Steinmeier wirbt in Paris um Erbe der EU-Integration
Erster Auslandsbesuch des neuen Bundespräsidenten
- Frank-Walter Steinmeier kennt das alles: den Prunk der Säle im Élysée-Palast, das französische Protokoll. Unzählige Male war er als Außenminister in Paris. Und doch ist es am Donnerstag eine Premiere. Erstmals tritt Steinmeier als Bundespräsident im Ausland auf. Es ist ein Besuch in stürmischen Zeiten. Drei Wochen vor der ersten Runde bei der Präsidentschaftswahl ist die „Grande Nation“polarisiert wie lange nicht.
Steinmeiers Botschaft in Paris: Deutschland und Frankreich wollen Europa nach dem Brexit-Antrag der Briten gemeinsam aus der Krise führen: „Auf Deutschland und Frankreich kommt eine noch größere Verantwortung zu, das Erbe der europäischen Integration zu bewahren.“
Auf den Stufen des Élysée wartet François Hollande, der sozialistische Noch-Präsident. Militärische Ehren für Steinmeier, die „Garde Républicaine“ist aufmarschiert. Deutschlands neues Staatsoberhaupt meistert seine ersten Schritte beim Premieren-Auftritt souverän. Doch ganz ohne Probleme geht die Visite nicht über die Bühne: Mit Verspätung erreicht Steinmeiers Kolonne den Palast, bleibt im Stau stecken. Und am Flughafen „Le Bourget“hatte ein französischer Offizieller beim Empfang gefehlt. Der Gast aus Berlin schaut kurz irritiert und steigt schnell in die gepanzerte Limousine.
Steinmeier hatte nach seiner Wahl nie einen Zweifel gelassen, dass ihn seine erste Auslandsreise als Staatsoberhaupt nach Frankreich führen würde. Mag sein Vorgänger Joachim Gauck zunächst nach Polen gereist sein: Steinmeier wollte unbedingt nach Paris, wenn auch mit Minimal-Programm, um Rechtspopulistin Marine Le Pen keine Chance zu bieten, die Visite zu instrumentalisieren. Auch deshalb kein Termin mit Emmanuel Macron, dem Hoffnungsträger der Demokraten.
Das Treffen mit Hollande steht im Zeichen der Sorge um Europa und seine Zukunft. „Das europäische Projekt steht am Scheideweg“, erinnert Steinmeier. Zum ersten Mal in der EU-Geschichte habe ein Land den Austritt beantragt: „Populistische Kräfte in vielen Mitgliedsstaaten wollen in Brüssel den Urheber aller Missstände erkennen. Und eine neue Faszination des Autoritären, genährt von der Sehnsucht nach einfachen Antworten in einer komplizierten Welt, ist tief nach Europa eingedrungen.“Auch wenn er es nicht sagt: Steinmeier meint damit auch Frankreich und Le Pen. Der 61-Jährige spricht als Staatsoberhaupt fast so wie zuletzt als Außenminister.
Über den Wolken im LuftwaffenAirbus lässt Steinmeier später den Start im neuen Amt Revue passieren. Er plant eine „Demokratie-Reise“durch alle Bundesländer mit Besuchen an Schauplätzen, die wie Symbole für die demokratische Kultur Deutschlands stehen. Am Wochenende will er nach Griechenland reisen, im Mai nach Polen. Und nächste Woche wieder nach Frankreich, um vor dem EU-Parlament zu sprechen.