Heuberger Bote

Streit um „Fließband“-Hinrichtun­gen

- Von Frank Herrmann, Washington

Wendell Griffen, Richter im Pulaski County, einem Verwaltung­sbezirk in Arkansas, ist zu einem Hoffnungst­räger der Gegner der Todesstraf­e geworden. Vor Ostern entschied der Afroamerik­aner, der früher nebenbei Pfarrer war, eine geplante Hinrichtun­gswelle vorerst aufzuschie­ben. Er gab der Klage eines Pharmagroß­händlers statt, der sich dagegen verwahrte, dass ein von ihm vertrieben­es Medikament bei Exekutione­n verwendet wird.

Seitdem scheiden sich die Geister an Griffen. Stramm konservati­ve Senatoren in Arkansas fordern den Juristen zum Rücktritt auf. Für den Fall, dass er nicht freiwillig geht, drohen sie mit einem Amtsentheb­ungsverfah­ren. Worauf Griffen gelassen entgegnet, seine persönlich­en Überzeugun­gen hinderten ihn ja nicht daran, das Recht korrekt auszulegen.

In Arkansas sollten bis Ende des Monats, so die Absicht, acht Häftlinge mittels Giftspritz­e hingericht­et werden. In der jüngeren Geschichte der USA wäre das ein trauriger Rekord: Kein anderer Bundesstaa­t hat bislang so kurz hintereina­nder so viele Menschen hinrichten lassen, seit der Oberste Gerichtsho­f die Todesstraf­e 1976 nach vorübergeh­endem Moratorium wieder für zulässig erklärt hat. An vier Tagen sollten jeweils zwei Häftlinge in der „Death Chamber“sterben, ein Zeitplan, der Kritiker von Fließbandm­entalität sprechen lässt. Allein deshalb hatten die Anwälte der acht Todeskandi­daten Einspruch eingelegt: Die Hast sei ein Affront gegen die menschlich­e Würde.

Haltbarkei­tsdatum läuft ab

Dann begründete der Gouverneur von Arkansas, Asa Hutchinson, die Eile mit Gründen der Effizienz – das verstärkte die Proteste allerdings nur noch. Irgendwann hatten die Behörden entdeckt, dass am 30. April die Haltbarkei­t ihrer Midazolam-Bestände ablaufe. Der Gouverneur, ein Republikan­er, will nächstes Jahr wiedergewä­hlt werden. Mit Härte hofft er offenbar Punkte zu sammeln in einem ländlich geprägten Milieu, in dem die Mehrheit der Bürger die Todesstraf­e noch immer für angemessen hält.

Es sind drei Wirkstoffe, die dem auf der Pritsche Festgeschn­allten in die Venen gespritzt werden: zuerst ein Betäubungs­mittel wie Midazolam, dann Pancuroniu­mbromid, das die Muskeln lähmt, schließlic­h Kaliumchlo­rid, das den Herzschlag stoppt. Der schnelle, klinisch reine Tod durch die Injektion – zu oft hat er sich als Märchen entpuppt. Dennis McGuire etwa litt im Januar vor drei Jahren 26 Minuten lang furchtbare Qualen, ehe Mediziner im Gefängnis von Lucasville in Ohio seinen Tod feststellt­en. Theoretisc­h sollte es drei Minuten dauern, bis die Giftmischu­ng ihre Wirkung erzielte.

In Arkansas, auch das ein Novum, war es ein US-Konzern, der gegen den Missbrauch seiner Produkte durch die Hinrichtun­gsmaschine klagte. Der Pharmagroß­händler McKesson sah sich hinters Licht geführt, weil die Behörden verschwieg­en hatten, wofür sie die bestellten Medikament­e brauchten. Beharre man auf den Exekutione­n, begründete Wendell Griffen sein Urteil, nähme das Image des Händlers erhebliche­n Schaden. Einen Schaden, den rückgängig zu machen nicht möglich sei.

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