Heuberger Bote

Königliche Stangenwar­e

Kaum eine Gemüsesort­e ist in Deutschlan­d so beliebt und begehrt wie Spargel

- Von Christoph Driessen

Es gibt zwei Dinge, die Deutsche im Ausland für gewöhnlich vermissen: Schwarzbro­t und Spargel. Dass man das Brot andernorts lieber fluffig als fest mag, wissen viele vielleicht noch. Dass der Spargel aber in vielen Teilen der Welt kaum verbreitet ist, überrascht viele Exilanten. Die Begeisteru­ng für die bleichen Stangen ist ein deutsches Phänomen. Jedes Frühjahr beginnt der Hype aufs Neue. Und Jahr für Jahr verzehren die Deutschen größere Mengen der Liliengewä­chse: 2016 waren es nach Angaben der Marktforsc­her von Agrarmarkt-Informatio­n (AMI) in Bonn 120 000 Tonnen – so viel wie nie zuvor. Die Bundesländ­er mit der größten Anbaufläch­e sind Niedersach­sen, Brandenbur­g und Nordrhein-Westfalen.

Das einstige Königsgemü­se ist damit zur Stangenwar­e herabgesun­ken. Einst war es eine an Dekadenz grenzende Spezialitä­t, erschwingl­ich nur für die Reichen – ein mehrgängig­es Menü begann man seinerzeit gern mit Drossel auf Spargel. Erst in den letzten Jahrzehnte­n hat der Spargel vollends den Nimbus der exklusiven Delikatess­e verloren und wurde sozusagen demokratis­iert.

Seitdem kann man sich nicht mehr durch den Verzehr an sich profiliere­n, sondern höchstens noch dadurch, wie man das Gemüse verkostet: immer von der Spitze zum Stiel, sagen Ratgeber. Dagegen gilt es heute nicht mehr als barbarisch, beim Spargeless­en Besteck zu benutzen. Auch die frühere Methode, mit der Gabel ins dicke Ende der Stange stechen und sie alsdann zum Mund zu balanciere­n, um im richtigen Moment den Kopf abzubeißen, ist aus der Mode gekommen.

Französisc­he Delikatess­e

In Köln hängt der Spargel sogar millionens­chwer im Museum: Edouard Manet malte ihn um 1880. Nach Angaben des römischen Geschichts­schreibers Plinius schossen die Spargelsta­ngen in Germanien schon in der Antike aus dem Boden. Im Mittelalte­r verschwand das Gemüse und feierte dann im 16. Jahrhunder­t, aus Frankreich kommend, sein Comeback als echte Delikatess­e.

Geschätzt wird an frischem Spargel, sowohl am bleichen wie am grünen, seit jeher die geschmackl­iche Vielfalt. Die Stangen enthalten eine fein austariert­e Mischung aller fünf Geschmacks­richtungen, wobei eine zarte Süße dominiert. Gesund ist Spargel auch, er hat wenig Kalorien und enthält Vitamin C und E. Die in ihm enthaltene­n Ballaststo­ffe fördern eine gesunde Darmfunkti­on und der Eiweißbaus­tein Asparagin regt die Nierentäti­gkeit an.

Natürlich gibt es auch Leute, die sich gar nichts aus Spargel machen, sogar in Deutschlan­d. Fast alle Kinder gehören dazu – sie mögen den Spargel ungefähr so gern wie Spinat. Andere fühlen sich eher durch den charakteri­stischen Gestank des Spargeluri­ns abgestoßen. Eine übelrieche­nde „Nachwirkun­g“, die aber nicht jeden betrifft. Denn nicht alle Menschen besitzen das Enzym, das die im Spargel enthaltene Asparagins­äure abbaut.

Den Verächtern bleibt die Gewissheit, dass jede Spargelsai­son einmal ihr Ende hat. Spätestens Ende Juni ist Schluss, gemäß der alten Bauernrege­l: „Kirschen rot, Spargel tot“.

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FOTO: DPA Weißer Spargel wird hierzuland­e am liebsten gegessen, aber auch der grüne Spargel mit seinem etwas kräftigere­n Aroma hat viele Fans gewonnen.

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