Die Wiederentdeckung des Monsieur Mélenchon
Der Linkspopulist erlebt einen starken Aufschwung
PARIS - Graue Jacke im Mao-Stil, Jeans und hellblaues Hemd: Jean-Luc Mélenchons Kleiderstil ist Kult. Doch der Linkspopulist (Foto: AFP) setzt sich nicht nur mit seinem Outfit von den anderen französischen Präsidentschaftskandidaten ab. Er erregt auch mit einem modernen Wahlkampf Aufsehen, in dem er sich als Hologramm gleich an mehreren Orten gleichzeitig zeigt. Der älteste der vier aussichtsreichsten Bewerber kommt damit vor allem bei den Jugendlichen gut an. „Er setzt sich für den Umweltschutz ein“, sagt die 19-jährige Marilou, die am Sonntag zum ersten Mal wählen darf. Mélenchon mit seinen Plänen für einen Atomausstieg bis 2050 ist derjenige, zu dem sich die Pariser Kunstgeschichte-Studentin am meisten hingezogen fühlt. So, wie fast ein Viertel der jungen Franzosen unter 35.
Das „Phänomen Mélenchon“, das den Kandidaten der Bewegung La France Insoumise (Das aufmüpfige Frankreich) in den Umfragen zum konservativen Ex-Premier François Fillon aufschließen ließ, begann am 20. März. Da tat sich der Europaabgeordnete in der TV-Debatte durch seine Schlagfertigkeit hervor, die er sowohl gegen Fillon als auch gegen die Rechtspopulistin Marine Le Pen einsetzte. Ein Auftritt, der ihm einen deutlichen Vorsprung vor dem sozialistischen Kandidaten Benoît Hamon einbrachte. „Die Franzosen haben Mélenchon wiederentdeckt. Es gibt eine Dynamik zu seinen Gunsten“, bemerkt Fédéric Dabi vom Meinungsforschungsinstitut Ifop im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.
Während Hamon sowohl im Fernsehen als auch bei seinen Kundgebungen blass wirkt, ist Mélenchon ein echter Volkstribun, der sein Publikum ohne Redemanuskript stundenlang begeistern kann. Seine rhetorische Keule trifft nicht nur seine Rivalen, sondern auch immer wieder Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Inzwischen gibt sich der Europaabgeordnete allerdings milder. In seinen Kundgebungen achtet er darauf, die gemäßigte Wählerschaft nicht mit seinen radikalen Forderungen wie dem Ausstieg aus der EU zu vergrätzen. „Glaubt denen nicht, die sagen: ‚Er will Europa und den Euro verlassen‘“, forderte er seine Zuhörer diese Woche in Dijon auf. Doch genau das steht in seinem Programm: Plan A sieht eine Neuverhandlung der europäischen Verträge vor. Wenn das nicht klappt, soll Plan B greifen: „Eine Politik, um aus den europäischen Verträgen auszusteigen, die Haushaltsdisziplin, Freihandel und die Zerstörung des öffentlichen Dienstes auferlegen“, heißt es auf Seite 20 seines Kurzprogramms.
Gemeinsamkeiten mit Le Pen
Damit steht der einstige Trotzkist in einer Reihe mit der Rechtspopulistin Marine Le Pen, die Frankreich ebenfalls aus der EU führen will. Die beiden EU-Gegner haben auch andere Punkte wie das Ende der Freihandelsverträge und die Annäherung an Russland gemeinsam. Der Arbeitgeberverband Medef warnt deshalb vor den beiden Kandidaten gleichermaßen. „Mélenchon sieht 200 Milliarden mehr an öffentlichen Ausgaben vor. Und wer zahlt am Ende? Die Haushalte und die Unternehmen“, sagt Medef-Präsident Pierre Gattaz im Magazin „Challenges“. Der von den Kommunisten unterstützte Kandidat will Jahreseinkommen von mehr als 400 000 Euro mit 90 Prozent besteuern, den Mindestlohn um 16 Prozent anheben, die Rente mit 60 einführen und die Wochenarbeitszeit auf 32 Stunden senken.