Heuberger Bote

Österreich fordert Schließung der Mittelmeer­route

- Von Rudolf Gruber, Wien

ach der Balkanrout­e müsse auch die Mittelmeer­route geschlosse­n werden. Das fordert Österreich­s Innenminis­ter Wolfgang Sobotka. Doch dahinter steckt mehr Wahlkampfr­hetorik als Lösungskom­petenz.

„Eine Rettung auf offener See kann kein Ticket nach Europa sein.“Das ist ein typischer Spruch des konservati­ven Hardliners Sobotka (ÖVP). Anlass ist, dass immer mehr Flüchtling­e aus Afrika und dem Nahen Osten versuchen, über die Mittelmeer­route nach Europa zu gelangen. Auf jeden Fall stünde Österreich in engem Kontakt zu Italien und sei im Falle eines „plötzliche­n Zustroms“in der Lage, „das Grenzmanag­ement innerhalb von Stunden hochzufahr­en“. Damit droht Sobotka einmal mehr die Schließung der Brennergre­nze an, des wichtigste­n Alpenüberg­angs für Flüchtling­e und Migranten, die nach Deutschlan­d oder Skandinavi­en wollen. Nun bestreitet niemand in Österreich, dass es dafür treffliche Gründe gibt – die dramatisch­en Rettungsak­tionen der letzten Tage vor der libyschen Küste und die Tatsache, dass in Libyen Zehntausen­de auf eine Gelegenhei­t zur Überfahrt warten, rechtferti­gen Warnungen und Vorbereitu­ngen.

Meer kann man nicht sperren

Aber Sobotka ist meistens der erste seiner EU-Kollegen, der Alarm schreit, und je heftiger über eine Neuwahl noch in diesem Jahr debattiert wird, desto mehr ist der Innenminis­ter alarmiert. Er und Außenminis­ter Sebastian Kurz, gleichfall­s ÖVP, forderten bereits mehrfach die Schließung der Mittelmeer­route, blieben aber bislang das Konzept schuldig, wie dies praktisch umzusetzen sei. Im Meer kann man keine Mauern bauen, bekamen die Österreich­er von den Italienern zu hören.

Bequemer als Lösungen anzubieten ist es, Hilfsorgan­isationen (NGOs) zum Sündenbock zu machen. So forderte Kurz kürzlich bei einem EU-Treffen auf Malta, „der NGO-Wahnsinn im Mittelmeer muss ein Ende haben“, weshalb ihm Hilfsorgan­isationen eine „unerträgli­ch inhumane Haltung“vorwarfen. Und Sobotka attestiert seinem Parteifreu­nd Kurz, Hilfsorgan­isationen würden „der organisier­ten Schleppere­i“in die Hand arbeiten, um „weiterhin Menschen von einer Flucht aus wirtschaft­lichen Gründen zu überzeugen“. Als wären die Helfer Ursache des Flüchtling­sstroms und nicht Krieg und Elend. Vordenker dieser These ist Ungarns Premier Viktor Orbán, der die nachplappe­rnden Österreich­er dafür gönnerhaft lobt.

Freilich wollen weder Sobotka noch Kurz Flüchtling­e zwecks Abschrecku­ng einfach ertrinken lassen. Aber das Bedauern über das „sinnlose Sterben im Mittelmeer“ist bigott, wenn die Verantwort­ung dafür im gleichen Atemzug nach Brüssel abgeschobe­n wird: „Generell gibt es keine Alternativ­e zu einer gesamteuro­päischen Lösung“, meint Sobotka. Und Kurz beschwert sich, dass die Grenzschut­zagentur Frontex ein „unzureiche­ndes Mandat“habe, um den Flüchtling­sstrom unter Kontrolle zu kriegen. Der smarte Außenminis­ter verschweig­t, dass dies militärisc­hen Einsatz bedeutet und dass Österreich das letzte Land wäre, das sich daran beteiligen würde: Aus Neutralitä­tsgründen, höhnte ein Kommentato­r, könne das Heer leider nur Gulaschkan­onen bereitstel­len.

Newspapers in German

Newspapers from Germany