Knaebel legt Aesculap-Vorstandsvorsitz sofort nieder
Langjähriger Boss des Tuttlinger Medizintechnikunternehmens nennt persönliche Gründe – Nachfolger Schulz
- Diese Nachricht dürfte in Tuttlingen im Jahresverlauf nur schwer zu überbieten sein: Hanns-Peter Knaebel ist am Dienstag als Vorstandsvorsitzender der Aesculap AG und als Vorstandsmitglied des Mutterkonzerns B. Braun Melsungen AG zurückgetreten. Laut einer Pressemitteilung von Tuttlingens größtem Unternehmen vom Mittwoch hat der 48-Jährige persönliche Gründe für diesen Schritt angeführt.
Zum Nachfolger als Vorstandsvorsitzender des MedizintechnikUnternehmens wurde das AesculapVorstandsmitglied Joachim Schulz benannt. Er erhielt bereits am Montag einen Vertrag bis zum 31. März 2022.
Egal mit wem man am Mittwoch bei Aesculap spricht. Die Stimmung in den Telefonaten wirkt gedrückt. Kaum Spekulationen schießen ins Kraut. Sind es gesundheitliche Gründe? Ein zu verlockendes Angebot eines anderen Unternehmens? Dissens mit Melsungen? Offiziell weiß niemand beim Medizintechnik-Unternehmen etwas. Knaebel selbst hat Tuttlingens Oberbürgermeister Michael Beck am Dienstag informiert. Der Manager wollte nicht, dass der OB die Nachricht aus der Zeitung erfährt. Auch ein Mitarbeiter berichtet, dass er von einem Kollegen darauf angesprochen worden sei, dass Knaebel das Haus verlassen würde. Das sei rund sechs Wochen her.
Felicitas Jansen, Vize-Präsidentin für Marketing und Kommunikation bei Aesculap, verweist auf Nachfrage auf die von B. Braun verfasste Pressemitteilung. Weitere Information zur Demission von Knaebel gibt es aus dem Unternehmen nicht. Das Vorgehen war schon so, als Otto-Philipp Braun, Sohn des B. Braun-Aufsichtsratsvorsitzenden Ludwig Georg Braun, am 21. Februar aus dem Vorstand der Melsunger ausgeschieden war. Ähnlich klingt auch der Wortlaut in den Pressemitteilungen: „Der Aufsichtsrat bedauert diese Entscheidung sehr und bedankt sich bei Prof. Dr. Knaebel für seine achtjährige Tätigkeit (…) und die von ihm wesentlich mit verantwortliche erfolgreiche Weiterentwicklung des Konzerns“.
Ohne negativen Unterton
Rückblick: Das Bilanzpressegespräch von Aesculap am Donnerstag der vergangenen Woche sowie das Bilanzpressegespräch des Mutterkonzerns wenige Tage zuvor verliefen ohne negativen Unterton. Knaebel wirkte im Aesculapium zwar etwas genervt, ansonsten war der Vorstandsvorsitzende wie man ihn kennt: offen, klar in den Antworten und mit Blick voraus. Auch der B. Braun-Vorstandsvorsitzende, HeinzWalter Große, hatte den Tuttlingern mit Knaebel an der Spitze Tage zuvor eine gute Arbeit attestiert. Ein Umsatzplus von 3,7 Prozent hatte Aesculap für das vergangene Jahr ausgewiesen und damit seinen Umsatz auf mehr als 1,7 Milliarden Euro gesteigert.
Walter Wadehn, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Albstadt, der noch vor wenigen Wochen bei einer Betriebsversammlung von Aesculap dabei gewesen war, sprach von einer guten Stimmung in jener Runde. Mit Knaebel verliere das Unternehmen einen „kompetenten“Mann: „Ich kann über ihn nichts Negatives sagen“, sagt er auf Nachfrage unserer Zeitung. Der Anruf zur Causa Knaebel erwischt ihn am Mittwochnachmittag völlig überraschend. Rund 800 mehr Mitarbeiter habe Aesculap, seitdem Knaebel vor acht Jahren das Amt von Michael Ungethüm übernommen hat, betont Wadehn. Ekkehard Rist, Betriebsratsvorsitzender des Unternehmens, verwies auf ein Abstimmungsgespräch am frühen Nachmittag mit dem Vorstand. Mehr war auch von ihm nicht zu erfahren.
Kamingespräch abgesagt
Ein Mitarbeiter berichtet, dass Knaebel am Dienstag ein „Kamingespräch“, das er immer wieder mit Mitarbeitern von Aesculap führt und das für Mittwoch terminiert worden war, kurzfristig abgesagt habe. Mit dem Wirtschaftschef unserer Zeitung hatte Knaebel, der im vergangenen November die Wirtschaftsmedaille des Landes Baden-Württemberg erhalten hat, in der vergangenen Woche noch Termine für Mai vereinbart. Ob Knaebel auch seinen Posten als Universitätsrat der Universität Heidelberg niedergelegt hat, war am Mittwoch nicht zu erfahren. Eine Sprecherin betonte auf Anfrage unserer Zeitung, dass die Hochschule zu Personalien in dieser Form keine Informationen herausgibt.
Mit Knaebel verliert Aesculap nach Dirk Freund ein zweites Vorstandsmitglied innerhalb von wenigen Monaten. Das ehemalige Vorstandsmitglied für Forschung und Entwicklung war im Juli des vergangenen Jahres wegen unterschiedlicher Ansichten über die zukünftige Strategie des Medizintechnik-Unternehmens aus seinem Amt „in gegenseitigem Einvernehmen“ausgeschieden. Für ihn rückte Personalund Rechtschef Jens von Lackum nach. Und Schulz? Er ist derzeit im Urlaub und kommt am Mittwoch der kommenden Woche wieder ins Büro. Das soll auch eins zeigen: Aesculap verfällt nicht in Panik, sondern der Betrieb läuft trotz des überraschenden Abschieds von Knaebel normal weiter.