Fast jeder sechste deutsche Schüler leidet unter Mobbing
Soziale Netzwerke verstärken den Trend – Experte fordert Unterstützung für Lehrer
BERLIN/STUTTGART - Vorrangig geht es im weltweit wichtigsten Schulvergleichstest PISA, der alle drei Jahre von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris organisiert wird, um Kompetenzen, also um Leistung. Doch die Studie geht weit darüber hinaus: Am Mittwoch veröffentlichte die OECD eine Sonderauswertung zum Wohlbefinden der Schüler. Die Ergebnisse für Deutschland sind zwiespältig.
Knapp drei Viertel der 15-Jährigen in Deutschland sind zufrieden oder sehr zufrieden mit dem Leben. Mit 73 Prozent liegt der Wert etwas über dem Durchschnitt vergleichbarer Industrienationen. Deutsche Schüler rangieren auf einer „Zufriedenheitsskala“von null bis zehn mit 7,4 Punkten 0,1 Punkte über dem Schnitt. Zugleich beklagt aber fast jeder sechste Schüler regelmäßiges Mobbing. Im Schnitt berichten knapp 16 Prozent, dass sie innerhalb eines Monats einige Male Opfer von Mobbing geworden seien – gegenüber 19 Prozent im OECD-Durchschnitt.
Josef Kraus, der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, glaubt, dass die Entwicklung durch soziale Netzwerke und Cybermobbing verstärkt wird. Laut PISA-Studie sind 93 Prozent der 15-Jährigen regelmäßig im Internet aktiv. „Mitschüler werden über WhatsApp-Gruppen attackiert und entwürdigt. Früher gab es Rangeleien und Zettel mit gemeinen Zeichnungen. Die Digitalisierung führt zu einer hochproblematischen Verbreitung“, sagte der Pädagoge aus Ergolding nahe Landshut der „Schwäbischen Zeitung“. Die Lehrer dürften aber nicht mit der Lösung dieses Problems allein gelassen werden. „Sie brauchen Unterstützung durch Schulpsychologen und Sozialpädagogen“, so Kraus. Am wichtigsten in Sachen Umgang mit dem Internet seien aber die Eltern.
Besorgt äußerte sich auch Susanne Eisenmann (CDU), die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, am Mittwoch. „Mobbing und ein zunehmend verrohender Umgang in der Gesellschaft und im Internet zeigen, dass die klassischen Kompetenzen – wie die Fähigkeit, werteorientiert und reflektiert zu handeln, Konflikte zu lösen und mit anderen Menschen konstruktiv und sozial zusammenzuleben – heute aktueller denn je sind“, erklärte Baden-Württembergs Kultusministern und forderte mehr Demokratiebildung. Den Schülern müsse vermittelt werden, „was es bedeutet, unterschiedliche Standpunkte zu diskutieren und Verantwortung zu übernehmen. Diese Werte sind eine Voraussetzung dafür, dass Mobbing und Gewalt gar nicht erst entstehen können.“