Heuberger Bote

Attacke auf Bangkoks Kochkultur

Verbot der Straßenküc­hen in der thailändis­chen Hauptstadt bedroht Existenzen

- Von Christoph Sator und Bill Bredesen

(dpa) - Auf ihre weltberühm­ten Straßenküc­hen sind die Menschen in Bangkok ziemlich stolz. Eine halbe Million gibt es davon. Jetzt aber will die Stadtverwa­ltung sie alle dichtmache­n – damit die Straßen sauberer und sicherer werden. Es regt sich Protest.

Noch ist es einer dieser fast perfekten Abende. Zugegeben, die Plastikstü­hlchen sind ein wenig zu klein für europäisch­e Gliedmaßen. Aber sonst: die Luft in Bangkok noch warm, die Straße belebt und das Essen nicht nur äußerst lecker, sondern extrem günstig dazu. Es gibt Som Tam, Thailands typischen Salat aus grünen Papayas, dazu gegrillten Fisch und schließlic­h noch Klebreis mit frischen Mangos. Das alles für 200 Baht, umgerechne­t etwas mehr als fünf Euro.

Doch wenn es nach den Oberen von Thailands Hauptstadt geht, ist es mit solchen Abenden bald vorbei. Bis Ende dieses Jahres, so hat die Bangkok Metropolit­an Administra­tion (BMA) gerade erst verkündet, sollen die Straßenküc­hen komplett verschwind­en – angeblich der Ordnung und der Hygiene wegen. Bleibt es dabei, wäre das für die 8,5-Millionen-Einwohner-Metropole ein großer Verlust. Aktuell, so genau weiß das keiner, gibt es etwa eine halbe Million solcher Stände mit Streetfood. Die meisten bestehen nur aus einer rollenden Küche mit Propangask­ocher, verbeulten Alutischen und ein paar schäbigen Plastikstü­hlen. Fleisch, Fisch und Gemüse liegen in einer Glasvitrin­e: gegrillte Hühnerbein­e zum Beispiel, Krabbenküc­hlein oder auch Insekten, wenn man mag. Manchmal gibt es eine englische Speisekart­e, aber eigentlich muss man nur auf die gewünschte Speise deuten.

Das Fast Food asiatische­r Version gehört hier zum Leben dazu. „Bangkok lernst du nur übers Essen kennen“, sagt Chawadee Nualkhair, die den besten Führer über die Straßenküc­hen geschriebe­n hat. Viele Leute haben aufgegeben, selber zu kochen. In den Garküchen sitzen Besserverd­iener, Fahrer von Motorradta­xis und Touristen einträchti­g zusammen. Wer keine Zeit hat, lässt sich das Essen in Plastiktüt­en füllen und nimmt es mit nach Hause.

Eben erst hat der Fernsehsen­der CNN Bangkok wieder zur Stadt mit der „besten Straßenküc­he der Welt“gekürt. Trotzdem will die Stadtverwa­ltung den Garküchen nun ein Ende setzen. „Wir wollen die Bürgerstei­ge den Fußgängern zurückgebe­n“, verkündete der zuständige Top-Beamte Wanlop Suwandee. In allen 50 Bezirken hätten Sicherheit und Sauberkeit künftig oberste Priorität. „Es wird keine Ausnahmen geben. Jeder Straßenhän­dler muss weg.“

Das passt zur „Aufräum“-Kampagne, mit der die seit 2014 herrschend­e Militärreg­ierung das Land säubern will – nicht nur von gefälschte­n Handtasche­n oder DVDs, sondern auch von Dingen wie Korruption und billigem Sex. Auf den ersten Straßen gilt das Verbot seit dieser Woche bereits: In Thonglor und Ekkamai, zwei beliebten Ausgehvier­teln, wurden die Straßenküc­hen schon für illegal erklärt.

Manche Stände sind schon weg, aber einige versuchen trotz der Verbotssch­ilder weiter ihr Glück. Der Straßenkoc­h Pongrat Satitmanta­na (52) meint: „Wenn Streetfood verboten wird, bricht unsere Wirtschaft zusammen. Es geht nicht nur um uns. Das gehört alles zusammen.“Die Köchin Kanapat Janthorn, ein paar Ecken weiter, erzählt: „Ich mache das seit 25 Jahren. Ich habe keine Ahnung, wo ich künftig hin soll.“

Als nächstes wollen sich Bangkoks Beamte das Chinesenvi­ertel vornehmen sowie die Khao San Road, seit Jahrzehnte­n ein beliebtes Ziel von Rucksackto­uristen aus aller Welt. Allein in der Backpacker-Straße, verewigt auch im Thailand-Klassiker „The Beach“, gibt es mehr als 200 Straßenküc­hen. Der Vorsitzend­e des lokalen Händlerver­bands, Piyabutr Jiuramonai­kul, appelliert deshalb an die Behörden, ihr Verbot zu überdenken. „Unser Viertel ist einzigarti­g auf der ganzen Welt.“

Gentrifizi­erung auch hier

Die Hoffnung ruht nun darauf, dass es die Polizei mit der Umsetzung ihrer Pläne nicht so ernst nehmen wird: Meist findet sich hier ja doch noch irgendein Weg. Allerdings gibt es auch in Bangkok schon Gegenden, in denen Straßenküc­hen Geschichte sind. Wo vier Jahrzehnte lang einer der beliebtest­en Streetfood-Märkte war, an der Soi Sukhumvit 38, steht nun ein Hochhaus mit teuren Büround Wohneinhei­ten. Den Begriff Gentrifizi­erung kennt man auch hier.

Straßenküc­hen-Expertin Nualkhair sagt zu den Plänen der Behörden: „Bangkok verliert damit an Charme.“Die Idee hinter dem Verbot sei, „eine künstliche Stadt daraus zu machen, eine Art Singapur“. Was schade für die vielen Millionen Touristen wäre, vor allem aber für Bangkoks Normalverd­iener, die sich teureres Essen nicht leisten könnten. „Die werden damit zu einer Diät gezwungen – aus Instant-Nudeln, Mayonnaise-Brötchen und Würstchen dubioser Herkunft.“

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FOTO: CHRISTOPH SATOR Straßenküc­henrestaur­ants gehören zu Thailands Hauptstadt Bangkok wie die Taxis zu London.

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