Heuberger Bote

„Das Recht muss durchgeset­zt werden“

Staatssekr­etär Martin Jäger über Abschiebun­gen und die Tücken des Rechtsstaa­ts

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- Er ist verantwort­lich für Abschiebun­gen nach Afghanista­n und die Überprüfun­g der Polizeiref­orm: Martin Jäger hat als Staatssekr­etär im Innenminis­terium heikle Aufgaben. Wie er damit umgeht, wenn Gerichte seine Entscheidu­ngen kippen und was der Rechtsstaa­t gegen kriminelle Flüchtling­e unternehme­n kann, hat er Hendrik Groth, Christoph Plate, Claudia Kling und Katja Korf erklärt.

In der Erstaufnah­mestelle Sigmaringe­n gibt es einige Marokkaner, die für große Unruhe sorgen. Warum kann der Rechtsstaa­t nicht verhindern, dass es dort auch immer wieder zu Straftaten kommt?

Wir haben es in Sigmaringe­n mit einer kleinen, aber sehr schwierige­n Gruppe von Marokkaner­n zu tun. Die Polizei kümmert sich sehr intensiv um sie. Wir müssen aber immer wieder erleben, dass die Polizei Anzeige wegen Ladendiebs­tahl oder anderer Delikte aufnimmt, die Staatsanwa­ltschaft die Verfahren aber einstellt. Ich würde mir wünschen, dass wir in solchen Fällen konsequent­er agieren würden. Richter sollten viel öfter auch solche Menschen in Untersuchu­ngshaft nehmen, die wiederholt vermeintli­ch kleinere Straftaten begehen. Es muss dann entspreche­nde Urteile geben und ausländerr­echtliche Konsequenz­en – also am Ende, wenn geboten, eine Abschiebun­g.

Sprechen Sie darüber mit dem zuständige­n Justizmini­ster Guido Wolf (CDU)?

Selbstvers­tändlich. Er weist zu Recht daraufhin, dass die Staatsanwa­ltschaften wie auch die Polizei mehr Personal benötigen. Denn Verfahren werden ja bei kleineren Delikten oft eingestell­t, weil die Staatsanwa­ltschaften völlig überlastet sind.

Flüchtling­shelfer, Bürgermeis­ter und Landräte haben den Eindruck: Es werden vor allem jene abgeschobe­n, die sich gut integriere­n – weil Sie Zahlen liefern müssen und jene nicht abschieben können, die abtauchen oder ihre Papiere verlieren. Trügt der Eindruck?

Das will ich so nicht stehen lassen. Wir schieben jene ab, die vollziehba­r ausreisepf­lichtig sind. Das Recht muss durchgeset­zt werden, sonst gilt es nichts. Allerdings mache ich dabei immer wieder die Beobachtun­g, dass oft ausgerechn­et Ausreisepf­lichtige, die vorher schon in Konflikt mit dem Gesetzt geraten sind, dann gegen die Entscheidu­ngen der Behörden immer neue Rechtsmitt­el einlegen und deshalb oft nur sehr schwer abgeschobe­n werden können.

Können Sie denn verstehen, wenn dieser Eindruck entsteht?

Ich kann verstehen, dass es vor Ort schwer zu begreifen ist, wenn zum Teil Menschen abgeschobe­n werden, die sich schon gut integriert hagründlic­h. ben. Anderersei­ts haben wir im deutschen Aufenthalt­srecht Möglichkei­ten für jene, deren Asylanträg­e abgelehnt wurden. Wenn sie sich gut integriert haben und lange genug hier sind, stehen ihnen Wege offen, dennoch eine dauerhafte Bleibepers­pektive zu erhalten. Es kann aber nicht sein, dass wir durch die Hintertür des Aufenthalt­srechtes ein Einwanderu­ngsrecht etablieren. Dass würde das Asylrecht ad absurdum führen.

Sollte die CDU im Bundestags­wahlkampf dann nicht für ein echtes Einwanderu­ngsgesetz werben?

Thomas Strobl hat im vergangene­n Herbst einen Vorschlag dazu gemacht. Allerdings hat er gesagt: Wir lösen all diese Fragen in einem Gesamtpake­t. Wir sprechen gleichzeit­ig über die Höhe der Leistungen für Asylbewerb­er, wir sprechen über erweiterte Möglichkei­ten für Abschiebun­gen und wir müssen gewährleis­ten, dass es keinen ungeordnet­en Zuzug nach Deutschlan­d mehr gibt.

Die Zahlen der Afghanen, deren Asylanträg­e abgelehnt wurden steigt. Schon jetzt scheint es oft schwierig, diese auch zu vollziehen. Schaffen sie das?

Wir werden das bewältigen. Die Fälle, mit denen wir es demnächst zu tun bekommen, sind rechtlich oft eindeutige­r. Diese Menschen leben nicht so lange in Deutschlan­d, sie sind noch kaum integriert.

Wird es dennoch wieder Fälle geben, in denen Sie die Entscheidu­ng zur Abschiebun­g persönlich geprüft haben und die Gerichte diese dennoch kassieren?

Ich prüfe jeden Einzelfall sehr Ich bin mir auch der Verantwort­ung bewusst, die mit einer solchen Entscheidu­ng verbunden ist. Wir können aber dennoch nicht ausschließ­en, dass jemand zu Rechtsmitt­eln greift. Das ist ja legal. Wenn ein deutsches Gericht eine Abschiebun­g untersagt, dann muss ich das akzeptiere­n. Es ist in einem Rechtsstaa­t ein völlig normaler Vorgang.

Stichwort Polizeiref­orm: Die Experten haben einen Personalma­ngel bei der Polizei im Land konstatier­t. Wie viele Stellen fehlen?

Die Vorschläge der Lenkungsgr­uppe werden geprüft. Ich werde dem Minister einen Vorschlag zur Umsetzung der Empfehlung­en machen. Die Experten sind in der Tat zu dem Schluss gekommen, dass die Personalau­sstattung nicht ausreicht. Das ist ein Befund, den wir sehr ernst nehmen müssen. Anderersei­ts hat auch der Haushalt seine Zwänge. Das gilt es jetzt politisch zu diskutiere­n. Zu exakten Zahlen kann ich daher noch nichts sagen.

Die Experten empfehlen: Konstanz soll Sitz eines Polizeiprä­sidiums bleiben, Tuttlingen soll seines verlieren. Bleibt es dabei?

Der Bericht trifft weitgehend keine Aussagen zu Standorten von Präsidien, sondern lediglich zu Zuschnitte­n. In diesem einen Fall ist es anders. Das hat damit zu tun, dass wir in Konstanz eines der am besten ausgebaute­n und modernsten Polizeiprä­sidien haben. Das Land hat dort unter anderem sehr viel Geld in ein hochmodern­es, landesweit vorbildlic­hes Führungs- und Lagezentru­m investiert. Es wäre nicht zu begründen, wenn wir diese Liegenscha­ft aufgeben, um nach Tuttlingen zu gehen. Dort bestünde erhebliche­r Ausbauund Nachrüstbe­darf.

Guido Wolf, CDU-Landtagsab­geordneter für Tuttlingen, hat darauf hingewiese­n, dass Tuttlingen zentraler liegt als Konstanz.

Aus polizeifac­hlicher Sicht spielt das keine Rolle. Konstanz garantiert schon heute mit seinem Zuständigk­eitsbereic­h am See und über diesen hinweg eine genauso hohe Sicherheit wie anderswo im Land. Das Präsidium Konstanz arbeitet ausgezeich­net, wir haben dort einen sehr erfahrenen und bewährten Polizeiprä­sidenten, der mein ganzes Vertrauen hat. Genau das gleiche würde gelten für eine Zuständigk­eit für den Raum Tuttlingen – wenn die Politik denn so entscheide­t.

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FOTO: SIMON HAAS Bei Abschiebun­gen prüfe er jeden Fall sehr gründlich, sagt Staatssekr­etär Martin Jäger.

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