Knappe Niederlage im schwersten Spiel
Einen Tag nach dem Anschlag auf den Mannschaftsbus unterliegt Dortmund Monaco 2:3
- Eben noch hatte Nuri Sahin die Körperhaltung eines Fußballspielers gehabt, der seine Mannschaft mit aller Macht und noch mehr Können vor dieser unglücklichen Niederlage im Viertelfinalhinspiel der Champions League gegen den AS Monaco bewahren wollte. Sahin hatte wirklich großartig gespielt in der zweiten Halbzeit dieser Begegnung. Der 28-Jährige war der Antreiber einer leidenschaftlich kämpfenden Dortmunder Mannschaft gewesen, die lieber irgendwie versucht hätte, das Trauma eines Anschlags auf ihr Leben zu verarbeiten, statt gegen den AS Monaco zu spielen und nebenbei noch unsere Werte zu verteidigen. So hatte ja unter anderem BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke die Notwendigkeit der Spielansetzung nur einen Tag nach dem Sprengstoffanschlag begründet.
Tuchel widerspricht Watzke
Doch jetzt, der BVB hatte das Spiel mit 2:3 (0:2) verloren, wirkte Nuri Sahin wie ein Überlebender eines Anschlags. „Ich weiß, dass Fußball sehr, sehr wichtig ist, ich weiß, dass wir liefern müssen und dass wir heute hier spielen mussten. Aber man darf nicht vergessen, dass wir alle auch nur Menschen sind. Es war nicht einfach heute“, sagte er.
Einige seiner Kameraden hatten Tränen in den Augen, als sie nach der Niederlage in ihrem schwersten Spiel vor der Südtribüne standen, wo Zehntausende Fans „Der BVB wird niemals untergehen“sangen. Das war weniger darauf bezogen, dass nach Shinji Kagawas Treffer in der 84. Minute zum 2:3 der Einzug ins Halbfinale durchaus möglich ist. Sondern, dass die Mannschaft überhaupt noch da war und dieses Spiel absolviert hatte. Ein Spiel, in dem sie vor allem in der ersten Halbzeit verständlicherweise ziemlich von der Rolle gewesen war, in der ihr Fehler unterlaufen waren, die sonst nicht mal dieser traditionell etwas wankelmütigen Truppe passieren. Ein Spiel aber auch, in dem der BVB in der zweiten Halbzeit aufdrehte, in dem sich die Profis beinahe freizuspielen schienen vom Anschlag.
„Es hat viel Mut und Courage gebraucht, hier heute Fußball zu spielen“, sagte Trainer Thomas Tuchel, der die UEFA – und indirekt auch Watzke – wegen der kurzfristigen Neuansetzung hart kritisierte: „Die Mannschaft hätte gern mehr Tage gehabt. Wir fühlten uns komplett übergangen, als es hieß: Morgen seid ihr dran.“Später ergänzte er, noch schärfer: „Die Termine werden vorgegeben und wir haben zu funktionieren. Wir hatten das Gefühl, dass wir behandelt werden, als wäre eine Bierdose an unseren Bus geflogen.“Die Mannschaft und er wären „in die Entscheidung überhaupt nicht eingebunden“gewesen. „Das hat die UEFA in der Schweiz entschieden. Das ist kein gutes Gefühl, es war ein Gefühl der Ohnmacht.“
Die UEFA hatte allerdings am Mittwochmittag verkündet, dass der neue Termin mit allen beteiligten Parteien abgesprochen gewesen sei. Auch Watzke hatte sich so geäußert und außerdem festgestellt: „Egal, ob Borusse, Bayer oder Schalker. Wir wollen zeigen, dass Terror und Hass unser Handeln niemals bestimmen dürfen.“
Tuchel hatte den Spielern freigestellt, ob sie auflaufen wollten. Als Schiedsrichter Daniele Orsato die Begegnung um 18.46 Uhr unter den Augen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière, NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und DFB-Präsident Reinhard Grindel anpfiff, waren alle dabei. Alle, bis auf Marc Bartra, der durch die Explosion an der Hand verletzt wurde, in der Nacht auf Mittwoch operiert werden musste, sich aber vor dem Anpfiff laut eigenem Bekunden auf dem Weg der Besserung befand. „Wir wussten, dass es nicht einfach wird. Bis zum Anpfiff war alles im Kopf, nur kein Fußball“, sagte Sahin.
Nach dem Anpfiff schien sich alles gegen Borussia verschworen zu haben. Monacos Führungstreffer durch den 18-jährigen Kylian Mbappé (19.) ging eine klare Abseitsstellung voraus, beim 0:2 beförderte Sven Bender den Ball per Kopf ins eigene Netz (35.). Glück hatte der Bundesligist allerdings, als Fabinho einen Foulelfmeter neben das Tor setzte (17.).
Tuchel setzte nach der Halbzeit alles auf eine Karte. Für Bender und Kapitän Marcel Schmelzer kamen Sahin und Christian Pulisic. Der BVB erhöhte den Druck und kam durch Dembélé (57.) zum Anschlusstreffer. Monaco kam kaum noch über die Mittellinie, hatte aber die Riesenchance zum 3:1, als Radamel Falcao (75.) über das leere Tor schoss. Kurz darauf schlug dann Mbappé nach einem schlimmen Fehlpass von Lukasz Piszczek zu – doch Kagawa sorgte für neue Hoffnung. „Die zweite Halbzeit war überragend, und das zweite Tor ist Gold wert“, so Sahin.