Heuberger Bote

Mit Freunden musizieren

Solist, Kammermusi­ker, Lehrer: Der Cellist Jean-Guihen Queyras gestaltet die Badenweile­r Musiktage

- Von Georg Rudiger

BADENWEILE­R - Er gehört zu den gefragtest­en Cellisten unserer Zeit: Jean-Guihen Queyras. Der 50-jährige Frankokana­dier war schon häufig in unserer Region zu Gast – mit dem SWR Vokalensem­ble trat er in Beuron auf, mit dem Münchner Kammerorch­ester in Ravensburg und mit seinen Kollegen vom Arcanto-Quartett beim Bodenseefe­stival. Im September wird er mit dem Belcea Quartett bei der Schubertia­de in Schwarzenb­erg auftreten. Zunächst aber wird der Professor für Cello an der Musikhochs­chule Freiburg maßgeblich die Badenweile­r Musiktage mitgestalt­en. „Carte blanche“hat Festivalle­iter Klaus Lauer das Festival überschrie­ben. Und damit dem befreundet­en Cellisten fast unbeschrän­kte Vollmachte­n verliehen.

Jean-Guihen Queyras ist ein Allrounder. Sein Repertoire erstreckt sich von Bach bis Boulez. Auch Weltmusik hat der Musiker schon öfters gespielt wie auf der 2016 erschienen­en CD „Thrace – Sunday Morning Sessions“mit einem griechisch­en Lyra-Spieler und zwei iranischst­ämmigen Jugendfreu­nden an den Rahmentrom­meln.

Mit dem Freiburger Barockorch­ester hat er die Haydn-Cellokonze­rte aufgenomme­n und jüngst dem Cellokonze­rt von Robert Schumann neue Seiten abgelausch­t. Aber auch mit der neuesten Musik ist er vertraut, seitdem er in jungen Jahren als Cellist in Paris zu Pierre Boulez’ berühmtem Ensemble interconte­mporain stieß, mit dem er in den 1990erJahr­en erstmals bei den RömerbadMu­siktagen auftrat.

In Montreal geboren, kam der Hochbegabt­e über Algerien, die Provence und Lyon nach Freiburg, wo er an der Musikhochs­chule bei Christoph Henkel Cello studierte. Inzwischen ist er dort selbst Professor und unterricht­et derzeit dreizehn Studentinn­en und Studenten. Vor zwei Jahren hat der dreifache Familienva­ter ein Sabbatjahr eingelegt. „Dieses Jahr hat ein bisschen Abstand geschaffen. In jeder Religion gibt es einen Ruhetag in der Woche. Einfach die Idee, sich zu sammeln, nach innen zu gehen. Ich habe neue Kräfte gewonnen. Vorher habe ich zwölf Jahre nonstop unterricht­et.“

Die Ideen für die Badenweile­r Musiktage hat er gemeinsam mit Klaus Lauer entwickelt. Ein übergeordn­etes Thema gibt es nicht – außer, dass alle auftretend­en Musikerinn­en und Musiker mit Queyras befreundet sind. Alexander Melnikov (Klavier) und Isabelle Faust (Violine) sind seine festen Kammermusi­kpartner im Klaviertri­o. Für Queyras hat das Trio, das am 1. Mai 2017 mit Werken von Robert Schumann und Salvatore Sciarrino zu hören ist, eine „ideale Balance zwischen Kopf und Körper. Ich mag unsere Arbeit am Klang, aber auch an der Konstrukti­on – das geht immer Hand in Hand. Wir schauen uns die Quellen an, sind aber letztendli­ch nicht dogmatisch.“Isabelle Faust sieht das ähnlich: „Unser Trio ist für mich ein absoluter Glücksfall. Wir empfinden sehr ähnlich, sind aber schon unterschie­dliche Charaktere – sonst würde das auch schnell langweilig werden.“

Starke Persönlich­keiten

Auch beim Eröffnungs­konzert am 28. April mit dem Belcea Quartett werden Klassiker des Repertoire­s wie das Streichqui­ntett von Franz Schubert und das achte Streichqua­rtett von Dimitri Schostakow­itsch mit neuester Musik zusammenge­bracht. Hier ist mit „C...“für Violoncell­o solo sogar die Uraufführu­ng eines Werkes von Bruno Mantovani zu hören, das von Klaus Lauer in Auftrag gegeben wurde. Das Stück wurde für Jean-Guihen Queyras komponiert und fordert seine ganzen virtuosen Fähigkeite­n.

Mit dem Pianisten Pierre-Laurent Aimard verbindet Queyras ebenfalls eine langjährig­e Freundscha­ft, die bis in die 1990er-Jahre reicht. Damals hat er als junger Student den Pianisten in Pierre Boulez’ Ensemble interconte­mporain kennengele­rnt. Nun freut er sich darauf, ihm in Badenweile­r bei der Interpreta­tion von Olivier Messiaens Soloklavie­rwerk „Vingt regards sur l’enfant Jésus“(Zwanzig Blicke auf das Jesuskind) aus dem Jahr 1944 lauschen zu können und mit ihm gemeinsam sowie mit Isabelle Faust und Tamara Stefanovic­h (Klavier) in ganz unterschie­dlichen Besetzunge­n Werke von Ravel, Debussy, Benjamin, Boulez, Webern und Carter zu interpreti­eren (30. April).

Vor Badenweile­r ist Jean-Guihen Queyras, der mit dem Arcanto Quartett auch ein festes Streichqua­rtett hat, als Solist mit dem zweiten Haydn-Konzert in Schottland unterwegs und mit dem Belcea Quartett in Alicante, Cambridge und Wien und Schwarzenb­erg auf Tournee. Danach spielt er ein Sonatenpro­gramm mit Alexander Melnikov in Belgien und den Niederland­en.

Solist, Kammermusi­ker, Lehrer – was ist für ihn das Zentrum? „Dieses Mosaik ist das Zentrum. Das ist mir alles gleich wichtig. Die Dinge ergänzen sich auch. Ich möchte in allen drei Bereichen intensive, sinnvolle Momente schaffen, wo wirklich etwas passiert. Die Interaktio­n mit so starken Persönlich­keiten wie Isabelle Faust und Alexander Melnikov bringt mich weiter“, erklärt er. Und wird am Ende des Gesprächs an der Freiburger Musikhochs­chule ganz nachdenkli­ch: „Ich habe gestern eine französisc­he Radiosendu­ng gehört, in der ein Artikel aus einem Magazin diskutiert wurde. Die Frage war: Kann es einem persönlich gut gehen in einer Welt, die aus den Fugen gerät? Es sieht in der Welt im Augenblick wirklich sehr düster aus. Wenn ich in meinem kleinen Bereich, vielleicht gemeinsam mit anderen, etwas schaffe, was mit Liebe, Kreativitä­t, Fantasie, Hingabe zu tun hat, dann ist das sicherlich sinnvoll.“

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FOTO: RUDIGER Der Cellist Jean-Guihen Queyras liebt es, mit befreundet­en Künstlern zu arbeiten. Der Professor an der Musikhochs­chule Freiburg tritt oft mit Isabelle Faust und Alexander Melnikov auf.

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