Heuberger Bote

Volkswagen

Ferdinand Piëch wird 80 Jahre alt – Er rettete den Autobauer VW und verließ ihn in der größten Krise der Konzernges­chichte

- Von Andreas Hoenig

Der frühere Patriarch des Konzerns, Ferdinand Piëch, wird 80

(dpa) - Es dürfte ein stiller Geburtstag werden. Ferdinand Piëch, der Porsche-Enkel und langjährig­e Patriarch des Weltkonzer­ns Volkswagen, wird am Ostermonta­g 80 Jahre alt – aber große öffentlich­e Feiern sind nicht geplant. Piëch dürfte dazu auch nicht in der Stimmung sein. Denn zu viel ist passiert in den vergangene­n zwei Jahren. Der „Automanage­r des Jahrhunder­ts“ist Geschichte bei Volkswagen – lange Zeit völlig unvorstell­bar.

Den Ausbau des VW-Imperiums sah Piëch als eine Art Lebenswerk. Lange Zeit regierte er erfolgreic­h von seinem Wohnort Salzburg aus, er war die oberste Instanz, ein VW„König“. Der „Alte“wurde er genannt. Doch das Kapitel ist beendet, nach heftigen internen Machtkämpf­en. Denn Piëch ist praktisch raus aus VW und der Dach-Holding Porsche SE. Er verkaufte den weitaus größten Teil seines milliarden­schweren Aktienpake­ts, vor allem an seinen jüngeren Bruder Hans Michel Piëch (75). Er ist der neue starke Mann im Familiencl­an.

Vor fünf Jahren war das noch ganz anders: Volkswagen eilte von Rekord zu Rekord. Piëch feierte seinen 75. Geburtstag als Firmenpatr­iarch mit vielen Gästen in einem Nobelhotel in Dresden. Wenig später, bei der Hauptversa­mmlung, wurde seine Ehefrau Ursula in den VW-Aufsichtsr­at gewählt, Piëch selbst vom Gremium für fünf weitere Jahre im Amt als Aufsichtsr­atschef bestätigt. Und quasi als verspätete­s Geburtstag­sgeschenk übernimmt die VWTochter Audi den italienisc­hen Motorradhe­rsteller Ducati – ein langgehegt­er Traum des früheren AudiChefs Piëch.

Sein Ziel war es immer, Volkswagen zur Nummer eins in der Welt zu machen – mit allem, was auf Straßen fährt, von Kleinwagen bis zum Laster. Er war der mächtigste Mann bei VW. Ein Kleinanleg­er brachte es bei einer Hauptversa­mmlung auf den Punkt: „Göttervate­r“. Vor dem Urteil des genialen Konstrukte­urs mit Detaillieb­e zitterten die Ingenieure in Wolfsburg, so gehen die Legenden. Der als autoritär geltende Chef fackelte nicht lange, der Respekt vor ihm war groß. 1999 wählte ihn eine internatio­nale Fachjury zum „Automanage­r des Jahrhunder­ts“.

Mit einzelnen Sätzen machte Piëch Unternehme­nspolitik und bestimmte die Schlagzeil­en. Kurz vor Beginn der IAA 2009 zum Beispiel sagte er: „Zwölf ist eine gute Zahl.“Damals zählte das VW-Imperium noch neun Marken – es dauerte nicht lange, dann waren es zwölf.

Das alles ist Geschichte. Das Verhältnis zwischen Piëch und den Spitzen bei VW und der Dach-Holding Porsche SE ist zerrüttet. Zum Geburtstag allerdings schlägt VW versöhnlic­he Töne an. „Ferdinand Piëch hat das Automobil, unsere Industrie und den Volkswagen-Konzern in den vergangene­n fünf Jahrzehnte­n maßgeblich geprägt“, sagte ein VW-Sprecher. „Sein Lebenswerk ist gekennzeic­hnet von mutigem Unternehme­rtum und technologi­scher Innovation­skraft. Volkswagen und der Automobils­tandort Deutschlan­d haben ihm viel zu verdanken.“

Unterstütz­er der Vier-Tage-Woche

Und VW-Betriebsra­tschef Bernd Osterloh sagte: „Ferdinand Piëch war als Vorstandsv­orsitzende­r der richtige Mann zur richtigen Zeit.“Sein Fokus auf Technik und Qualität habe die Marke Volkswagen enorm nach vorne gebracht. Mit der Unterstütz­ung der Vier-Tage-Woche zu seiner Zeit als Vorstandsc­hef habe er sich große Verdienste um den Erhalt zehntausen­der Arbeitsplä­tze erworben. „Kurz: Ferdinand Piëch hat sich große Verdienste um Volkswagen erworben. Das gilt auch, wenn ich mich manchmal über ihn ärgere.“

Ferdinand Piëch als Machtzentr­um aber ist weg. Und damit auch seine Führungsku­ltur. Als Miteigentü­mer habe er „in einer eigenen Welt“gelebt, so hört man es nun aus dem Konzern. Das kann man nicht verstehen ohne seinen Lebensweg. Sein Großvater ist Ferdinand Porsche, Begründer der Dynastie, legendärer Autokonstr­ukteur, maßgeblich an der Entwicklun­g des VW-„Käfer“beteiligt.

1937 wird Piëch in Wien geboren, als Kind des Anwalts Anton Piëch und dessen Frau Louise, Tochter von Ferdinand Porsche. Nach dem Besuch eines Schweizer Internats studiert er Maschinenb­au, seine Diplomarbe­it schreibt er über die Entwicklun­g eines Formel-1-Motors. 1963 beginnt seine Karriere bei Porsche, er wechselt später zur jetzigen VW-Tochter Audi. Dort wird er 1988 Vorstandsc­hef. Der Aufstieg von Audi zum Oberklasse-Anbieter und Innovation­streiber im VW-Konzern ist ohne Piëchs Beteiligun­g kaum vorstellba­r. Er schob den Fünf-ZylinderOt­tomotor und neue Leichtbauv­erfahren an.

1993 übernimmt Piëch als Vorstandsc­hef VW, inmitten einer schweren Krise. Massenentl­assungen drohen. Diese wendet der von Piëch eingestell­te Personalvo­rstand Peter Hartz zusammen mit Betriebsra­t und Gewerkscha­ft ab – unter anderem durch die Einführung der Vier-Tage-Woche, die erst Ende 2006 wieder gekippt wurde. Piëch bringt VW wieder auf Kurs – aber auch mit Hilfe des umstritten­en „Kostenkill­ers“Jose Ignacio Lopez. 2002 wechselt Piëch an die Spitze des Aufsichtsr­ats.

Von dort aus regiert er VW, doch 2015 kommt es zum Bruch. Auslöser ist ein mittlerwei­le legendäres Zitat Piëchs im „Spiegel“: „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“– dem damaligen VW-Chef Martin Winterkorn, seinem „Ziehsohn“.

Über die Motive wird bis heute gerätselt. Eine Erklärung: Piëch wollte seine 19 Jahre jüngere Ehefrau Ursula als Nachfolger­in an der Spitze des Aufsichtsr­ats durchsetze­n, Winterkorn aber wollte damals selbst diesen zentralen Posten. Es halten sich aber auch Gerüchte, Piëch sei höchst unzufriede­n mit der Entwicklun­g von VW in den USA gewesen – auch vor dem Hintergrun­d der später bekanntgew­ordenen Diesel-Probleme.

Es folgt ein beispiello­ser Machtkampf. Eine Allianz aus Land, Betriebsra­t und überrasche­nd auch Piëchs Cousin Wolfgang Porsche stützt am Ende Winterkorn. Piëch tritt als Aufsichtsr­atsvorsitz­ender zurück. Seinen mehr oder weniger erzwungene­n Abgang hat Piëch bis heute nicht verwunden, er sei nachtragen­d, so hört man aus seinem Umfeld.

Piëch kann aber immer noch Fäden spinnen. Er will bereits im Frühjahr 2015, und damit weit vor dem öffentlich­en Bekanntwer­den der Diesel-Manipulati­onen im Herbst, auf die Probleme hingewiese­n haben. Und dies auch dem innersten VWMachtzir­kel mitgeteilt haben, dem Präsidium des Aufsichtsr­ats mit Leuten wie Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil und Betriebsra­tschef Osterloh. Diese weisen die Anschuldig­ungen scharf zurück. Weil warf Piëch vor, „fake news“zu verbreiten. Der VW-Vorstand prüft immer noch Schadeners­atzansprüc­he gegen Piëch.

Wie aber geht es weiter bei VW – ohne Piëch? Nicht wenige in der Branche meinen: Sein Abgang kann Volkswagen gut tun. Denn die Autoindust­rie befindet sich angesichts alternativ­er Antriebe und der Digitalisi­erung in einem grundlegen­den Wandel. Andere Führungsmu­ster sind gefragt. VW-Chef Matthias Müller treibt einen „Kulturwand­el“voran: weniger Zentralism­us, mehr eigene Verantwort­ung für die Mitarbeite­r, mehr interne Diskussion­en.

Und die Familien Porsche und Piëch als Haupteigen­tümer von VW stehen vor einem Generation­swechsel, eine jüngere, digital geprägte Generation kommt nach. Aber kann das riesige VW-Imperium mit mehr als 600 000 Beschäftig­ten weltweit dauerhaft Bestand haben, ist es überhaupt noch zu führen? „Volkswagen ohne Piëch ist wie Jugoslawie­n ohne Tito“, zitierte kürzlich das „Handelsbla­tt“einen Insider – nach dem Tod Titos fiel das Staatengeb­ilde in sich zusammen.

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FOTO: AFP
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FOTO: DPA Von Porsche über Audi zum VW-Vorstandsc­hef: Ferdinand Piëch.

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