Mehr Heroin-Abhängige in Therapie
Fachstelle Sucht stellt Jahresbericht vor – Methadonprogramm erfolgreich
- Seit 1. April 2016 hat die Substitutionspraxis in der Fachstelle Sucht in Tuttlingen geöffnet. Mittlerweile sind mehr als 90 Heroinabhängige im Methadonprogramm und damit in psychosozialer Begleitung durch die Fachstelle – rund 35 mehr als im Jahr zuvor. „Diese Menschen haben es geschafft, aus der Illegalität heraus zu kommen“, sagt Marcus Abel, Leiter der Suchtberatungsstelle.
Die meisten wurden aus der Behandlung von Ärzten in umliegenden Landkreisen und einer Tuttlinger Praxis, die zugemacht hat, übernommen. Auffallend sei die Zahl derer, die neu dazugekommen sei. Sicherlich auch, weil die Hürde, für eine Ersatztherapie die weite Anfahrt in einen anderen Landkreis auf sich zu nehmen, weggefallen ist. Abel: „Wir haben Leute, die substituiert werden und im ersten Arbeitsmarkt sind.“Ohne die Hilfe vor Ort wäre das wohl kaum möglich.
Als ein Schwerpunkt der Fachstelle Sucht in diesem Jahr nennt Abel, die Chancen und Möglichkeiten der Substitutionspraxis in den Alltag umzusetzen. „Dass die Anbindung nun enger und engmaschiger ist, ist toll. Gleichzeitig stellt das aber eine große Herausforderung an unsere Kapazität dar.“Neun Mitarbeiter arbeiten in 6,6 therapeutischen Stellen in der Freiburgstraße, dazu kommen zwei Verwaltungskräfte, eine DH-Studentin und ein Arzt.
Hauptklientel sind Alkoholiker
805 Betroffene haben sich im vergangenen Jahr an die Fachstelle Sucht in Tuttlingen gewandt. Diese Zahl ist gegenüber dem Vorjahr leicht gestiegen (plus neun). Mehr als 5360 Einzelberatungen oder Gruppengespräche wurden geführt. Mit 38 Prozent machen Fälle wegen Alkoholmissbrauchs oder -abhängigkeit nach wie vor das Gros der Beratungen aus, sicherlich auch, weil die Fachstelle Sucht Kurse für die Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) zum Wiedererlangen des Führerscheins anbietet. Nicht nur für Alkoholfahrten, sondern auch, wenn der Führerschein wegen Drogenkonsums abhanden gekommen ist. Cannabis-Konsumenten bilden mit 20 Prozent die zweitgrößte Gruppe in der Fachberatungsstelle, gefolgt von Opiatabhängigen (17 Prozent).
Dann kommen mit fünf Prozent die Tabakraucher. Regelmäßig finden in der Suchtberatungsstelle Nichtraucherkurse statt. Die Mitarbeiter der Beratungsstelle haben festgestellt, dass immer mehr Teilnehmer mit schwerer Abhängigkeit in den Kursen sind und den Rauchstopp trotz hoher Motivation und trotz der therapeutischen Unterstützung nicht schaffen. Rund ein Drittel kommt nach einem Kurs dauerhaft von der Zigarette los.
Die Glücksspielsucht ist mit vier Prozent der Klienten seit Jahren konstant, eher neu ist die Medienabhängigkeit. Hier schätzt Marcus Abel, dass er und seine Mitarbeiter 2016 mit rund 20 Fällen konfrontiert wurden. „Wir bekommen das eigentlich nur mit, wenn die Situation zu Hause eskaliert“, so der Pädagoge. Wenn Kinder und Jugendliche randalieren und die Einrichtung demolieren, die Schule schwänzen und es zu körperlicher Gewalt als Auswirkung der Sucht oder als Reaktion auf ein Verbot kommt. „Das lässt sich handeln, wenn feste Regeln installiert werden“, so Abel. Er weiß vom großen Leidensdruck, dem Eltern ausgesetzt sind und spricht von langen Prozessen, die gemeinsam angegangen werden müssen.
160 Klienten der Suchtberatungsstelle waren jünger als 23 Jahre, die Jüngsten um die 14 Jahre. Der jüngste Klient, mit dem Abel es in seiner Tätigkeit als Suchtberater zu tun hatte, war elf. Tatsächlich kommen immer wieder Kinder in die Suchtberatungsstelle. Auch, weil die Mitarbeiter eine Gruppe für Kinder aus belasteten Familien aufgebaut haben. „Kinder aus Suchtfamilien haben eine dreimal so große Wahrscheinlichkeit, abhängig zu werden“, erklärt Abel. Deshalb will er die Arbeit mit den „Yolo-Kids“, so heißt die Gruppe, weiter ausbauen.