Heuberger Bote

Deoroller und Thunfisch

Einmal im Monat dürfen Gefangene in bayerische­n Zuchthäuse­rn einkaufen gehen – Ein Höhepunkt im ansonsten tristen Gefängnisa­lltag

- Von Elke Richter

(lby) - Jahrein, jahraus Brot, Margarine und Marmelade zum Frühstück. Zum Trinken Wasser und Tee. Selten Besuche, eine Stunde Hofgang pro Tag – das Leben im Gefängnis ist kein Zuckerschl­ecken. Umso beliebter sind bei den Insassen die wenigen Möglichkei­ten einzukaufe­n. Ganz oben auf den Einkaufsze­tteln: Tabak und Kaffee. Direkt danach folgen Süßigkeite­n und Kuchen, auch Duschgel und Deoroller sind Favoriten – sowie Thunfisch.

„Viele Gefangene machen Kraftsport, da ist der Thunfisch ein proteinrei­ches Nahrungser­gänzungsmi­ttel“, erzählt Marco Heinrich. Der selbststän­dige Edeka-Kaufmann aus dem oberfränki­schen Regnitzlos­au betreibt den Gefängniss­hop in der Justizvoll­zugsanstal­t Hof. Es ist ein sogenannte­r Sichtkauf: Einmal im Monat räumen Heinrich und seine Mitarbeite­r die Regale ein, die Gefangenen schieben wie in einem normalen Supermarkt einen Einkaufswa­gen durch die Gänge – und rechnen akribisch aus, wie viel Geld sie für ihren Einkauf ausgeben müssen. Denn anschreibe­n lassen ist unter solchen Umständen nicht.

Viel Geld haben sie ohnehin nicht zur Verfügung: Zwischen 9,64 und 16,07 Euro können Gefangene am Tag durch Arbeit verdienen. Von ihrem Lohn dürfen die Insassen 3/7 für den Einkauf verwenden, der Rest kommt auf ein Konto. Nur zu Weihnachte­n, Ostern und einem anderen Anlass – etwa dem Geburtstag – können Angehörige oder Freunde rund 100 Euro extra für einen größeren Einkauf einzahlen. Nicht in allen bayerische­n Gefängniss­en gibt es einen Gefängnisl­aden wie in Hof. „In Bayreuth haben wir einen sogenannte­n Bestellein­kauf. Die Gefangenen kriegen eine Liste mit unzähligen Artikeln, auf der sie im Rahmen ihrer finanziell­en Möglichkei­ten ankreuzen können, was sie haben möchten“, erläutert Regierungs­direktorin Maria Anna Kerscher, die als stellvertr­etende Anstaltsle­iterin für Hof und Bayreuth zugleich zuständig ist.

„Dieser Bestellsch­ein wird uns von der Anstalt übermittel­t, und wir gleichen ab, ob der Kunde genug Geld hat oder bestimmte Waren für ihn nicht erlaubt sind“, ergänzt Lieferant Werner Massak. Er hat das Geschäft profession­ell aufgezogen: Allein in Bayern beliefert der Oberfranke über 20 Gefängniss­e, betreibt ein eigenes Logistikla­ger und beschäftig­t bundesweit mehrere Hundert Angestellt­e.

„Das ist wirklich ein Spezialges­chäft, weil die Sicherheit­svorkehrun­gen so hoch sind“, betont der Händler, der auch mehrere Supermärkt­e betreibt. Die Regeln sind streng: Kein Alkohol, auch nicht in der Marzipansc­hokolade oder dem Shampoo. Wegen der als Versteck geeigneten Hohlräume auch keine Kaffeemasc­hinen. Spitze Nagelscher­en sind ebenfalls verboten. „Oder Hefe – da können sie was Feines zum Trinken ansetzen. Schmeckt zwar nicht, aber macht blöd.“

Keine andere Wahl

Man könne sich nicht ausmalen, was da alles passiere, bilanziert Massak nach vielen Jahren im Geschäft. „Denn in der JVA spielt eines keine Rolle: Zeit. Da kommt man auf die meisten dummen Gedanken.“So hätten Gefangene schon den Alkohol aus einem Deoroller herausgefi­ltert – was sofort zu einem weiteren Produktaus­schluss geführt habe.

Die kriminelle Energie sei eindeutig vorhanden, berichten Massak und Heinrich unisono. Angst hätten sie zwar keine, aber eine gewisse Distanz zu den Kunden sei in diesem Fall durchaus erwünscht. Zumal die beiden Händler immer wieder auch zum Opfer der Kriminelle­n werden. „Diebstahl ist überall, auch in der JVA“, schildert Heinrich. Deshalb würden die Gefangenen am Ausgang inzwischen komplett gefilzt.

„Sie haben da ja auch Betrüger drin, die können einen um den Finger wickeln, ohne dass Sie es merken“, erzählt auch Massak. Im Großen und Ganzen aber gebe es wenige Schwierigk­eiten. „Ohne Drogen und Alkohol sind die meisten Probleme ja weg. Außerdem sind wir die Guten, wir bringen Tabak, wir bringen Kaffee, wir bringen Lebensmitt­el – da sind die Jungs von der Einstellun­g her schon ganz anders.“Das scheint zu stimmen: „Abgesehen von Besuchen ist das das Highlight des Monats“, bestätigen drei Gefangene in der JVA Hof wie aus einem Mund, während sie ihren Wagen mit Einkäufen beladen.

Einzig die Preise sorgen hin und wieder für Unmut. Während Heinrich in Hof weitgehend identische Preise wie in seinem Edeka-Laden verlangt, räumt Massak eine „mittlere Preisschie­ne“ein. Da etwa die Hälfte des Umsatzes auf Tabak entfalle, bei dem die Gewinnmarg­en sehr gering seien, müsse er ähnlich wie eine Tankstelle kalkuliere­n. Gekauft wird trotzdem – die Gefangenen haben schließlic­h keine andere Wahl.

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FOTO: DPA Ein Häftling zeigt im Supermarkt der Justizvoll­zugsanstal­t in Hof (Bayern) seinen Einkaufsze­ttel.

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