Das Land wird im Netz verteidigt
Pixel statt Panzer: Das Internet gilt als Schlachtfeld der Zukunft. Die Bundeswehr stellt eine neue Armee zur Abwehr von Cyber-Attacken auf. Aber auch Angriffe gehören zum Programm.
Die Szenarien sind düster: Saboteure legen Krankenhäuser und Stromnetze lahm. Hacker greifen die Steuerungseinheiten von Atomkraftwerken an. Attentäter zerstören die digitale Infrastruktur und schicken die Bundesrepublik zurück in die Steinzeit. Auch wenn Horror-Szenarien vom Cyberkrieg bislang vor allem über Filmleinwände spuken: Die digitale Bedrohung ist längst real.
Das Verteidigungsministerium warnt: „Cyber-Angriffe auf Staaten und deren kritische Infrastrukturen sind schon lange Realität.“Die Bundeswehr stellt deshalb eine Art neue Teilstreitkraft auf. Neben Heer, Marine und Luftwaffe wird eine Organisationseinheit mit 13 500 Soldaten und zivilen Mitarbeitern aufgebaut. Der Begriff Cyber-Armee weckt aber falsche Vorstellungen. Mehr als 20 000 Soldaten und Zivilisten beschäftigen sich bereits in Dutzenden Referaten und Dienststellen mit dem Thema. Bisher sind sie aber in vielen unterschiedlichen Abteilungen untergebracht. Die vorhandenen Fähigkeiten werden nun gebündelt.
Allein in den ersten neun Wochen des Jahres zählte die Behörde 284 000 Cyber-Attacken auf die Rechner der Streitkräfte. „Wir müssen viel mehr tun, um unsere Systeme zu schützen“, sagt der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold. Einst lautete die Devise, Deutschland am Hindukusch zu verteidigen. „Künftig wird die Sicherheit Deutschlands auch im Cyber- und Informationsraum zu verteidigen sein“, heißt es nun im Ministerium.
Der Schwerpunkt soll zwar auf Verteidigung liegen. Die CyberTruppe soll aber auch zu Angriffen in der Lage sein. Die Bundeswehr übt bereits seit vielen Jahren Cyber-Attacken in einer kleinen, geheim agierenden Einheit in Rheinbach bei Bonn. Der offensive Cyberkrieg wirft Fragen auf. Grünen-Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger sieht darin „erhebliche Gefahren und ein großes Eskalationspotenzial“. Das Eindringen ins Datennetz eines Gegners müsste – wie Einsätze mit Jets, Schiffen und Panzern – vom Bundestag genehmigt werden. „Der Einsatz der Bundeswehr im Cyberraum unterliegt denselben rechtlichen Voraussetzungen wie jeder andere Einsatz deutscher Streitkräfte“, schreibt das Ministerium.
Für den Krieg der Zukunft muss die Bundeswehr aber erstmal die Reihen der Informatiker-Armee füllen. Allein in diesem Jahr sucht die Truppe rund 1000 IT-Soldaten und 800 IT-Administratoren. Die Bundeswehr konkurriert mit der freien Wirtschaft um Experten. Für eine „Cyber-Reserve“sollen ungediente Freiwillige und Seiteneinsteiger gewonnen werden. Die Besoldung müsse wettbewerbsfähig gemacht werden, fordert Arnold. Gerade weil aber die Konkurrenz in dem Bereich so groß ist, will die Truppe selbst ITFachkräfte ausbilden. In München etwa entsteht an der BundeswehrUni ein Cyber-Forschungszentrum und ein Master-Studiengang.