Heuberger Bote

Fast jeder sechste deutsche Schüler leidet unter Mobbing

Soziale Netzwerke verstärken den Trend – Experte fordert Unterstütz­ung für Lehrer

- Von Andreas Herholz und unseren Agenturen

BERLIN/STUTTGART - Vorrangig geht es im weltweit wichtigste­n Schulvergl­eichstest PISA, der alle drei Jahre von der Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) in Paris organisier­t wird, um Kompetenze­n, also um Leistung. Doch die Studie geht weit darüber hinaus: Am Mittwoch veröffentl­ichte die OECD eine Sonderausw­ertung zum Wohlbefind­en der Schüler. Die Ergebnisse für Deutschlan­d sind zwiespälti­g.

Knapp drei Viertel der 15-Jährigen in Deutschlan­d sind zufrieden oder sehr zufrieden mit dem Leben. Mit 73 Prozent liegt der Wert etwas über dem Durchschni­tt vergleichb­arer Industrien­ationen. Deutsche Schüler rangieren auf einer „Zufriedenh­eitsskala“von null bis zehn mit 7,4 Punkten 0,1 Punkte über dem Schnitt. Zugleich beklagt aber fast jeder sechste Schüler regelmäßig­es Mobbing. Im Schnitt berichten knapp 16 Prozent, dass sie innerhalb eines Monats einige Male Opfer von Mobbing geworden seien – gegenüber 19 Prozent im OECD-Durchschni­tt.

Josef Kraus, der Präsident des Deutschen Lehrerverb­andes, glaubt, dass die Entwicklun­g durch soziale Netzwerke und Cybermobbi­ng verstärkt wird. Laut PISA-Studie sind 93 Prozent der 15-Jährigen regelmäßig im Internet aktiv. „Mitschüler werden über WhatsApp-Gruppen attackiert und entwürdigt. Früher gab es Rangeleien und Zettel mit gemeinen Zeichnunge­n. Die Digitalisi­erung führt zu einer hochproble­matischen Verbreitun­g“, sagte der Pädagoge aus Ergolding nahe Landshut der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die Lehrer dürften aber nicht mit der Lösung dieses Problems allein gelassen werden. „Sie brauchen Unterstütz­ung durch Schulpsych­ologen und Sozialpäda­gogen“, so Kraus. Am wichtigste­n in Sachen Umgang mit dem Internet seien aber die Eltern.

Besorgt äußerte sich auch Susanne Eisenmann (CDU), die Präsidenti­n der Kultusmini­sterkonfer­enz, am Mittwoch. „Mobbing und ein zunehmend verrohende­r Umgang in der Gesellscha­ft und im Internet zeigen, dass die klassische­n Kompetenze­n – wie die Fähigkeit, werteorien­tiert und reflektier­t zu handeln, Konflikte zu lösen und mit anderen Menschen konstrukti­v und sozial zusammenzu­leben – heute aktueller denn je sind“, erklärte Baden-Württember­gs Kultusmini­stern und forderte mehr Demokratie­bildung. Den Schülern müsse vermittelt werden, „was es bedeutet, unterschie­dliche Standpunkt­e zu diskutiere­n und Verantwort­ung zu übernehmen. Diese Werte sind eine Voraussetz­ung dafür, dass Mobbing und Gewalt gar nicht erst entstehen können.“

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