Der Wurfaxel bringt den großen Wurf
Aljona Savchenko/Bruno Massot krönen eine schwierige vorolympische Eiskunstlauf-Saison mit WM-Silber
(SID/dpa) - Alles gewagt, fast alles gewonnen: Mit einer brillanten Kür und dem hochriskanten dreifachen Wurfaxel haben Aljona Savchenko und Bruno Massot erstmals gemeinsam bei Weltmeisterschaften eine Silbermedaille gewonnen. Nahezu fehlerfrei glitten die beiden Oberstdorfer in Helsinki über das Eis, schon vor der Notenvergabe war sich Savchenko einer Medaille sicher, sie reckte die Faust nach oben. Mit 230,30 Punkten landeten die Schützlinge von Trainer Alexander König nur knapp hinter den letztjährigen Vizeweltmeistern Wenjung Sui und Cong Han aus China (232,06). Savchenkos Partner Massot standen die Tränen in den Augen – er konnte den Medaillengewinn kaum fassen.
Den Unterschied zu den drittplatzierten Europameistern Jewgenija Tarasowa und Wladimir Morosow aus Russland (219,03) machte in der mit 10 000 Zuschauern ausverkauften Hartwall-Arena der dreifache Wurfaxel aus, den Savchenko so sicher stand wie selten zuvor. Ihn hat kein anderes Paar im Repertoire. Aber auch die ruhigen Momente in der Kür „Lighthouse“faszinierten das Publikum, oftmals war nur das leise Kratzen der Kufen auf dem Eis zu hören.
„Wenn man liebt, was man tut, kann man viele Steine aus dem Weg räumen, besonders nach Verletzungen im Sport“, sagte Savchenko, die sich im November ein Band im Knöchel angerissen hatte, voller Emotionen. Die 33-Jährige hatte bei den Deutschen Meisterschaften gar nicht starten können, bei den europäischen Titelkämpfen nur mit abgespecktem Programm. Auch Massot verwies bei allem Jubel auf die Probleme im Verlauf des vorolympischen Winters: „Wir haben alles mitgenommen, auch die schlechten Erfahrungen. Alles ist nun in unserer Reisetasche auf dem Weg zu Olympia.“Und: „Wegen der schwierigen Vorbereitung hatten wir keine Erwartungen. Wir wollten nur das Publikum begeistern.“
„Alles war möglich, schon bei der Europameisterschaft haben die Zwei unter schwierigen Bedingungen eine außergewöhnliche Leistung abgeliefert“, sagte Udo Dönsdorf, der Sportdirektor der Deutschen Eislauf-Union. Dank WM-Silber hat der Verband nun zwei Startplätze für die Winterspiele 2018 in Pyeongchang. Allerdings muss Bruno Massot vor Olympia noch die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen.
Mit einer persönlichen Bestleistung im Kurzprogramm hatte WMDebütant Paul Fentz bereits am Nachmittag einen wichtigen Schritt nach vorn gemacht. Als 20. qualifizierte sich der Berliner für die Medaillenentscheidung am Samstag. Als seine neue Bestmarke von 73,89 Punkten auf der Anzeigetafel erschien, lehnte sich der 24-Jährige erleichtert zurück, pustete kräftig durch und winkte anschließend entspannt in den deutschen Fanblock. Die Teilnahme am Finale eröffnet ihm die Chance, schon in Finnland einen deutschen Startplatz für Südkorea 2018 zu ergattern.
„Jetzt ist die Erleichterung groß. Bei meiner ersten WM auch die Kür zeigen zu dürfen, das war mein großes Ziel. Schön, dass ich mein Kostüm nicht umsonst eingepackt habe“, sagte Fentz fast euphorisch. „Wonderwall“von Paul Anka hatte er zuvor mit viel Gefühl interpretiert. Der EM-Zehnte riskierte die Kombination aus vierfachem und dreifachem Toeloop, musste die erste Landung allerdings mit den Händen abstützen und schaffte die zweite Rotation daher nur doppelt. Dreifacher Axel und dreifacher Lutz indes stellten kein Problem dar.
An der Spitze läuft Europameister Javier Fernandez der Titelverteidigung entgegen. Der Spanier setzte sich in einer hochklassigen Konkurrenz mit 109,05 Punkten vor Shoma Uno aus Japan (104,86) und dem kanadischen Ex-Weltmeister Patrick Chan (102,13) auf Rang eins des Zwischenklassements. Die Welttitelkämpfe werden heute früh mit dem Kurztanz der Eistänzer fortgesetzt. Am Abend werden die Medaillen in der Damen-Konkurrenz vergeben.