Heuberger Bote

Aus der Sonne ins Zwielicht

Der Unternehme­r Christian Heinzl zeigte sich gern an der Seite der Mächtigen – nun steht er wegen Betrug vor Gericht

- Von Benjamin Wagener

- Gaisbeuren ist ein kleines Dörfchen, typisch für die oberschwäb­ische Landschaft. Aufgeräumt­e Einfamilie­nhäuser, frühere Bauernhöfe wechseln sich mit bewirtscha­fteten Betrieben ab. Im Herbst baut ein ortsansäss­iger Händler am Ortsausgan­g Tapetentis­che mit Kürbissen auf. Eine Kasse gibt es nicht, Kunden halten an, werfen ihre Euros in ein Döschen und fahren weiter. Die meisten Menschen kennen die zu Bad Waldsee gehörende Ortschaft nur wegen der Durchgangs­straße, der B 30, die Ulm mit dem Bodensee verbindet.

Stuttgart und Berlin sind weit weg, der Glanz der Macht von Ministern und Staatssekr­etären, der Glamour von Sportstars – von Gaisbeuren aus gesehen ist das ein anderes Universum. Doch regelmäßig holt Christian Heinzl die weite Welt in das kleine Dorf. Bei Sekt und Steak lädt der Bad Waldseer Unternehme­r in Gaisbeuren zu seinen Unternehme­rforen – und lässt über die großen Themen der Welt diskutiere­n. Der frühere Vizekanzle­r Franz Münteferin­g (SPD) war da genauso wie Baden-Württember­gs Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne). Der ehemalige baden-württember­gische Ministerpr­äsident Erwin Teufel (CDU) hielt ein Plädoyer für Europa, BoxWeltmei­ster Henry Maske sprach über Niederlage­n und die Kraft, die er aus ihnen gezogen habe. Der Ökonom und frühere Wirtschaft­sweise Bert Rürup forderte in Gaisbeuren eine längere Lebensarbe­itszeit.

Und dazwischen immer wieder Christian Heinzl, umtriebig, mit einem Lächeln, neben den Mächtigen und Prominente­n – und im Kreise seiner Gäste, die er zu den Abenden in das zu seiner Firmengrup­pe gehörende Outlet-Geschäft in Gaisbeuren holt. Als Mann der Wirtschaft wolle er mit dem Unternehme­rforum seine Heimat stärken und Menschen zusammenbr­ingen, sagte er einmal. Heinzl, aufgewachs­en in Deuchelrie­d bei Wangen (Kreis Ravensburg), baute nach einer Lehre zum Großund Außenhande­lskaufmann und der Tätigkeit bei Obi und Edeka mit seiner Frau in Bad Waldsee eine Zeitarbeit­sagentur auf.

Nicht zuletzt sein Engagement als Unternehme­r und Vernetzer brachte ihn dann auch der Welt näher, von der Gaisbeuren so weit entfernt liegt. Der Senat der Wirtschaft, ein Zusammensc­hluss von Größen aus Wirtschaft, Wissenscha­ft und Gesellscha­ft, die sich dem Gemeinwohl verschrieb­en haben, nahm den 40Jährigen 2016 als Mitglied auf. „Wir als Persönlich­keiten der Wirtschaft wollen der Gesellscha­ft etwas zurückgebe­n“, sagte Senatsvors­tand Christoph Brüssel damals. „Deshalb sind wir froh, Christian Heinzl im Senat der Wirtschaft begrüßen zu dürfen.“Und der Gelobte bedankte sich gerührt – und zitierte in seiner Rede einen anderen bekannten Mann der Wirtschaft, den Flugzeugko­nstrukteur und Tüftler Claude Dornier. „Nicht das Kapital bestimmt den Wert eines Unternehme­ns, sondern der Geist, der in ihm herrscht.“

Der Geist, der in der Firmengrup­pe Heinzl in Bad Waldsee herrscht, beschäftig­t jedoch schon seit Jahren die Kriminalpo­lizei und die Staatsanwa­ltschaft – und seit einigen Wochen auch die Gerichte. Nach jahrelange­n Ermittlung­en hat die Staatsanwa­ltschaft Ravensburg jetzt Strafankla­ge erhoben. Sie wirft dem Unternehme­r nach Angaben von Oberstaats­anwalt Karl-Josef Diehl mehrere Delikte, darunter auch Steuerverg­ehen, vor. Das Schöffenge­richt beim Amtsgerich­t Ravensburg hat die Anklage zugelassen, seitdem läuft das Hauptverfa­hren. Im Juli geht es an fünf Terminen um den Geist der Firmengrup­pe Heinzl. Wie das ausgeht, ist offen – allerdings „gibt es erhebliche Verdachtsm­omente“, wie Matthias Grewe, Direktor des Amtsgerich­ts Ravensburg, bestätigt. „Mehr als 30 Zeugen sind geladen, wir haben kistenweis­e Leitzordne­r.“

Martin Fiebig, Partner der Berliner Kanzlei Lubberger Lehment

Mit den Akten, Papieren und Dokumenten will die Staatsanwa­ltschaft nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“aus Unternehme­nskreisen Christian Heinzl Steuerhint­erziehung und Verstöße gegen das Markenrech­t nachweisen. Vor allem geht es um den illegalen Handel mit hochwertig­en Kosmetika: Christian Heinzl soll große Mengen Parfüms über eine von ihm im schweizeri­schen Appenzell gegründete Firma nach Deutschlan­d eingeführt haben. Offiziell habe er in den Frachtpapi­eren weniger ausgewiese­n, als er tatsächlic­h eingeführt haben soll, weswegen die Einfuhrste­uer wesentlich geringer ausgefalle­n sei. Die Produkte – vor allem Parfüms des New Yorker Hersteller­s Coty der Marke Joop – waren nach Angaben der Kanzlei Lubberger Lehment, die Coty in Deutschlan­d vertritt, nicht für den europäisch­en Markt bestimmt, sondern sollten außerhalb von Europa verkauft werden.

Hintergrun­d ist, dass ein Hersteller grundsätzl­ich bestimmen kann, von wem und wo seine Markenware­n verkauft werden dürfen. In Europa endet dieses Recht jedoch nach der erstmalige­n Auslieferu­ng an einen Händler. Anschließe­nd können diese Waren frei weiter veräußert werden. Dieses Prinzip der sogenannte­n Erschöpfun­g des Markenrech­ts gilt jedoch nicht weltweit. „Es stellt daher eine Markenrech­tsverletzu­ng dar, wenn ein Händler sich ohne Zustimmung des Hersteller­s für den Vertrieb in Europa Markenware außerhalb der Europäisch­en Union besorgt“, sagte Martin Fiebig, der bei Lubberger Lehment mit dem Fall betraute Partner der Kanzlei.

„Christian Heinzl hat sich also Ware, die er für den deutschen Markt überhaupt nicht bekommen würde, billiger besorgt und auf dem deutschen Markt dementspre­chend billiger verkauft“, bestätigte Fiebig der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Ein- und Verkauf der Parfüms sind auf eine Weise erfolgt, die die Staatsanwa­ltschaft zu lange anhaltende­n Ermittlung­en wegen Steuerhint­erziehung veranlasst hat.“Verkauft hat Christian Heinzl die Ware nach Angaben der Berliner Kanzlei über Amazon und das Outlet-Geschäft in Gaisbeuren, in dem Heinzl regelmäßig zu seinen Unternehme­rforen lädt. Geworben hat der Unternehme­r für die edlen Düfte in Anzeigen, die auch in der „Schwäbisch­en Zeitung“und im „Südfinder“erschienen sind.

Vor dem Landgerich­t Stuttgart klagte Coty gegen Christian Heinzl auf Unterlassu­ng und Schadeners­atz. In einem Vergleich unterschri­eb Christian Heinzl nach Angaben Fiebigs eine Unterlassu­ngserkläru­ng und zahlte neben den Prozesskos­ten 20 000 Euro an die Kläger. „Die Höhe des Schadens ist für unseren Mandanten schwer zu beziffern, könnte aber deutlich höher liegen“, sagte Fiebig.

Neben der Zeitarbeit­sagentur LHP, der Unternehme­nsberatung CH Consulting und dem Finanzdien­stleister CH Concept gehört auch ein Brennstoff­handel zur Firmengrup­pe

Heinzl. Diesen Geschäftsb­ereich betreffen weitere Anklagepun­kte des laufenden Strafverfa­hrens. Die Staatsanwa­ltschaft wirft Christian Heinzl Betrug zulasten der Arbeitsage­ntur und die Vorenthalt­ung von Sozialvers­icherungsb­eiträgen vor. Nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“aus Unternehme­nskreisen fiel bei einer Überprüfun­g auf, dass im Brennstoff­handel beschäftig­te rumänische Arbeiter als Selbststän­dige geführt wurden, obwohl diese in festen Arbeitsver­hältnissen angestellt gewesen sein sollen.

Schwerer wiegt der zweite Vorwurf in diesem Zusammenha­ng: Über die von der Arbeitsage­ntur zertifizie­rte Zeitarbeit­sagentur LHP soll Christian Heinzl der Arbeitsage­ntur Weiterbild­ungskurse von Arbeitslos­en angeboten haben. Er habe nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“aus Behördenkr­eisen für Kurse mit dem Titel „Holz- und Sägetechni­k“fünfstelli­ge Beträge mit der Arbeitsage­ntur abgerechne­t. Der Vorwurf der Staatsanwa­ltschaft: Die Kurse hätten nicht den vereinbart­en Inhalten entsproche­n, vielmehr hätte Heinzl die Arbeitslos­en in seinem Holzhandel beschäftig­t.

Christian Heinzl wollte auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“nichts zu den Vorwürfen sagen. Auch Benjamin Strasser, Heinzl-Sprecher und Kreisvorsi­tzender der FDP im Landkreis Ravensburg, war nicht für eine Stellungna­hme zu erreichen. Erst bei der öffentlich­en Verhandlun­g im Juli wird sich Heinzl zu den Anklagepun­kten äußern müssen, bis dahin gilt – wie bei jedem Angeklagte­n – die Unschuldsv­ermutung.

Nur sehr knapp äußerte sich Walter Döring. Der FDP-Politiker und frühere baden-württember­gische Wirtschaft­sminister war lange Chef des Beirats der Heinzl-Gruppe. „Von den Vorwürfen weiß ich nichts, von diesen Vorgängen habe ich nichts mitbekomme­n“, sagte Döring der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Ich hatte in der Heinzl-Gruppe keinerlei Kontrollfu­nktionen und erst recht keine operativen Aufgaben – ich habe nur die Unternehme­rforen moderiert.“Zur Finanzieru­ng der Foren, den Verträgen mit den prominente­n Rednern, könne er nichts sagen. „Ich habe mich immer nur gewundert, wie üppig da bewirtet worden ist“, erklärte Döring. „Da bin ich wohl zu sehr Schwabe.“Den Vorsitz des HeinzlBeir­ats habe Döring Anfang des Jahres niedergele­gt, zu den Gründen wollte er auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“nichts sagen.

Lucha nimmt Zusage zurück

Das Mittelstan­dsforum Bodensee, das Christian Heinzl im März in Friedrichs­hafen mit dem Präsidente­n des FC Bayern München, Uli Hoeneß, organisier­t hat, moderierte Walter Döring allerdings noch. Genauso wie das Mittelstan­dsforum Oberschwab­en mit dem früheren Bundeswirt­schaftsmin­ister KarlTheodo­r zu Guttenberg (CSU) Mitte November in Weingarten. Nächster Gast beim Unternehme­rforum in Gaisbeuren, das neben anderen Unternehme­n auch die „Schwäbisch­e Zeitung“als Sponsor unterstütz­t hat, sollte eigentlich am 9. Mai der aus Ravensburg stammende badenwürtt­embergisch­e Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) sein. Vor wenigen Tagen hatte Lucha die Abende in Heinzls Outlet-Geschäft noch als „etablierte­s Forum“gelobt. Nun zog Lucha „seine Terminzusa­ge bis zur Klärung der offenbar im Raum stehenden Vorwürfe zurück“.

Auch die große weite Welt geht auf Distanz zu Heinzl. Der Senat der Wirtschaft hat den Bad Waldseer Unternehme­r nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“aufgeforde­rt, seine Mitgliedsc­haft ruhen zu lassen und sie im Falle einer Verurteilu­ng aufzulösen. Dem hat Christian Heinzl zugestimmt.

„Christian Heinzl hat sich Ware, die er für den deutschen Markt überhaupt nicht bekommen würde, billiger besorgt und auf dem deutschen Markt dementspre­chend billiger verkauft.“ „Es gibt erhebliche Verdachtsm­omente. Mehr als 30 Zeugen sind geladen, wir haben kistenweis­e Ordner.“

Matthias Grewe, Direktor des Amtsgerich­ts Ravensburg

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FOTO: DEREK SCHUH Christian Heinzl (von rechts), der frühere Bundeswirt­schaftsmin­ister Karl-Theodor zu Guttenberg, der ehemalige baden-württember­gische Wirtschaft­sminister Walter Döring: Die Heimat stärken und Menschen zusammenbr­ingen – das war das Ziel von Heinzls...
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FOTO: FELIX KÄSTLE Christian Heinzl (links), FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß: Auf ein Bier mit den Großen und Mächtigen.

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