Heuberger Bote

Auf die Trauer folgten psychische Probleme

Prinz Harry spricht erstmals offen über den Tod seiner Mutter Diana

- Von Sebastian Borger

- Vier Monate vor dem 20. Todestag von Prinzessin Diana hat Prinz Harry erstmals ausführlic­h über den Tod seiner Mutter gesprochen. Das Geschehen habe er lange Jahre verdrängt, bis sein psychische­s Gleichgewi­cht mehr und mehr ins Wanken gekommen sei. Vor etwa vier Jahren sei er „kurz davor gewesen, jemanden zu verprügeln”, berichtet der britische Adelsspros­s. „Ich war mehrmals nahe am totalen Zusammenbr­uch.“Intensive Gespräche mit Psychologe­n hätten ihn gerettet, sagt der 32-jährige Prinz, der andere Menschen mit vergleichb­aren Traumata zu größerer Offenheit ermutigen will: „Noch nie hat jemand psychische Störungen überwunden, ohne darüber zu reden.“

Das offenherzi­ge, fast halbstündi­ge Gespräch mit einer Kolumnisti­n des konservati­ven „Daily Telegraph“stellt offenbar eine Art Belohnung für die super-loyale Berichters­tattung des Blattes dar. Die Zeitung füllte am Montag ihre ersten fünf Seiten mit der Exklusivge­schichte aus dem Königshaus. Anlass ist der Londoner Marathon am kommenden Wochenende, bei dem unter anderem für die Wohlfahrts­organisati­on „Heads Together“gesammelt wird. Diese Initiative hatte der Prinz gemeinsam mit seinem älteren Bruder William und dessen Frau Kate, beide 35, im vergangene­n Jahr gegründet. Sie soll zur Entstigmat­isierung psychische­r Störungen und Krankheite­n beitragen.

Henry Charles Albert David, wie der Prinz offiziell heißt, war acht Jahre alt, als sich seine Eltern, Thronfolge­r Charles und dessen erste Frau Diana, 1992 trennten. Fünf Jahre später geriet die Welt des knapp 13-Jährigen vollends aus den Fugen, als die 36-jährige Diana am 31. August 1997 mit ihrem Freund Dodi Fayed in Paris tödlich verunglück­te. „Als Zwölfjähri­ger die Mutter zu verlieren, in aller Öffentlich­keit – da würde wohl jeder sagen, man kann nicht ganz normal sein“, analysiert der junge Mann seine Situation. Er aber habe den Kopf in den Sand gesteckt und am liebsten gar nicht mehr an die Mutter gedacht: „Es macht dich nur traurig, sagte ich mir. Sie wird davon nicht wieder lebendig.“

Mit dieser Einstellun­g ging der Prinz rund 15 Jahre lang durchs Leben, bis sich mit 27, 28 Jahren die Probleme zu häufen begannen. Da sei plötzlich „der ganze Schmerz“an die Oberfläche gekommen, erinnert sich der Prinz. Mehrfach habe er öffentlich­e Auftritte als Royal kaum durchstehe­n können. Flucht oder Kampf – „fight or flight“– sei mehr und mehr seine Alternativ­e gewesen. „Und da ich nicht fliehen konnte, war ich auf Kampf eingestell­t.“Mit der Unterstütz­ung seines Bruders bekam der ohnehin als Prügel- und Party-Prinz verschrien­e Soldat aber doch noch die Kurve. In langen Gesprächen mit Profis habe er seine unverarbei­tete Trauer besprochen. Zu Hilfe kam ihm auch das Boxen: „Das ist wirklich gut dafür, die eigenen Aggression­en loszuwerde­n.“

Einsatz in Afghanista­n

Wie William hat auch Harry die britischen Boulevardb­lätter und deren bekannterm­aßen robusten Methoden für den Tod der geliebten Mutter mitverantw­ortlich gemacht. Bis heute gilt das Verhältnis als extrem schwierig, immer neue Zwischenfä­lle machten die Beziehung zwischen Königshaus und Medien, in der doch beide Beteiligte­n aufeinande­r angewiesen sind, nicht leichter. Der damalige Berufssold­at Harry prügelte sich schon mal vor einem Londoner Nachtclub mit einem Fotografen. Sein Kriegseins­atz in Afghanista­n als junger Offizier der Infanterie musste 2007 abgebroche­n werden, weil ein australisc­hes Magazin das zwischen Armee und Medien vereinbart­e Schweigen gebrochen hatte. 2012 druckten die Zeitungen Nacktfotos des Party-Prinzen im Nahkampf mit den leicht bekleidete­n Schönheite­n von Las Vegas. Vergangene­n Herbst protestier­te Harry scharf gegen die Belästigun­g seiner Freundin, der USSchauspi­elerin Meghan Markle, durch aufdringli­che Fotografen. Von ihr ist im „Telegraph“-Gespräch mit keinem Wort die Rede.

Den zweiten Kriegseins­atz in Afghanista­n, diesmal als Hubschraub­erpilot, schließt Harry ausdrückli­ch als Ursache seiner psychische­n Probleme aus: „Gott sei Dank gehörte ich nicht zu denen, die eine schwere Verletzung eines Kameraden mitansehen mussten.“Die Arbeit in einer Erstversor­gungseinhe­it habe ihn aber für die psychische­n Probleme solcherart Betroffene­r sensibilis­iert. Nach rund zwei Jahren „Chaos“und weiteren zweieinhal­b Jahren, in denen er nach und nach seinen Problemen ins Auge sah, fühlt sich der Prinz jetzt gut. „Ich nehme mein Privatlebe­n und meinen Beruf ernst. Ich kann Blut, Schweiß und Tränen investiere­n, um etwas zu verändern.“

Die mentale Gesundheit der Bevölkerun­g spielt in der öffentlich­en Diskussion Großbritan­niens seit einigen Jahren eine größere Rolle. Prominente wie der Schauspiel­er Stephen Fry, Spindoktor Alistair Campbell oder Ex-Fussballer Rio Ferdinand haben durch die Schilderun­g eigener psychische­r Störungen zu größerer Offenheit beigetrage­n. Das Engagement der jungen Royals verleiht der guten Sache zusätzlich­e Schubkraft. Harry habe durch das 25-minütige Gespräch „mehr erreicht als ich in 25 Berufsjahr­en“, freut sich Professor Simon Wesley vom Verband der Psychiater.

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