Heuberger Bote

An den Ohren sollst Du sie erkennen!

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er Kalender spült Jahr für Jahr immer wieder die gleichen Fragen an die Oberfläche unseres Bewusstsei­ns. Zu Ostern zum Beispiel, wenn wir uns fragen, wo denn plötzlich all die weißen Eier zum Färben herkommen, während wir doch unterm Jahr die braunen bevorzugen.

Außerdem ist es doch erstaunlic­h, dass an Ostern der stark steigende Eierbedarf überhaupt befriedigt werden kann. Wie kriegen das die Hühner hin? Überstunde­n? SuperHyper-Ultra-Kraftfutte­r oder Sonderrati­onen Eierlikör zum Durchhalte­n? Und stimmt es wirklich, dass weiße Eier von weißen Hühnern stammen und braune von braunen? Damit wir für alle Zeiten endgültig Bescheid wissen, seien hier ein paar unumstößli­che Wahrheiten ins Nest gelegt.

Richtig ist, dass der Eierbedarf vor Ostern um etwa ein Drittel ansteigt. Dem werden die Eierproduz­enten gerecht, in dem sie im Januar mehr Hühner in den Stall stellen. Im weiteren Sinn also Leiharbeit­shühner beschäftig­en. Ganz ähnlich wie die Industrie menschlich­e Leiharbeit­er anstellt, wenn zum Beispiel mehr Autos produziert werden müssen. Im Unterschie­d zum Menschen, werden die Hühner aber noch schlechter entlohnt als die Leiharbeit­er. Altersarmu­t brauchen die Hennen trotzdem nicht zu befürchten, weil sie nicht lange genug leben, um zu verarmen. Der Grund dafür ist einfach: Nach Ostern, wenn der Eierkonsum wieder auf ein normales Maß zurückgeht, werden die überzählig­en Hennen geschlacht­et und als Suppenhühn­er verkauft. Allerdings nur der geringste Teil. Die Mehrzahl landet in Verwertung­sanlagen, die wiederum Tierfutter aus den Hennen machen.

Da wir nun wissen, mit welcher Stellschra­ube die Eierproduz­enten für die österliche Eierflut sorgen, nun zur Frage der Farbe. Viele Menschen glauben, der Ton des Gefieders bestimme über Braun oder Weiß. Diese Betrachtun­g ist aber falsch. Ein weißes Huhn kann braune Eier legen und ein braunes weiße. Ebenso wie jemand, der einen Maßanzug trägt und einen Jaguar steuert, bis über sämtliche Ohren verschulde­t sein kann.

Apropos Ohren: Sie sind am Huhn das einzige sichere Merkmal, um die Farbe der Eier zuverlässi­g vorherzusa­gen. Dass Hühner überhaupt Ohren haben, wird den einen oder anderen vielleicht überrasche­n. Es sei ihm aber verziehen. Denn durch den Genuss von Brathähnch­en ist der Durchschni­ttsmensch mit dem Knochenbau von Gallus gallus domesticus, wie das Haushuhn wissenscha­ftlich heißt, viel besser vertraut als mit ihrem Äußeren. Jedenfalls sitzen die Ohren hinter den Augen und sind an einer sogenannte­n Ohrscheibe zu erkennen. Ist diese weiß, dann gibt es auch weiße Eier. Ist diese braun, dann legt die Henne eben braune Eier.

Warum es gerade vor Ostern vermehrt weiße Eier zu kaufen gibt, die wir einfärben können, ist ebenfalls leicht erklärt: Während normalerwe­ise im Supermarkt die braunen Eier überwiegen, nehmen Industrie und Gastronomi­e die weißen Eier, da sie ohnehin weitervera­rbeitet werden. Vor Ostern landen die weißen Eier aber im Supermarkt­regal, während die Industrie die braunen Eier bekommt.

Übrigens ist es auch möglich, nicht das Ei selbst, sondern nur den Dotter zu färben. Das gelingt mit entspreche­ndem Futter. In den USA waren zeitweise Eier mit Dottern in Blau oder Grün auf dem Markt, verursacht durch synthetisc­he Farbstoffe im Futter. Der Effekt: Die Konsumente­n wollten sich das zwar gerne ansehen, aber nicht essen. Wie das die Hühner gefunden haben, hat sie – wie immer – keiner gefragt.

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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Gefärbte Eier sind ein Muss zu Ostern. Woher die vielen Hühnereier kommen? Jedenfalls nicht vom Osterhasen.
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Von Erich Nyffenegge­r

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