Noch schärfere staatliche Zensur droht
Anschläge könnten Ägypten verändern – Noch keine Probleme für Touristen
(dpa) - Der Terror des „Islamischen Staates“(IS) gegen Christen hat Ägypten ins Mark getroffen. Die Anschläge auf Christen könnten das Land am Nil verändern. Die wichtigsten Fragen beantwortet Benno Schwinghammer.
Was bedeutet der in Kraft getretene Ausnahmezustand?
Generell soll er den Sicherheitskräften und Ermittlungsbehörden des Landes noch mehr Möglichkeiten geben. Doch in Ägypten haben die AntiTerrorkräfte bereits weitreichende Befugnisse. Die ohnehin allgegenwärtige Präsenz der Sicherheitskräfte wird weiter zunehmen. In den vergangenen Jahren war nach Gewaltausbrüchen wiederholt der Ausnahmezustand in Ägypten oder Teilen des Landes ausgerufen worden. Dies war verbunden mit der Möglichkeit von Festnahmen ohne Haftbefehl und Hausdurchsuchungen ohne richterliche Anordnung. Einen Vorgeschmack auf noch schärfere staatliche Zensur gab es in der Nacht zum Montag: Die Ausgabe der Zeitung „Al-Bawaba“wurde von den Behörden konfisziert, weil sie auf der Titelseite forderte, Innenminister Magdy Abdel Ghaffar müsse wegen der Anschläge zur Verantwortung gezogen werden.
Wird es Probleme für Touristen geben?
Darauf deutet bislang nichts hin. Einschränkungen, die auch Touristen betreffen könnten – zum Beispiel eine abendliche Ausgangssperre – sind zwar nicht unmöglich, derzeit aber nicht zu erwarten. Die Urlaubsgebiete am Roten Meer gelten weiterhin als sicher. Das Auswärtige Amt weist in seinen Reise- und Sicherheitshinweisen aber schon länger auf ein bestehendes Terrorrisiko hin, von dem auch Ausländer nicht ausgenommen sind.
Ist der Tourismus in Ägypten nicht sowieso schon in der Krise?
Vor den arabischen Aufständen 2011 blühte der Tourismus am Nil noch – seitdem schwanken die Zahlen auch terrorbedingt stark. 2011 brach die Zahl der deutschen Urlauber ein, um sich 2012 wieder zu erholen. Doch wegen politischer Spannungen sank sie in den zwei Folgejahren auf jeweils unter 900 000 Besucher. 2015 wurde die Millionenmarke wieder geknackt. Doch nach dem Bombenanschlag auf einen russischen Ferienflieger über dem Sinai ging die Zahl erneut deutlich zurück: 2016 kamen nur noch 653 915 deutsche Gäste.
Die Anschläge vom Sonntag mit mehr als 40 Toten zielten auf die christliche Glaubensgemeinschaft der Kopten. Warum?
Die Dschihadisten wollen Ägypten ins Chaos stürzten oder zumindest ins Taumeln bringen. Neben ihrem generellen Hass auf Christen, die sie „Kreuzfahrer“nennen, sehen sie in ägyptischen Kopten wichtige Unterstützer von Präsident Abdel Fattah al-Sisi, der sich als Beschützer der Minderheiten inszeniert. Diese Zustimmung bröckelt nach der Gewalt nun. Zudem könnten durch die Anschläge die religiösen Spannungen, die in Ägypten vor allem auf dem Land existieren, angeheizt werden.
Kann der Ausnahmezustand als Beruhigungspille für die Christen gesehen werden?
Zumindest ist diese Interpretation möglich. Experte Hellyer sagt: „Sie sendet eine politische Botschaft an die Bevölkerung und vielleicht auch speziell an die christliche Gemeinde, dass die Regierung vorgibt, die Situation ernst zu nehmen.“
Werden die Menschenrechte jetzt noch mehr vernachlässigt?
Das ist zu befürchten. Ägyptens Präsident al-Sisi hat auf Bedrohungen für die Staatsmacht stets mit mehr Unterdrückung geantwortet. Unter der nun noch größeren Handlungsfreiheit wird auch die Freiheit des Einzelnen im Land leiden. Hinzu kommt, dass der internationale Druck zur Achtung der Menschenrechte auf Ägypten abnimmt. In USPräsident Donald Trump scheint alSisi einen Freund gefunden zu haben, der das Regieren mit harter Hand eher bewundert denn hinterfragt.
Auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel gilt seit Jahren ein Ausnahmezustand. Hat er die Lage verbessert?
Nein. Die Dschihadisten der Terrormiliz IS, die die Anschläge für sich reklamierten, können hier weiter operieren. „Der Ausnahmezustand im Sinai hatte keine positive Wirkung. Es erlaubte dem Regime nur, unschuldige Zivilisten in allen Lebensbereichen mit völliger Straflosigkeit zu verletzen“, erklärt SinaiExperte und Buchautor Mohannad Sabri.
Ist die Anti-Terrorstrategie al-Sisis also gescheitert?
Die zahlreichen Kritiker der Regierung würden sicher zustimmen. Sie sagen, dass Ägyptens Feldzug gegen alle Islamisten – ob radikal oder moderat – den Nährboden für neue Extremisten schaffe. Präsident al-Sisi hat die Bewegung der Muslimbruderschaft, die mit Mohammed Mursi bis zu dessen Sturz 2013 den Präsidenten stellte, verboten. Sie werden mit aller Härte als Terroristen verfolgt. Damit hat al-Sisi sich womöglich auch eine nützliche Möglichkeit zur Zusammenarbeit gegen Terroristen verbaut.