Schüler sind gestresst und glücklich
Laut einem PISA-Report setzen Eltern ihre Kinder mit hohen Erwartungen unter Druck
BERLIN - Drei von vier Jugendlichen in Deutschland gehen gern zur Schule und haben ein starkes Zugehörigkeitsgefühl gegenüber ihren Mitschülern. Jeder sechste 15-Jährige wird regelmäßig Opfer körperlicher oder seelischer Misshandlung. „Für manche ist Schule ein Ort der Qual“, heißt es im am Mittwoch vorgestellten neuen PISA-Report, in dem die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) das Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern in 72 Ländern erforscht und verglichen hat.
16 Prozent der Schüler gaben an, dass sie mehrmals im Monat körperlich oder psychisch drangsaliert werden. Das Spektrum reicht von Hänseleien und übler Nachrede bis zu körperlicher Gewalt. 2,3 Prozent berichteten von regelmäßigen Schlägen oder Schubsern. Während Jungen häufiger Opfer körperlicher Aggression werden, sind Mädchen öfter von Beleidigungen und entwürdigenden Kommentaren betroffen. Die Forscher stellten einen besorgniserregenden Zusammenhang fest: An Schulen, an denen besonders viel gemobbt wird, sind die Leistungen der Schülerinnen und Schüler deutlich schwächer als an anderen Schulen. OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher sieht in den Ergebnissen einen Weckruf, um stärker gegen Mobbing vorzugehen. Er fordert eine „Null-Toleranz-Praxis“von Lehrern und Schulleitungen.
Nur wenige zufrieden mit Lehrern
Doch das sind nicht die einzigen Sorgen von Jugendlichen. Der Anteil derjenigen, die sich als Außenseiter fühlen, hat leicht zugenommen. Er liegt inzwischen bei 15 Prozent. Die Hälfte der 15-Jährigen hat Angst vor Prüfungen, und vier von zehn haben Prüfungsstress, selbst wenn sie gut vorbereitet sind. Unter dem Stress leiden Mädchen mehr als Jungen. Sozialforscher sehen die hohen Erwartungen der Eltern oft als Ursache von Schulangst, doch spielen auch die Lehrer eine große Rolle: Nur vier von zehn der 15-Jährigen hierzulande sind wirklich zufrieden mit der Unterstützung und dem Interesse ihrer Lehrer. Im OECD-Durchschnitt ist die Schulangst allerdings mit gut 60 Prozent deutlich höher als in Deutschland – ebenso wie der Zeitaufwand für Schulbesuch und Hausaufgaben: Nur vier Prozent der Kinder in Deutschland gaben an, mehr als 60 Stunden pro Woche dafür zu verwenden, im OECD-Mittel waren es 13 Prozent. Für Mütter und Väter hingegen gab es gute Noten: 96 Prozent der Schüler erklärten, dass sich die Eltern für die Schulaktivitäten interessieren, und neun von zehn 15-Jährigen erhalten auch regelmäßig Hilfe bei Hausaufgaben und Prüfungsvorbereitung.
Dabei fiel auf, dass Jugendliche mit Eltern, die sich intensiv kümmern, insgesamt zufriedener sind als diejenigen mit weniger oder kaum engagierten Eltern. Für Kinder mit ausländischer Herkunft sind Sprachschwierigkeiten der Eltern oft ein großes Problem. 37 Prozent der Eltern von Einwandererkindern der ersten Generation gaben an, dass die Sprachbarriere ihre Teilnahme an Schulaktivitäten der Kinder behindere. Das sind 16 Prozentpunkte mehr als im OECD-Durchschnitt.
Allem Schulstress zum Trotz ist der überwiegende Teil sehr zufrieden mit dem Leben: Auf einer Skala von 0 bis 10 lag die Zufriedenheit der Schülerschaft aus Deutschland bei 7,4, wobei der Wert bei Jungen um 0,8 Prozentpunkte höher liegt als bei Mädchen. Und drei von vier Schülern empfinden ein starkes Zugehörigkeitsgefühl gegenüber ihrer Schule und ihren Mitschülern. Diese Verbundenheit ist allerdings für Kinder aus benachteiligten Elternhäusern geringer.
In der Freizeit sind die Jugendlichen in Deutschland äußerst aktiv, nur drei von hundert machen außerhalb des Unterrichts keinen Sport, deutlich weniger als im OECDSchnitt. 40 Prozent gaben an, sie seien sehr ärgerlich, wenn sie nicht täglich ins Internet gehen könnten. 93 Prozent sind vor und nach der Schule online.