„Ich biete Hilfe zur Selbsthilfe“
Siegbert Fetzer über seine Aufgaben und Ziele als Wurmlinger Integrationsbeauftragter
- Seit 1. März ist Siegbert Fetzer Integrationsbeauftragter der Gemeinde Wurmlingen. Der 55Jährige kommt aus Trossingen. Fast 40 Flüchtlinge wohnen derzeit in einer Anschlussunterbringung in Wurmlingen. Mit Redakteurin Alexandra Schneid hat er über seine Aufgaben, Erfolgserlebnisse, aber auch über Verbesserungsmöglichkeiten gesprochen.
Welche Aufgaben haben Sie als Integrationsbeauftragter?
Ich helfe den Asylbewerbern, Anträge und Anmeldungen auszufüllen und prüfe, welche Qualifikation sie mitbringen und wie diese genutzt werden kann, um ins Arbeitsleben einsteigen zu können. In Gesprächen finde ich heraus, ob die Menschen ein Trauma haben, und vermittle gegebenenfalls eine Therapie. Ich unterstütze sie bei der Wohnungssuche, der Anmeldung zu Sprachkursen und helfe, sie in die Gesellschaft, beispielsweise in Vereine, zu integrieren. Ziel ist auch, ein Netzwerk zu bilden mit Gemeindeverwaltung, Landratsamt, Schulen, Kindergärten, Jobcenter, Asylhelferkreis und so weiter. Das erleichtert die Arbeit. Meine Aufgabe ist aber nicht, alles für die Asylbewerber zu machen, sondern ihnen zu zeigen, wie es geht, sozusagen Hilfe zur Selbsthilfe.
Sie sind seit gut fünf Wochen im Amt. Welche Erfahrungen haben Sie bereits gemacht?
Der Asylhelferkreis ist sehr kooperativ und rührig. Es macht Spaß, mit den Ehrenamtlichen zusammenzuarbeiten. Ich glaube, viele sind froh, dass sie jetzt von hauptamtlicher Seite unterstützt beziehungsweise entlastet werden. In Wurmlingen leben zur Zeit acht Flüchtlingsfamilien, und die Hilfestellung sieht bei jeder Familie etwas anders aus.
Welche Erfolgserlebnisse hatten Sie in der Zeit?
Es ist schön, wenn man sich immer besser auf Deutsch mit den Geflüchteten unterhalten kann oder wenn ein zehnjähriger Junge, der erst seit einigen Wochen in die Konzenbergschule geht, bereits Freunde gefunden hat. Außerdem zeigt sich die Bereitschaft zur Integration auch darin, wenn ein Familienvater halbtags in der Hirsch-Brauerei arbeitet und halbtags einen Sprachkurs besucht.
Mit welchen Problemen kommen die Asylbewerber auf Sie zu?
Ein großes Problem für Flüchtlinge ist, Post von Behörden zu verstehen und Anträge auszufüllen. Auch bei der Mülltrennung besteht Erklärungsbedarf, entweder in Form von Bildern, in Englisch oder schon in Deutsch. Denn Sprache ist die Basis der Integration. Um bei Fragen und Problemen rechtzeitig reagieren zu können, versuche ich – wenn es die Zeit zulässt – regelmäßigen Kontakt mit den Familien zu halten.
Sie waren Gründer und Mitglied des Leitungsteams des Asylhelferkreises „TroAsyl“: Inwiefern nutzen Ihnen die dort gesammelten Erfahrungen für Ihre jetzige Tätigkeit?
Meine praktischen Erfahrungen helfen mir enorm, weil ich die Arbeit von der Pieke auf gelernt habe und ich in Wurmlingen direkt mit der Arbeit beginnen konnte. Auch meine psychologische Ausbildung, die Kurse und Weiterbildungen, die ich absolviert habe, sind hilfreich. Aber erst im Alltag bei der direkten Arbeit mit den Flüchtlingen sieht man, worum es bei der kommunalen Integration wirklich geht.
Welche Aktionen planen Sie, um die Asylbewerber zu integrieren?
Wir bieten regelmäßig ein „Café International“an. Alle Flüchtlinge, Asylhelfer und Bürger sind eingeladen, sich bei einem Kaffee kennenzulernen. So können Kontakte und Patenschaften entstehen sowie Ängste oder Vorbehalte abgebaut werden. Auch zu Veranstaltungen und Festen laden wir die Geflüchteten ein. Außerdem möchte ich Kontakte zum Beispiel zu Vereinen und Organisationen knüpfen, um die Asylbewerber besser einzubinden.
Wo sehen Sie Verbesserungsbedarf?
(lacht) Die Arbeit für mich und für die Ehrenamtlichen wäre leichter, wenn beispielsweise die vielen Anträge und Bescheide nicht so zeitaufwändig und manchmal auch kompliziert wären – aber so ist die deutsche Bürokratie. Ich würde mir auch wünschen, dass das Thema „Flucht“in der Öffentlichkeit differenzierter diskutiert und beurteilt würde. Wer sich ausführlich über die Situation in den Herkunftsländern, die jeweiligen Fluchtgründe und individuellen Schicksale der Asylsuchenden informiert, ändert oftmals seine Einstellung. Auf jeden Fall sollten auf beiden Seiten die interkulturellen Eigenheiten transparenter gemacht und der Integrationsarbeit mehr Wertigkeit gegeben werden. Denn je schneller man auf die Leute zugeht und je mehr man im Vorfeld aktiv ist, desto erfolgreicher und problemloser verläuft auch das Zusammenleben.