Brahms trifft auf Rammstein
Das Publikum ist auch am letzten Krähe-Abend begeistert
- Der dritte und letzte Abend des Wettbewerbs um die Tuttlinger Krähe hat im Zeichen der Musik gestanden mit Liedermacher Andi Weiss, KlassikRock-Metal-Duo Timm Beckmann und Markus Griess und Entertainer Bernd Kohlhepp als „Herr Hämmerle“. Ohne Musik war Matthias Jung angereist, dafür hatte er jede Menge Informationen über das Seelenleben heutiger Teenager im Gepäck.
Wieder war die Stimmung im Saal mitreißend und wieder hätte Heinrich del Cores Moderation auch als Wettbewerbsbeitrag gute Chancen aufs Finale gehabt. An das extrem hohe Niveau der ersten beiden Wettbewerbsrunden kam der dritte Abend zwar nicht ganz heran, doch die Bandbreite der Beiträge war erneut erstaunlich.
Momentaufnahmen aus dem Alltag verarbeitet Andi Weiss zu Liedern voller Poesie, die er am Flügel begleitet. Unüberhörbar sind die Anklänge an Grönemeyers „Weg“bei „Es kommen wieder gute Zeiten“. Allerdings artikuliert der junge Liedermacher durchaus verständlich – und singt mit großer, eingängiger Stimme. Einige seiner Texte sind Reminiszenzen an seinen kleinen Sohn – und Hymnen an das Leben schlechthin. In einem Umfeld von Kabarettbeiträgen voller beißender Ironie und schwarzem Humor war der Beitrag fast zu schön, um wahr zu sein.
Einblicke in Teenager-Seele
Prosaischer gibt Matthias Jung aus Mainz Einblicke ins Seelenleben der Teenager von heute. Seine Ausbildung als Pädagoge liefert ihm einen Pool an Sachinformationen, die er unterhaltsam an die Leute bringt, vom Umbau im pubertären Gehirn bis zu Hormonumstellungen. Über chaotische Jugendzimmer, das Austesten von Grenzen und Aufklärungsunterricht spricht Jung dabei nicht ganz so langsam wie Rüdiger Hoffmann, scheint aber jederzeit besonnen und ganz bei sich zu sein. „Man versteht sie nicht“, beklagt Jung die neue Sprachkultur. Mittelalter-Slang wie „Ei du Knecht“hätte genauso Einzug gehalten wie Anglizismen, die selbst den Eiskauf dominierten. Er selber wünsche sich dringend statt eines „Strawberry-Joghurt-Toppings“ein „Schirmsche“. Elterliche Hilflosigkeit im Umgang mit „Chronischen Türzuschlägern“hätte in einem Fall darin gegipfelt, dem Sohn einen Adventskalender mit 24 offenen Türchen zu schenken.
Harmlos beginnt Timm Beckmann am Flügel mit einem ChopinWalzer, bevor mit dem Auftreten seines Bühnenpartners an der E-Gitarre, Markus Griess, ein „KabarettKonzert“wie ein gewaltiges Naturereignis über das Publikum hereinbricht. Die Grenzen aller musikalischen Kategorien sprengend, überlagern sich in Medleys mit unzählbaren musikalischen Zitaten Klassik und Heavy Metal. Filmmusik aus dem „Weißen Hai“untermalt den Titelsong zu „Titanic“. Die „Abteilung Schlaflieder“umfasst Metallicas „Enter Sandman“genauso wie Brahms‘ Wiegenlied – das Timm Beckmann dann auch noch in einer „Rammstein“nachempfunden „Brachial“-Version bearbeitet hat. Entziehen konnte sich keiner im Publikum der geballten Ladung an musikalischen Möglichkeiten, die das Duo abließ – vielleicht wäre es eine rundere Sache gewesen, die ganze Dröhnung etwas zu entzetteln, um der Vielseitigkeit der beiden genialen Musiker mehr Raum zu geben.
Schwäbische Entertainerqualitäten
Bernd Kohlhepp demonstriert wie schon seit Jahren als „Herr Hämmerle“ seine Entertainerqualitäten. Im goldenen Lurexanzug mit Hut tanzt, swingt und singt er, als wäre er direkt aus einer Show in Las Vegas eingeflogen. Das Ganze findet allerdings auf Schwäbisch statt. Und das nicht klischeehaft betulich, sondern mit der Sprechgeschwindigkeit eines Maschinengewehrs. Im alten „Haus in Rocky-Docky“beklagen Herrn Hämmerles digital vernetzte Haushaltsgeräte einander des nachts ihr Leid. Schlimm getroffen hat’s den Kühlschrank mit „Stunk im Käsefach“. Bühnenpartnerin Folo Dada hat Hämmerle angeblich auf der Autobahn aufgelesen – nicht ohne männliche Hintergedanken. Trotz ihres exotischen Aussehens entpuppt sich die stimmgewaltige Jazz-Sängerin als waschechte Schwäbin aus Korntal.