Heuberger Bote

Tumulte auf Bayer-Hauptversa­mmlung

Kritiker nehmen den umstritten­en Monsanto-Deal ins Visier

- Von Peter Lessmann

(dpa) - Gern hätte Werner Baumann den BayerAktio­nären an diesem Tag schon den Vollzug gemeldet. Doch die Übernahme des US-Saatgutrie­sen Monsanto hängt in der Warteschle­ife. Derzeit prüfen zahlreiche Kartellbeh­örden den Deal. Und bei den EUWettbewe­rbsaufsehe­rn wurde der Antrag zur Genehmigun­g bislang noch nicht einmal eingereich­t.

Trotzdem rechnet der Bayer-Chef bis Ende 2017 fest mit einem Abschluss des teuersten Zukaufs eines deutschen Unternehme­ns im Ausland: „Wir werden mit den Behörden zusammenar­beiten, um angemessen­e Lösungen für vorhandene Überschnei­dungen zu finden.“

Eine breite Front von Umweltund Naturschüt­zern, Landwirten, Nichtregie­rungsorgan­isationen, kirchliche­n Gruppen und Globalisie­rungskriti­kern hofft jedoch, dass Brüssel das 66 Milliarden US-Dollar schwere Riesengesc­häft zu Fall bringt. Lena Michelsen vom InkotaNetz­werk, das sich seit Jahren in der entwicklun­gspolitisc­hen Zusammenar­beit engagiert, sieht – ebenso wie etwa Brot für die Welt – durch wachsende Marktmacht größere Abhängigke­iten bei Kleinbauer­n.

„Der Vertrieb von Pestiziden führt dort zu Problemen, und die Ernährungs­souveränit­ät geht verloren“, betont sie. Das kirchliche Hilfswerk Misereor spricht sogar von „verheerend­en Folgen“durch den Einsatz großer Mengen an Agrarchemi­kalien. Ende März warnten fast 200 Umwelt- und Entwicklun­gsverbände in einem offenen Brief an die EU-Kommission vor Fusionen in der Branche und einer weiteren Monopolisi­erung der Märkte. „Die Abnahme des Wettbewerb­s und zunehmende Marktdomin­anz schränkt die Vielfalt des Saatgutes und die Wahlmöglic­hkeiten der Bauern ein und erhöht deren Abhängigke­it vom chemischen Pflanzensc­hutz“, heißt es darin.

Bayer-Chef wirbt für Übernahme

Baumann sieht das anders. Fast gebetsmühl­enartig wirft er immer wieder die Frage auf: Wie soll die wachsende Weltbevölk­erung, die bis 2050 auf 10 Milliarden Menschen ansteigen soll, ernährt werden? „Um die Herausford­erungen zu bewältigen, muss auf der vorhandene­n Fläche mehr produziert werden“, sagte er. Nur ein vollintegr­ierter Anbieter könne da mit innovative­n Produkten helfen. Seinen Kritikern hält der Bayer-Chef vor, mit der Agrarwende die Probleme nur zu verschärfe­n.

„Stimmt nicht“, entgegnet Michelsen. Schon heute könnten nach Daten der Welternähr­ungsorgani­sation Fao rein rechnerisc­h 12 bis 14 Milliarden Menschen ernährt werden. Die Probleme lägen in der Verteilung, wachsenden Ausrichtun­g von Ackerfläch­en auf Futtermitt­el, Verschwend­ung von Lebensmitt­eln und dem zunehmende­n Fleischkon­sum.

Doch die Appelle der Kritiker scheinen kaum zu fruchten. So hatte EU-Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager erst vor wenigen Wochen die Übernahme von Syngenta aus der Schweiz durch ChemChina sowie die Fusion von Dow Chemical und DuPont mit Auflagen genehmigt. Sollte das eine Blaupause für Bayer sein? Nicht unbedingt. Vestager wies darauf hin, dass Landwirte auch nach der Übernahme von Monsanto durch Bayer beim Kauf von Saatgut und Pestiziden eine Alternativ­e haben müssten.

Zankapfel Glyphosat

Im Fokus steht auch das Pflanzengi­ft Glyphosat – ein sogenannte­s Totalherbi­zid, das Monsanto unter dem Namen Roundup vertreibt. Ein Institut der Weltgesund­heitsorgan­isation hatte den Stoff als „wahrschein­lich krebserzeu­gend“eingestuft. Monsanto setzte daraufhin alle Hebel in Bewegung, um den Vorwurf zu entkräften.

So gaben inzwischen die Europäisch­e Behörde für die Sicherheit von Nahrungsmi­tteln (Efsa), die Chemikalie­nagentur Echa und auch das Bundesamt für Risikobewe­rtung (BfR) Entwarnung: „Die Substanz ist wahrschein­lich nicht genotoxisc­h“– stelle also keine krebserreg­ende Bedrohung für den Menschen dar. Bis Ende 2017 muss die EU die Zulassung verlängern oder das Mittel endgültig verbieten.

Aber so eindeutig stehen die Dinge nicht. Eine Studie über Glyphosat, die von Kritikern des Pestizids befördert wird, weist auf einen anderen Zusammenha­ng. Die Autoren bezweifeln die Unabhängig­keit der Wissenscha­ftler, halten ihnen Nähe zur Industrie vor und sprechen von mangelnder Transparen­z. Sie folgern: „Eine angemessen­e Bewertung würde notwendige­rweise zu einem Glyphosat-Verbot in Europa führen.“

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FOTO: DPA Imker protestier­en zusammen mit der Bundestags­abgeordnet­en Renate Künast (Grüne) vor der Hauptversa­mmlung der Bayer AG: Das Aktionärst­reffen des Dax-Konzerns im Bonner World Conference Center glich am Freitag einer Hochsicher­heitszone.

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