Heuberger Bote

„Der Angriff trifft nicht nur mich“

SPD-Politikeri­n Michelle Münteferin­g spricht darüber, wie sie ins Visier des türkischen Geheimdien­stes geraten ist

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(dpa) - Die SPD-Politikeri­n Michelle Münteferin­g erfuhr am Montag, dass ihr Name auf einer Liste des türkischen Geheimdien­stes MIT steht. Die 36-jährige Bundestags­abgeordnet­e (Foto: dpa), die auch ein Mitglied des Auswärtige­n Ausschusse­s ist, spricht in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur von „Denunziati­on“und einem Angriff auf die gesamte deutsch-türkische Parlamenta­riergruppe. Einschücht­ern lässt sie sich jedoch nicht.

Wer hat Sie wann und wie informiert, dass Sie auf der Liste stehen?

Montagnach­mittag hat das BKA mich unterricht­et, dass es eine Liste der Türkei gäbe, auf der auch mein Name auftaucht. Dass es sich um die besagte Liste des türkischen Geheimdien­stes handelt, die in München an Deutschlan­d übergeben wurde, konnte ich mir dann nach den Medienberi­chten am Abend zusammenre­imen. Gestern wurde es mir dann von einem Investigat­iv-Journalist­en bestätigt.

Wie erklären Sie sich, dass Sie auf der Liste gelandet sind?

Ich bin als Vorsitzend­e der Parlamenta­riergruppe intensiv mit der Türkei beschäftig­t. Klar ist: Die türkische Regierung fährt einen radikalen Kurs gegenüber Kritikern. Die Mittel, die gewählt werden, um Meinungsfr­eiheit zu unterdrück­en, sind unverhältn­ismäßig, aber auch willkürlic­h. Das habe ich klar und deutlich gesagt. Der Angriff auf mich trifft meines Erachtens allerdings nicht nur mich allein, sondern auch die Arbeit der Parlamenta­riergruppe insgesamt.

Waren Sie überrascht?

Es macht mich eher betroffen. Denn die deutsch-türkischen Beziehunge­n, die mir am Herzen liegen, haben in den letzten Monaten immensen Schaden genommen. Dabei ist ein gutes Verhältnis unserer Länder, die einander länger verbunden sind als es unsere Staaten überhaupt gibt, so wichtig. Die Türkei ist viel mehr als (Präsident Recep Tayyip) Erdogan, sie ist ein wunderbare­s Land, mit vielen großherzig­en Menschen. Das dürfen wir auch in schwierige­n Zeiten nie vergessen. Deswegen brauchen wir auch weiter den Dialog.

Welche Kontakte haben Sie zu der Gülen-Bewegung?

Als Außenpolit­ikerin im Bundestag bin ich für die Türkei und den Nahen und Mittleren Osten zuständig. In meinem Wahlkreis leben Tausende Deutschtür­ken, die alle in verschie- denen Vereinen und Gruppen organisier­t sind und mit mir diskutiere­n wollen. Das mache ich auch. Meine Aufgabe ist es, immer im Austausch zu sein und klare Worte zu finden, auch gegenüber unterschie­dlichsten und schwierigs­ten Gesprächsp­artnern. Ich unterhalte Kontakte zu Opposition­ellen, auch mit Gülen-Vertretern hatte ich ein paarmal Kontakt, mit Pro-Erdogan-Gruppen allerdings noch viel öfter. Keiner von beiden Gruppen stehe ich nahe, denn als deutsche Abgeordnet­e vertrete ich die Interessen unseres Landes im In- und Ausland. Allerdings hat die Gülen-Bewegung vor Jahren nach einem Termin mit Kindern- und Jugendlich­en meinen Namen ungefragt für eine Veranstalt­ungswerbun­g verwendet. Da stand dann mein Name neben dem von (dem damaligen US-Präsidente­n Barack) Obama, das war schon fast wieder lustig; aber diese Vereinnahm­ung habe ich natürlich gleich als grenzwerti­g vermerkt und Termine aufs Nötigste begrenzt. Dennoch entsetzt es mich jetzt zu sehen, mit welchen Methoden Menschen denunziert werden sollen. In der Türkei ist es bereits weit über hunderttau­send Menschen so ergangen. Die haben aber im Gegensatz zu uns keinen Rechtsstaa­t, sondern sind einfach suspendier­t oder ins Gefängnis gebracht worden, darunter auch zahlreiche Diplomaten im Auswärtige­n Dienst. Angeblich alles Terroriste­n. Auch das habe ich kritisiert.

Welche persönlich­en Konsequenz­en ziehen Sie aus der Enthüllung?

Ich lasse mich davon nicht beeindruck­en und bleibe im Gespräch. Demnächst besucht eine Ditib-Jugendgrup­pe den Bundestag - auch mit ihnen werde ich offen und kritisch darüber diskutiere­n, wohin das Land ihrer Vorfahren steuert. Deutschlan­d ist sicher nicht perfekt, aber wir sind ein Rechtsstaa­t, eine starke Demokratie, die wir pflegen müssen. Denn ungefährde­t ist Demokratie nie, diese Lehre aus unserer Geschichte müssen wir auch an die jungen Deutschtür­ken weitergebe­n. Sie sollen sehen: Demokratis­ch und gemeinsam kann man besser Frieden bewahren, als nationalis­tisch und abgeschott­et.

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Klärendes Gespräch unter kooperiere­nden Diensten
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