Heuberger Bote

Spaghetti, Schnaps und ein Bett für die Franzosen

Nach dem Anschlag auf die Mannschaft verbrüdern sich die Fans von Monaco und Dortmund

- Von Jürgen Schattmann

Als es 20.45 Uhr war Dienstagna­cht und im vollen Stadion keiner Fußball spielen konnte, pfiffen manche Fans aus Monaco zuerst, klar, sie verstanden nicht, sie waren weit angereist, sie wollten Sport sehen. Als sie über die Explosione­n in der Stadt informiert wurden, erklärten sie sich sofort solidarisc­h mit den Borussen. „Dortmund, Dortmund“riefen die Franzosen, von denen viele Hundert nach der Verlegung des Spiels allerdings ein Problem hatten: Sie hatten kein Bett gebucht, kein Hotel, sie wussten nicht, wo schlafen.

Gut, dass es den Hashtag „bedforaway­fans“gab, den der BVB flugs eingericht­et hatte. Hilfsberei­te Dortmunder stellten den Gästen dort umsonst Wohnungen zur Verfügung und zeigten damit, dass Nächstenli­ebe über Rivalität geht. Der Borussen-Fan Stefan Kilmer (46) etwa sah, dass Not am Bett war und lud über Twitter vier Fans dazu sein, in seiner Wohnung zu übernachte­n. Kilmer kochte Spaghetti für die Studenten aus der Nähe von Paris, die im Auto angereist waren und schoss ein Selfie, das tausendfac­h geliked wurde. „Ich hasse den Terror, der da passiert“, sagte Kilmer. „Fußball ist ein Sport, bei dem Menschen zusammen kommen.“Egal welcher Herkunft, egal welcher Hautfarbe. „Man hat Spaß zusammen.“

Auch Monaco-Fan Luc Straub aus Straßburg und seine fünf Kumpels fanden über „bedforaway­fans“eine Bleibe – der Dortmunder Frank Junge bot kostenlos sein Haus an. Kurz vor Mitternach­t kam die Truppe in Dortmund-Benninghof­en an, zwei Stunden später lagen alle auf der Couch. Am Mittwoch vertrieben sich die Franzosen mit ihrem Gastgeber die Zeit bis zum Spiel in der Stadt, und der Vater von Junge spendierte Geld für Speis und Trank.

Vier Freunde aus der Gegend von Lyon und Genf kamen wiederum in der Citywohnun­g einer jungen Frau unter, und auch eine Hotelierin zeigte sich spendabel. Im westfälisc­hen Lüdinghaus­en bot sie Gratis-Betten für die Franzosen an – fünf Monegassen schlugen zu und kamen per Zug aus dem 30 Minuten entfernten Dortmund. „Sie haben noch einen Schnaps bekommen und sind dann ins Bett gegangen“, sagte Ute Uhlenkott, die Tochter der Hotel-Besitzerin und selbst eingefleis­chter BVB-Fan, die aufgrund eines mulmigen Gefühls am Mittwoch allerdings nicht ins Stadion ging. Auch der Dortmunder­in Babette Neuhaus und ihrem 17-jährigen Sohn war nicht wohl beim Stadionbes­uch: „Ich hatte gehofft, dass es kein Terror ist, dass es eine Art Dummer-JungenStre­ich auswärtige­r Fans ist, die sich einen bösen Scherz erlauben, um die Dortmunder Spieler zu erschrecke­n“, sagte Neuhaus. „Aber mit diesem Hintergrun­d wird es ein beklemmend­es Gefühl im Stadion werden.“

Der Terror wird Spuren in den Köpfen hinterlass­en, die völkerverb­indenden Aktionen in der Dortmunder Terrornach­t allerdings machen Mut. „Es gab angesichts der Ereignisse eine großartige Solidaritä­t aller – der Fans aus Deutschlan­d, aus Dortmund, aber auch aus Monaco“, sagte Kanzlerin Angela Merkel. Das sei ein „klares Signal“gegen jede Art von Gewalt.

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FOTO: KILMER Nudeln essen gegen den Terror: Der Dortmunder Stefan Kilmer (Mitte) gabelte im Internet vier Monaco-Fans auf, die Betten suchten.

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