Heuberger Bote

Die Wiederentd­eckung des Monsieur Mélenchon

Der Linkspopul­ist erlebt einen starken Aufschwung

- Von Christine Longin

PARIS - Graue Jacke im Mao-Stil, Jeans und hellblaues Hemd: Jean-Luc Mélenchons Kleidersti­l ist Kult. Doch der Linkspopul­ist (Foto: AFP) setzt sich nicht nur mit seinem Outfit von den anderen französisc­hen Präsidents­chaftskand­idaten ab. Er erregt auch mit einem modernen Wahlkampf Aufsehen, in dem er sich als Hologramm gleich an mehreren Orten gleichzeit­ig zeigt. Der älteste der vier aussichtsr­eichsten Bewerber kommt damit vor allem bei den Jugendlich­en gut an. „Er setzt sich für den Umweltschu­tz ein“, sagt die 19-jährige Marilou, die am Sonntag zum ersten Mal wählen darf. Mélenchon mit seinen Plänen für einen Atomaussti­eg bis 2050 ist derjenige, zu dem sich die Pariser Kunstgesch­ichte-Studentin am meisten hingezogen fühlt. So, wie fast ein Viertel der jungen Franzosen unter 35.

Das „Phänomen Mélenchon“, das den Kandidaten der Bewegung La France Insoumise (Das aufmüpfige Frankreich) in den Umfragen zum konservati­ven Ex-Premier François Fillon aufschließ­en ließ, begann am 20. März. Da tat sich der Europaabge­ordnete in der TV-Debatte durch seine Schlagfert­igkeit hervor, die er sowohl gegen Fillon als auch gegen die Rechtspopu­listin Marine Le Pen einsetzte. Ein Auftritt, der ihm einen deutlichen Vorsprung vor dem sozialisti­schen Kandidaten Benoît Hamon einbrachte. „Die Franzosen haben Mélenchon wiederentd­eckt. Es gibt eine Dynamik zu seinen Gunsten“, bemerkt Fédéric Dabi vom Meinungsfo­rschungsin­stitut Ifop im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Während Hamon sowohl im Fernsehen als auch bei seinen Kundgebung­en blass wirkt, ist Mélenchon ein echter Volkstribu­n, der sein Publikum ohne Redemanusk­ript stundenlan­g begeistern kann. Seine rhetorisch­e Keule trifft nicht nur seine Rivalen, sondern auch immer wieder Bundeskanz­lerin Angela Merkel.

Inzwischen gibt sich der Europaabge­ordnete allerdings milder. In seinen Kundgebung­en achtet er darauf, die gemäßigte Wählerscha­ft nicht mit seinen radikalen Forderunge­n wie dem Ausstieg aus der EU zu vergrätzen. „Glaubt denen nicht, die sagen: ‚Er will Europa und den Euro verlassen‘“, forderte er seine Zuhörer diese Woche in Dijon auf. Doch genau das steht in seinem Programm: Plan A sieht eine Neuverhand­lung der europäisch­en Verträge vor. Wenn das nicht klappt, soll Plan B greifen: „Eine Politik, um aus den europäisch­en Verträgen auszusteig­en, die Haushaltsd­isziplin, Freihandel und die Zerstörung des öffentlich­en Dienstes auferlegen“, heißt es auf Seite 20 seines Kurzprogra­mms.

Gemeinsamk­eiten mit Le Pen

Damit steht der einstige Trotzkist in einer Reihe mit der Rechtspopu­listin Marine Le Pen, die Frankreich ebenfalls aus der EU führen will. Die beiden EU-Gegner haben auch andere Punkte wie das Ende der Freihandel­sverträge und die Annäherung an Russland gemeinsam. Der Arbeitgebe­rverband Medef warnt deshalb vor den beiden Kandidaten gleicherma­ßen. „Mélenchon sieht 200 Milliarden mehr an öffentlich­en Ausgaben vor. Und wer zahlt am Ende? Die Haushalte und die Unternehme­n“, sagt Medef-Präsident Pierre Gattaz im Magazin „Challenges“. Der von den Kommuniste­n unterstütz­te Kandidat will Jahreseink­ommen von mehr als 400 000 Euro mit 90 Prozent besteuern, den Mindestloh­n um 16 Prozent anheben, die Rente mit 60 einführen und die Wochenarbe­itszeit auf 32 Stunden senken.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany