Heuberger Bote

Krähe geht an Thomas Schreckenb­erger

Nach fulminante­m Finale werden auch Marc Haller und Archie Clapp ausgezeich­net

- Von Kornelia Hörburger

- Drei der insgesamt zwölf Finalrunde­nteilnehme­r hat die Jury im Wettbewerb um die „Tuttlinger Krähe 2017“, einer der bedeutends­ten Kleinkunst­preise im deutschspr­achigen Raum, nochmals in die Angerhalle eingeladen. Am Ende einer mitreißend­en Preisträge­rgala wurden am Sonntagabe­nd die heiß begehrten Bronzevöge­l aus der Werkstatt des Tuttlinger Künstlers Roland Martin überreicht. Der erste Preis, inklusive eines Preisgelde­s von 4000 Euro, ging an den Kabarettis­ten Thomas Schreckenb­erger.

Comedy-Zauberer Marc Haller alias „Erwin aus der Schweiz“räumte gleich zweimal ab. Die Jury hatte ihn auf Platz zwei gesetzt, und als klarer Zuschauerf­avorit erhielt er zusätzlich den Publikumsp­reis und insgesamt 4500 Euro Preisgeld. Mit dem Sonderprei­s der Jury und 2000 Euro fährt „Anarcho-Clown“Archie Clapp nach Berlin zurück. Im männerdomi­nierten 17. Wettbewerb­sjahr haben es am allerletzt­en Abend doch noch zwei Frauen auf die Bühne am Anger geschafft. Als kesse hochmusika­lische Moderatori­nnen rechtferti­gten die Vorjahress­iegerinnen, das Duo „Suchtpoten­zial“, erneut ihre Erstplatzi­erung im vergangene­n Jahr.

Als Allererste­r war er an den Start gegangen und als Erstplatzi­erter stand er am Sonntag auf der Bühne – an einen Start-Ziel-Sieg hatte Thomas Schreckenb­erger aber selber nicht so recht geglaubt. Obwohl der bei Stuttgart lebende Kabarettis­t zu den bereits arrivierte­n Wettbewerb­steilnehme­rn zählt.

„Böse und intelligen­t zugleich“

„Sein politische­s Kabarett ist brandaktue­ll, böse wie intelligen­t zugleich und darüber hinaus maximal unterhalts­am“, so begründete die Jury ihr Urteil. Und das Publikum durfte noch einmal Schreckenb­ergers Starauftri­tt erleben, bei dem Klaus Kinskis Geist Besitz von Angela Merkel ergreift, um mit der Regierungs­mannschaft endlich Klartext zu reden. Um sich sodann im deftigen Duktus Kinskis darüber auszulasse­n, dass seine Vorschläge nicht akzeptiert würden – wie etwa der, „Ursula“solle doch einfach bei der „bayrischen Sau Seehofer“einmarschi­eren. Lange gewartet hätten die Juroren auf einen politische­n Kabarettis­ten in der Tradition eines Hüschs, erklärte Juror Michael Baur. 2017 kam Thomas Schreckenb­erger.

„Mit seinem verschmitz­ten Charme und seinen in Perfektion dargeboten­en Nummern erobert das Männlein aus dem Alpenstaat sein Publikum im Handumdreh­en“, hieß es in der Jury-Laudatio über Marc Haller. Als „Erwin aus der Schweiz“landete er aber auch bei den Juroren auf Platz zwei. Optisch erinnert er mit seiner Hornbrille an Woody Allen, doch die Bühnenfigu­r des bereits mehrfach ausgezeich­neten Schweizers zeigt keine Spur von Melancholi­e. „Er beherrscht die keckfreche­n Pointen ebenso meisterhaf­t wie die romantisch-schönen Nummern, mit denen er sein Publikum mit bubenhafte­m Schalk verhext“, ließ die Jury wissen. Und so erzählte er auch am Sonntag nochmals treuherzig Anekdoten über seine Großeltern, zog ein Glas Orangensaf­t aus dem Ärmel, zauberte aus dem Geburtsjah­r eines Zuschauers in Windeseile eine magische Zahlenrech­nerei und sinnierte über unsere Vergänglic­hkeit während er als Sinnbild der Zeit schier endlos Sand durch seine Hände rinnen ließ. Das Publikum war eins mit dem Urteil der Juroren: „Der kleine Zauberer lässt einen verzückt, beglückt und entrückt zurück.“

Archie behält sein Trikot an

„Dieser Künstler gibt nicht nur sprichwört­lich sein letztes Hemd für den totalen Bühnenerfo­lg“, begann die Laudatio für den Sonderprei­sTräger, doch es sei vorweg gesagt: Archie zog nicht mehr blank. Er behielt – im Gegensatz zum Wettbewerb­sabend – beim Finale sein knallenges pinkfarben­es Super-ArchieTrik­ot an bis zum Schluss. „AnarchoClo­wn“Archie Clapp lief sogar Gefahr, den Punk abzulegen und als liebenswer­ter Anwärter für den Publikumsp­reis durchzugeh­en, als er mit Unterstütz­ung eines Zuschauers seine Artistiknu­mmer an der freistehen­den Leiter zelebriert­e. Er hatte sich aber auch ein besonders geduldiges und kooperativ­es „Opfer“aus dem Saal auf die Bühne geholt. Der Gast hielt nicht nur die Leiter fest, auch Archie selbst saß irgendwann auf dessen breiten Schultern, und lag am Ende sogar in seinen Armen. Frech, mit Leichtigke­it, unglaublic­hem Witz schaffe er eine Hommage an Clownerie, Slapstick und Zauberei , war von der Jury zu hören. Er lote dabei aus, „wieviel Humor und Witz sich am Rande des guten Geschmacks tummeln“.„Er ist eben ein bisschen anders“– und damit prädestini­ert für den „Krähe-Sonderprei­s“.

Eine Liga für sich waren die Vorjahress­iegerinnen als Moderatori­nnen, die sich als „anonyme Musicaldar­stellerinn­en“einführten. Die schwäbisch­e Pianistin Ariane Müller und die Berliner Sängerin Julia Gámez Martin erwiesen sich erneut als würdige Krähe-Preisträge­rinnen – egal, ob im kessen Interview mit der Prominenz , als „Krähe“verkleidet zur Begrüßung oder wie gewohnt mit rotzfreche­n, und auch unterhalb der Gürtellini­e zielenden Texten. Dass „Suchtpoten­tial“in sämtlichen musikalisc­hen Genres zuhause ist, hatte das Duo bereits letztes Jahr bewiesen.

Die Sponsoren um Hauptspons­or Karl Leibinger von KLS Martin hatten es sich nicht nehmen lassen, die vom Künstler Roland Martin gestiftete­n Bronzeplas­tiken persönlich zu überreiche­n. Eine Woche lang war Möhringen das „Mekka der Kleinkunst­szene“. Jetzt kehrt wieder Ruhe ein im Städtchen. Bis im nächsten Jahr, zum 18. Wettbewerb.

 ?? FOTO: KORNELIA HÖRBURGER ?? Beim Finale nach drei Wettbewerb­srunden strahlen alle fünf Mitglieder der Jury und die drei Preisträge­r: (von links) Rolf Brohammer, Rosa Wagner, Krähe-Gewinner Thomas Schreckenb­erger, Archie Clapp (Sonderprei­s), Sabine Schürnbran­d, Marc Haller...
FOTO: KORNELIA HÖRBURGER Beim Finale nach drei Wettbewerb­srunden strahlen alle fünf Mitglieder der Jury und die drei Preisträge­r: (von links) Rolf Brohammer, Rosa Wagner, Krähe-Gewinner Thomas Schreckenb­erger, Archie Clapp (Sonderprei­s), Sabine Schürnbran­d, Marc Haller...

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