter, der Pflegebedarf nimmt zu – auch in Wurmlingen. Die Gemeinde plant deshalb ein Modellprojekt, bei dem Senioren in gewohnter Umgebung altern können. Bürgermeister Klaus Schellenberg spricht von „gemeinsamem Wohnen im Alter im Ort“.
Die Basis zur Unterstützung von älteren Menschen legte die Gemeinde bereits im Jahr 2012 mit der Gründung des Nachbarschaftshilfevereins. Rund 75 Helfer unterstützen Bürger bei Arztbesuchen, beim Einkaufen oder im Haushalt. Nun will die Gemeinde einen Schritt weiter gehen.
Wie kann man Senioren unterstützen, deren Partner gestorben ist, denen das große Haus zur Last wird, oder die pflegebedürftig sind und vielleicht in ein Heim müssen, weg von ihrer gewohnten Umgebung, von Bekannten und Familie? Mit dieser Frage hat sich auch der Wurmlinger Bürgermeister Klaus Schellenberg beschäftigt.
Entstanden ist das Konzept „Gemeinsames Wohnen im Alter im Ort“in Wurmlingen. Dort soll als Modellprojekt die erste Wohngemeinschaft im Landkreis Tuttlingen seit Einführung des Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetzes im Mai 2014 entstehen. Die Idee, die hinter dem Projekt steckt, ist einfach: Senioren sollen im Alter „so weit wie möglich selbstbestimmt handeln“und „nicht vereinsamen“, sagt Schellenberg und ergänzt: „Für alte Leute ist es eine große Hürde, aus ihrem Haus oder aus dem Ort zu ziehen.“
Geplant ist, in der Ortsmitte, direkt neben dem Gebäude der Nachbarschaftshilfe, ein Haus für Senioren zu errichten. Im Erdgeschoss sollen zwölf Zimmer mit jeweils einem Bad sowie ein Gemeinschaftsbereich mit Küche und Wohnbereich entstehen. Hinzu sollen 14 bis 16 altersgerechte Wohnungen kommen. Diese sind für ältere Menschen gedacht, die noch etwas selbstständiger sind. Zu dem etwa 600 Quadratmeter großen Areal sollen auch ein Gartenhäuschen sowie ein großer Garten gehören. Rund um die Uhr soll ein Ansprechpartner der Nachbarschaftshilfe im Haus sein. Um diesen Dienst anbieten zu können, sind 8,4 Stellen nötig, die auch vergütet werden. Schellenberg erklärt die Aufgabenverteilung: „Die Mitarbeiter der Nachbarschaftshilfe decken hauswirtschaftliche Dinge, wie Waschen und Kochen ab. Zur Pflege der Bewohner kommt ein Pflegedienst ins Haus.“
Er betont, dass sich die Bewohner, sofern es möglich ist, beim Kochen einbringen oder beispielsweise den Speiseplan absprechen. Die Senioren sollen merken, dass sie gebraucht werden. Welcher Dienst zur Pflege kommt, bestimmen die Bewohner selbst. Wegen der zentralen Lage mitten im Ort könnte sich der Bürgermeister vorstellen, dass Angehörige auf dem Weg zum Bäcker dann bei Oma oder Opa vorbeischauen.
Ein Bewohnergremium soll darüber bestimmen, wer in die Einrichtung einziehen darf. Eine Hausleitung kümmert sich unter anderem um Verträge und Personaleinteilung. Nach wie vor werden sich Mitarbeiter der Nachbarschaftshilfe mit Themen wie Demenz, Vorsorge und Patientenverfügung bei Schulungen befassen. Eines dürfe man aber nicht vergessen, nämlich, dass „in der Einrichtung auch das Sterben dazugehört“, gibt Schellenberg zu bedenken. Er geht davon aus, dass das Projekt gut angenommen werde. „Momentan leben 730 Bürger in Wurmlingen, die älter als 70 Jahre sind. Der Altersdurchschnitt steigt und somit auch der Pflegebedarf.“Die Nachbarschaftshilfe wird die Einrichtung betreiben, die Gemeinde mietet die Zimmer an und vermietet diese wiederum an Bewohner. Wie hoch die Miete für die Bewohner ausfällt, kann Schellenberg noch nicht sagen. Er stehe derzeit mit Bauträgern in Kontakt.
Die Umsetzung des Projekts soll im Herbst beginnen. Der Bürgermeister rechnet mit etwa vier Millionen Euro Baukosten. Mit dem Modellprojekt hat die Gemeinde den Innovationspreis Pflege des Landes Baden-Württemberg gewonnen und bekommt einen Zuschuss von 100 000 Euro. Etwa eineinhalb Jahre werden die Bauarbeiten andauern.