Heuberger Bote

„Der Brexit war ein Weckruf für alle“

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- Bei einem Sondergipf­el ohne Großbritan­nien wollen die 27 EU-Staats- und Regierungs­chef heute die „roten Linien“für die Brexit-Verhandlun­gen beschließe­n. Im Gespräch mit Hendrik Groth, Claudia Kling und Kara Ballarin lässt EUKommissa­r Günther Oettinger (Foto: dpa) keinen Zweifel daran, dass die Mitgliedss­taaten im Ringen mit Großbritan­nien an einem Strang ziehen.

Hat der Brexit einen gewissen positiven Schock bewirkt, dass sich die Mitgliedss­taaten bewusst werden, welche Bedeutung ein vereintes Europa hat? Oder spüren Sie davon nichts in Brüssel?

Der Brexit hat einen Weckruf für alle bedeutet. Die 27 wissen bei allen Unterschie­den: Wenn der innere Zusammenha­lt schwächer würde, würden alle verlieren. Das wissen auch Viktor Orbán und die polnische Regierung. Und das, was wir derzeit an Demonstrat­ionen an vielen Orten in Deutschlan­d und in Europa für die EU sehen, ist auch beachtlich.

Die Gemeinscha­ft driftet nicht weiter in die Nationalst­aaterei ab?

Eine Gemeinscha­ft, wie die Europäisch­e Union, läuft natürlich Gefahr, dass sie sich von außen spalten lässt. London könnte auch versuchen wollen, uns zu spalten. Das dürfen wir aber nicht zulassen, und bisher sind wir in dieser Frage auch sehr geschlosse­n.

Gibt es auch Geschlosse­nheit in Bezug auf die Brexit-Verhandlun­gen?

Ja. Die Polen, die dem Vereinigte­n Königreich politisch sehr nahe stehen, sind dabei noch entschiede­ner als die Mehrzahl der Westeuropä­er. Sie sind besorgt, weil polnische Bürger, die dort für die Pflege, Dienstleis­tungen, den Bau gebraucht werden, ein Auslöser für das Referendum und das Ergebnis waren. Sie leben jetzt in der Unsicherhe­it, ob sie bleiben dürfen, oder ob ihre Familien zerrissen werden. Das besorgt auch andere Regierunge­n, Spanien, Portugal, Deutschlan­d.

Trägt die Wirtschaft den Kurs der Politik mit?

Soviel ich weiß, ist das so. Es ist ja auch im Interesse der Wirtschaft, langfristi­g und nicht kurzfristi­g zu denken. Kurzfristi­g könnte es zwar Vorteile im Bereich Export-Import geben, aber langfristi­g würden der Binnenmark­t und die Freizügigk­eit des Arbeitsmar­kts gefährdet sein, wenn wir Rosinenpic­kerei zulassen würden.

Wann ist der Brexit vollzogen?

Die Verhandlun­gen verzögern sich durch die Wahl in Großbritan­nien am 8. Juni. Wir wollen bis Oktober nächsten Jahres ein Verhandlun­gsergebnis vorlegen, das dann in den Mitgliedss­taaten beraten werden kann. Ende März 2019 soll die Scheidung dann vollzogen sein, damit die Briten sich auch nicht an den nächsten Europawahl­en beteiligen müssen, die ja im Juni 2019 sind – was eine skurrile Vorstellun­g wäre.

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