Bundesregierung mahnt „respektvollen Dialog“an
Kanzlerin Merkel und Außenminister Gabriel appellieren gemeinsam an Erdogans Verantwortungsbewusstsein
- Bis zuletzt hatte die Bundesregierung auf eine Überraschung gehofft. Doch spätestens am Montagmorgen war klar: Eine knappe Mehrheit der Türken hat beim Referendum mit Ja gestimmt.
Am Tag nach der Abstimmung mahnen die Kanzlerin und ihr Außenminister in einer gemeinsamen Erklärung zu Besonnenheit und Vernunft: Der knappe Ausgang zeige, wie tief die türkische Gesellschaft gespalten sei. Die Bundesregierung erwarte von Ankara jetzt „einen respektvollen Dialog mit allen politischen und gesellschaftlichen Kräften des Landes“, so der gemeinsame Appell von Angela Merkel (CDU) und Sigmar Gabriel (SPD). Sie erinnern den türkischen Präsidenten an seine „große Verantwortung“, signalisieren aber auch Gesprächsbereitschaft: „Die Bundesregierung erwartet, dass die türkische Regierung nun nach einem harten Referendumswahlkampf einen respektvollen Dialog mit allen politischen und gesellschaftlichen Kräften des Landes sucht.“Ein gemeinsamer Appell der Kanzlerin und ihres Vizekanzlers – das ist ein eher ungewöhnlicher Schritt. In dieser wichtigen außenpolitischen Frage wollen die Regierungschefin und ihr Außenminister Geschlossenheit demonstrieren.
Jetzt gelte es, „kühlen Kopf“zu bewahren, hatte Außenminister Gabriel bereits am Ostersonntag empfohlen, noch bevor das Ergebnis offiziell festgestanden hatte. Der SPDPolitiker und Vizekanzler will Ankara die Tür zur EU weiter offenhalten. Ein schnelles Ende der Beitrittsverhandlungen lehnt er ab.
Andere Politiker von Union, FDP, Grünen und Linken üben dagegen deutliche Kritik. Ende der Beitrittsverhandlungen mit der EU und Streichung der Finanzmittel für die Türkei, Abzug der Bundeswehrsoldaten vom türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik, wo sie am internationalen Anti-Terror-Einsatz gegen den IS beteiligt sind und Stopp der militärischen Hilfen und Rüstungslieferungen für Ankara – so lauten die Forderungen nach dem Votum auch über Parteigrenzen hinweg.
Große Sorge löste das Votum der Deutsch-Türken hierzulande aus: Während das Ergebnis in der Türkei knapp ausgefallen ist, stimmten in Deutschland 63,2 Prozent der 1,4 Millionen Wahlberechtigten für Erdogans Verfassungsreform. Die Wahlbeteiligung lag mit 50 Prozent allerdings deutlich niedriger als in der Türkei.