Heuberger Bote

Zuversicht trotz schwächere­r Umfragewer­te

Präsidents­chaftskand­idat Emmanuel Macron mobilisier­t diejenigen, denen das alte Parteiensy­stem nichts zu sagen hat

- Von Christine Longin

PARIS - Die Anhänger von Emmanuel Macron glauben trotz schwächere­r Umfragewer­te an einen Sieg ihres Kandidaten bei der Präsidents­chaftswahl in Frankreich. Mit seinen vagen Aussagen mobilisier­t der 39-Jährige diejenigen, denen das alte Parteiensy­stem Frankreich­s nichts mehr zu sagen hat. Der erste Wahlgang findet am 23. April statt.

„Je nach Herkunft wird man hier in eine Schublade gesteckt, aus der man nur schwer wieder herauskomm­t“, sagt Aziz-François Ndiaye. Der gebürtige Senegalese weiß, wovon er spricht. Trotz eines Volkswirts­chaftsstud­iums und einer späteren Anstellung bei der UNO hat der 45Jährige in Frankreich keine Arbeit gefunden. Die Frustratio­n war groß, bis der zweifache Vater den Mann traf, der sein Leben veränderte: Emmanuel Macron. „Er verkörpert das Frankreich von morgen. Er ist ein Visionär“, schwärmt Ndiaye, der inzwischen Macrons Delegierte­r in den Yvelines, südlich von Paris, ist. Mit drei Anhängern fing der Unternehme­r vor einem Jahr an, inzwischen sind es 7000. Viele von ihnen sind in die Pariser Konzerthal­le Bercy gekommen, wo der Kandidat der von ihm gegründete­n Bewegung En Marche seine Abschlussk­undgebung für die Hauptstadt­region abhält.

Es ist der Mikrokosmo­s eines weltoffene­n Frankreich­s. Gelbe, rosa und hellblaue T-Shirts mit den schwarzen Initialen EM füllen die Ränge, die mit 20 000 meist jungen Anhängern voll besetzt sind. In der Mitte eine Art Laufsteg in blau-weißrot für den Jungstar, der auch ohne konkrete Aussagen sein Publikum begeistert. „Hört ihr das Rauschen des Frühlings?“, fragt er seine Zuhörer am Anfang. „Es ist das Geräusch eines politische­n Kapitels, das bald beendet ist.“Für die Menge ist klar, wie das nächste Kapitel heißen soll: „Macron Président“.

Im Stil eines US-Fernsehpre­digers

Wer gekommen ist, um zu hören, wie denn genau die Präsidents­chaft des einstigen Sozialiste­n aussehen soll, wird enttäuscht. Gut eine Stunde lang spricht der Kandidat, der weder „rechts noch links“sein will, von einem neuen Frankreich. „Morgen wird nicht wie gestern sein“, sagt er zum Beispiel im Stil eines amerikanis­chen Fernsehpre­digers. Oder: „Wir werden Frankreich seinen Optimismus zurückgebe­n. Einem weltoffene­n, vertrauens­vollen, draufgänge­rischen Frankreich.“Die Sätze bringen die Fans schon nach zehn Minuten dazu, die Nationalhy­mne zu singen.

Der frühere Investment­banker ist kein Volkstribu­n wie sein Rivale, der Linkspopul­ist Jean-Luc Mélenchon, der ihm in Umfragen gefährlich nahekommt. Schon ist von einer Stichwahl zwischen Mélenchon und der Rechtspopu­listin Marine Le Pen die Rede – ohne Macron, der monatelang für die zweite Runde gesetzt schien. Damit stünde Frankreich vor einer Wahl zwischen zwei Extremen, die beide ähnlich EU-feindlich sind. Ohne Wenn und Aber für Europa ist nur einer der elf Kandidaten – nämlich Macron. „Er ist der einzige, der eine europäisch­e Vision hat,“sagt der Pariser Anwalt Frédéric Moraes.

Doch Moraes weiß, dass es in der ersten Runde knapp werden wird für seinen Kandidaten. Vor allem, weil Macrons Wählerscha­ft sich ihrer Sache weniger sicher ist als beispielsw­eise die von Le Pen, die zusammen mit Macron die Umfragen anführt. Überhaupt hat sich laut Meinungsfo­rschern ein Drittel der Franzosen wenige Tage vor der Wahl noch nicht auf einen Kandidaten festgelegt.

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FOTO: AFP „Weder rechts noch links“: Emmanuel Macron.

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