Aus der Sonne ins Zwielicht
Der Unternehmer Christian Heinzl zeigte sich gern an der Seite der Mächtigen – nun steht er wegen Betrug vor Gericht
- Gaisbeuren ist ein kleines Dörfchen, typisch für die oberschwäbische Landschaft. Aufgeräumte Einfamilienhäuser, frühere Bauernhöfe wechseln sich mit bewirtschafteten Betrieben ab. Im Herbst baut ein ortsansässiger Händler am Ortsausgang Tapetentische mit Kürbissen auf. Eine Kasse gibt es nicht, Kunden halten an, werfen ihre Euros in ein Döschen und fahren weiter. Die meisten Menschen kennen die zu Bad Waldsee gehörende Ortschaft nur wegen der Durchgangsstraße, der B 30, die Ulm mit dem Bodensee verbindet.
Stuttgart und Berlin sind weit weg, der Glanz der Macht von Ministern und Staatssekretären, der Glamour von Sportstars – von Gaisbeuren aus gesehen ist das ein anderes Universum. Doch regelmäßig holt Christian Heinzl die weite Welt in das kleine Dorf. Bei Sekt und Steak lädt der Bad Waldseer Unternehmer in Gaisbeuren zu seinen Unternehmerforen – und lässt über die großen Themen der Welt diskutieren. Der frühere Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) war da genauso wie Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne). Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) hielt ein Plädoyer für Europa, BoxWeltmeister Henry Maske sprach über Niederlagen und die Kraft, die er aus ihnen gezogen habe. Der Ökonom und frühere Wirtschaftsweise Bert Rürup forderte in Gaisbeuren eine längere Lebensarbeitszeit.
Und dazwischen immer wieder Christian Heinzl, umtriebig, mit einem Lächeln, neben den Mächtigen und Prominenten – und im Kreise seiner Gäste, die er zu den Abenden in das zu seiner Firmengruppe gehörende Outlet-Geschäft in Gaisbeuren holt. Als Mann der Wirtschaft wolle er mit dem Unternehmerforum seine Heimat stärken und Menschen zusammenbringen, sagte er einmal. Heinzl, aufgewachsen in Deuchelried bei Wangen (Kreis Ravensburg), baute nach einer Lehre zum Großund Außenhandelskaufmann und der Tätigkeit bei Obi und Edeka mit seiner Frau in Bad Waldsee eine Zeitarbeitsagentur auf.
Nicht zuletzt sein Engagement als Unternehmer und Vernetzer brachte ihn dann auch der Welt näher, von der Gaisbeuren so weit entfernt liegt. Der Senat der Wirtschaft, ein Zusammenschluss von Größen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft, die sich dem Gemeinwohl verschrieben haben, nahm den 40Jährigen 2016 als Mitglied auf. „Wir als Persönlichkeiten der Wirtschaft wollen der Gesellschaft etwas zurückgeben“, sagte Senatsvorstand Christoph Brüssel damals. „Deshalb sind wir froh, Christian Heinzl im Senat der Wirtschaft begrüßen zu dürfen.“Und der Gelobte bedankte sich gerührt – und zitierte in seiner Rede einen anderen bekannten Mann der Wirtschaft, den Flugzeugkonstrukteur und Tüftler Claude Dornier. „Nicht das Kapital bestimmt den Wert eines Unternehmens, sondern der Geist, der in ihm herrscht.“
Der Geist, der in der Firmengruppe Heinzl in Bad Waldsee herrscht, beschäftigt jedoch schon seit Jahren die Kriminalpolizei und die Staatsanwaltschaft – und seit einigen Wochen auch die Gerichte. Nach jahrelangen Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Ravensburg jetzt Strafanklage erhoben. Sie wirft dem Unternehmer nach Angaben von Oberstaatsanwalt Karl-Josef Diehl mehrere Delikte, darunter auch Steuervergehen, vor. Das Schöffengericht beim Amtsgericht Ravensburg hat die Anklage zugelassen, seitdem läuft das Hauptverfahren. Im Juli geht es an fünf Terminen um den Geist der Firmengruppe Heinzl. Wie das ausgeht, ist offen – allerdings „gibt es erhebliche Verdachtsmomente“, wie Matthias Grewe, Direktor des Amtsgerichts Ravensburg, bestätigt. „Mehr als 30 Zeugen sind geladen, wir haben kistenweise Leitzordner.“
Martin Fiebig, Partner der Berliner Kanzlei Lubberger Lehment
Mit den Akten, Papieren und Dokumenten will die Staatsanwaltschaft nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“aus Unternehmenskreisen Christian Heinzl Steuerhinterziehung und Verstöße gegen das Markenrecht nachweisen. Vor allem geht es um den illegalen Handel mit hochwertigen Kosmetika: Christian Heinzl soll große Mengen Parfüms über eine von ihm im schweizerischen Appenzell gegründete Firma nach Deutschland eingeführt haben. Offiziell habe er in den Frachtpapieren weniger ausgewiesen, als er tatsächlich eingeführt haben soll, weswegen die Einfuhrsteuer wesentlich geringer ausgefallen sei. Die Produkte – vor allem Parfüms des New Yorker Herstellers Coty der Marke Joop – waren nach Angaben der Kanzlei Lubberger Lehment, die Coty in Deutschland vertritt, nicht für den europäischen Markt bestimmt, sondern sollten außerhalb von Europa verkauft werden.
Hintergrund ist, dass ein Hersteller grundsätzlich bestimmen kann, von wem und wo seine Markenwaren verkauft werden dürfen. In Europa endet dieses Recht jedoch nach der erstmaligen Auslieferung an einen Händler. Anschließend können diese Waren frei weiter veräußert werden. Dieses Prinzip der sogenannten Erschöpfung des Markenrechts gilt jedoch nicht weltweit. „Es stellt daher eine Markenrechtsverletzung dar, wenn ein Händler sich ohne Zustimmung des Herstellers für den Vertrieb in Europa Markenware außerhalb der Europäischen Union besorgt“, sagte Martin Fiebig, der bei Lubberger Lehment mit dem Fall betraute Partner der Kanzlei.
„Christian Heinzl hat sich also Ware, die er für den deutschen Markt überhaupt nicht bekommen würde, billiger besorgt und auf dem deutschen Markt dementsprechend billiger verkauft“, bestätigte Fiebig der „Schwäbischen Zeitung“. „Ein- und Verkauf der Parfüms sind auf eine Weise erfolgt, die die Staatsanwaltschaft zu lange anhaltenden Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung veranlasst hat.“Verkauft hat Christian Heinzl die Ware nach Angaben der Berliner Kanzlei über Amazon und das Outlet-Geschäft in Gaisbeuren, in dem Heinzl regelmäßig zu seinen Unternehmerforen lädt. Geworben hat der Unternehmer für die edlen Düfte in Anzeigen, die auch in der „Schwäbischen Zeitung“und im „Südfinder“erschienen sind.
Vor dem Landgericht Stuttgart klagte Coty gegen Christian Heinzl auf Unterlassung und Schadenersatz. In einem Vergleich unterschrieb Christian Heinzl nach Angaben Fiebigs eine Unterlassungserklärung und zahlte neben den Prozesskosten 20 000 Euro an die Kläger. „Die Höhe des Schadens ist für unseren Mandanten schwer zu beziffern, könnte aber deutlich höher liegen“, sagte Fiebig.
Neben der Zeitarbeitsagentur LHP, der Unternehmensberatung CH Consulting und dem Finanzdienstleister CH Concept gehört auch ein Brennstoffhandel zur Firmengruppe
Heinzl. Diesen Geschäftsbereich betreffen weitere Anklagepunkte des laufenden Strafverfahrens. Die Staatsanwaltschaft wirft Christian Heinzl Betrug zulasten der Arbeitsagentur und die Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen vor. Nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“aus Unternehmenskreisen fiel bei einer Überprüfung auf, dass im Brennstoffhandel beschäftigte rumänische Arbeiter als Selbstständige geführt wurden, obwohl diese in festen Arbeitsverhältnissen angestellt gewesen sein sollen.
Schwerer wiegt der zweite Vorwurf in diesem Zusammenhang: Über die von der Arbeitsagentur zertifizierte Zeitarbeitsagentur LHP soll Christian Heinzl der Arbeitsagentur Weiterbildungskurse von Arbeitslosen angeboten haben. Er habe nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“aus Behördenkreisen für Kurse mit dem Titel „Holz- und Sägetechnik“fünfstellige Beträge mit der Arbeitsagentur abgerechnet. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Die Kurse hätten nicht den vereinbarten Inhalten entsprochen, vielmehr hätte Heinzl die Arbeitslosen in seinem Holzhandel beschäftigt.
Christian Heinzl wollte auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“nichts zu den Vorwürfen sagen. Auch Benjamin Strasser, Heinzl-Sprecher und Kreisvorsitzender der FDP im Landkreis Ravensburg, war nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Erst bei der öffentlichen Verhandlung im Juli wird sich Heinzl zu den Anklagepunkten äußern müssen, bis dahin gilt – wie bei jedem Angeklagten – die Unschuldsvermutung.
Nur sehr knapp äußerte sich Walter Döring. Der FDP-Politiker und frühere baden-württembergische Wirtschaftsminister war lange Chef des Beirats der Heinzl-Gruppe. „Von den Vorwürfen weiß ich nichts, von diesen Vorgängen habe ich nichts mitbekommen“, sagte Döring der „Schwäbischen Zeitung“. „Ich hatte in der Heinzl-Gruppe keinerlei Kontrollfunktionen und erst recht keine operativen Aufgaben – ich habe nur die Unternehmerforen moderiert.“Zur Finanzierung der Foren, den Verträgen mit den prominenten Rednern, könne er nichts sagen. „Ich habe mich immer nur gewundert, wie üppig da bewirtet worden ist“, erklärte Döring. „Da bin ich wohl zu sehr Schwabe.“Den Vorsitz des HeinzlBeirats habe Döring Anfang des Jahres niedergelegt, zu den Gründen wollte er auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“nichts sagen.
Lucha nimmt Zusage zurück
Das Mittelstandsforum Bodensee, das Christian Heinzl im März in Friedrichshafen mit dem Präsidenten des FC Bayern München, Uli Hoeneß, organisiert hat, moderierte Walter Döring allerdings noch. Genauso wie das Mittelstandsforum Oberschwaben mit dem früheren Bundeswirtschaftsminister KarlTheodor zu Guttenberg (CSU) Mitte November in Weingarten. Nächster Gast beim Unternehmerforum in Gaisbeuren, das neben anderen Unternehmen auch die „Schwäbische Zeitung“als Sponsor unterstützt hat, sollte eigentlich am 9. Mai der aus Ravensburg stammende badenwürttembergische Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) sein. Vor wenigen Tagen hatte Lucha die Abende in Heinzls Outlet-Geschäft noch als „etabliertes Forum“gelobt. Nun zog Lucha „seine Terminzusage bis zur Klärung der offenbar im Raum stehenden Vorwürfe zurück“.
Auch die große weite Welt geht auf Distanz zu Heinzl. Der Senat der Wirtschaft hat den Bad Waldseer Unternehmer nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“aufgefordert, seine Mitgliedschaft ruhen zu lassen und sie im Falle einer Verurteilung aufzulösen. Dem hat Christian Heinzl zugestimmt.
„Christian Heinzl hat sich Ware, die er für den deutschen Markt überhaupt nicht bekommen würde, billiger besorgt und auf dem deutschen Markt dementsprechend billiger verkauft.“ „Es gibt erhebliche Verdachtsmomente. Mehr als 30 Zeugen sind geladen, wir haben kistenweise Ordner.“
Matthias Grewe, Direktor des Amtsgerichts Ravensburg