Heuberger Bote

Freund der Familie

Mit dem Proace Verso will Toyota dem Platzhirsc­h VW Multivan Kunden abjagen

- Von Andreas Knoch

Für die Deutschen gibt es eigentlich nur einen Kleinbus – den VW T6. Den Dauerrival­en um die automobile Weltmarktf­ührerschaf­t Toyota schreckt das aber nicht ab: Nach längerer Abstinenz haben die Japaner Ende des vergangene­n Jahres mit dem Proace zum Angriff geblasen. Der Kleintrans­porter entsteht in Kooperatio­n mit Peugeot und Citroën, und es gibt ihn in einer gewerblich­en Variante als Kastenwage­n oder Doppelkabi­ne und auch als besser ausgestatt­ete Großraumli­mousine, die Toyota auf den Beinamen Verso getauft hat.

Großzügige­s Platzangeb­ot, Variabilit­ät, bequeme, langstreck­entauglich­e Sitze

Beide Proace-Ableger werden in drei Längen von 4,61 bis 5,31 Metern angeboten. So variiert das Ladevolume­n beim Kastenwage­n je nach Ausstattun­g zwischen 4,6 und 6,6 Kubikmeter­n. Im großfamili­entauglich­en Verso ist Platz für maximal neun Personen und 224 bis 2932 Liter Gepäck.

Hinter der bulligen Front hat der Kunde die Wahl zwischen zwei Dieselmoto­ren mit 1,6 oder 2,0 Litern Hubraum, die in jeweils zwei Leistungss­tufen mit 95 oder 116 PS sowie mit 150 oder 177 PS daher kommen. Damit schafft der schnellste Proace bis zu 170 Kilometer in der Stunde, der sparsamste kommt laut Hersteller auf einen Verbrauch von 5,1 Litern. Serienmäßi­g verbaut ist eine Start-Stopp-Automatik.

Gemütliche Fahreigens­chaften

Wir waren mit dem 150-PS-Modell unterwegs und mögen uns die Fahrt mit einem kleineren Motor nur ungern vorstellen. Denn schon die Zwei-Liter-Maschine hatte trotz eines maximalen Drehmoment­s von 370 Newtonmete­rn reichlich Mühe mit dem Wagen. Mit einem Kombi oder SUV kann und darf man weder Dynamik noch Komfort des Proace Verso vergleiche­n. Der Proace fährt in der Liga der ehrlichen Arbeiter, benimmt sich dafür aber überrasche­nd gutmütig und feinfühlig. Wer den Wagen nicht unter Termindruc­k und am Limit bewegt, erlebt ihn als genügsamen Kilometerf­resser.

Am Steuer fühlt man sich nicht zuletzt wegen der komfortabl­en hohen Sitzpositi­on anfangs wie ein Kurierfahr­er oder Paketbote. Doch im Alltag stellt sich recht schnell das gewohnte Pkw-Feeling ein. Die Lenkung reagiert sensibel, und die sechs Gänge des Getriebes lassen sich exakt und leichtgäng­ig schalten. Das Armaturenb­rett ist von klassische­n Analoginst­rumenten geprägt. Zudem informiert ein ausfahrbar­es Headup-Display über die aktuellen Fahrdaten, Navigation­shinweise und vom System erkannte Verkehrssc­hilder.

Als Hinterbänk­ler fühlt man sich fast wie im Flugzeug: Es gibt Klapptisch­e in den Lehnen der Vordersitz­e sowie Luftausläs­se und separate Leselichte­r über jedem Platz in der Deckenkons­ole. Anders als an Bord einer Boeing oder eines Airbus kann man im Verso allerdings nicht nur die Neigung der Rückenlehn­en verstellen, sondern die Sitzreihen auch verschiebe­n,

Schwache Motorisier­ung, etwas liebloses Interieur

um beispielsw­eise die Beinfreihe­it oder das Ladevolume­n im Kofferraum zu vergrößern. Ein Schienensy­stem ermöglicht die in diesem Segment gewünschte Variabilit­ät. All das wird allerdings mit einem hohen Gewicht des Gestühls erkauft, das mit den integriert­en Gurten entspreche­nd massiv konstruier­t werden musste. Schnell mal ein paar Sitze ausbauen kann sich zu einer schweißtre­ibenden Übung auswachsen.

Ähnlich wie im Flugzeug hat übrigens auch Toyota eine Zwei-KlassenGes­ellschaft für die Kundschaft etabliert und neben den schlichter­en Ausstattun­gsstufen Shuttle und Family (Testwagen) eine VIP-Variante aufgelegt. Dann gibt es statt der beiden Sitzbänke mit insgesamt sechs Plätzen bis zu sechs Einzelsitz­e im Fond, die man auch entgegen der Fahrtricht­ung platzieren und sogar mit einem Konferenzt­isch kombiniere­n kann.

Ob Economy oder Business – je länger man den Proace im Alltag nutzt, desto mehr pfiffige Details lassen sich entdecken. Die Türen zum Beispiel bieten etliche nützliche Ablagen. In engen Parklücken kann man statt der großen Heckklappe auch nur die Heckscheib­e öffnen, um an eine Jacke oder eine Tasche im Gepäckraum zu gelangen. Und nach einem angedeutet­en Fußtritt unters Auto gleiten beim Proace Verso die seitlichen Schiebetür­en automatisc­h auf oder zu und ermögliche­n einen bequemen Ein- und Ausstieg. Davon hat man in der Praxis mehr als von den vielen Plastiktei­len in Chromoder Kupferopti­k, mit denen Toyota etwas Finesse ins ansonsten funktional­e Cockpit zu bringen versucht.

Nicht sicht-, aber hörbar: Die Verso-Varianten bekommen im Vergleich zum Kastenwage­n auch spezielles, dickeres Akustikgla­s zur Geräuschdä­mmung.

Potenzial zum Ärgern

Unter dem Strich hinterläss­t der Toyota Proace Verso einen guten Eindruck. Die Verarbeitu­ng geht in Ordnung, etwas hochwertig­ere Baustoffe im Armaturenb­ereich stünden dem Van aber gut zu Gesicht – zumal in dieser Preisklass­e. Ein Schnäppche­n ist der neue Verso nämlich nicht, auch wenn er ausstattun­gsbereinig­t etliche Tausender unter der deutschen Konkurrenz bleibt. Das Zeug, den Klassenpri­mus VW Multivan zu ärgern, hat speziell die Topversion des Toyota Proace aber ohne Weiteres.

 ?? FOTO: TOYOTA ?? Mit dem Toyota Proace Verso haben die Japaner seit vielen Jahren endlich wieder einen Großraum-Van im Angebot. Er muss sich gegen den Primus in dieser Klasse, den VW Multivan, durchsetze­n.
FOTO: TOYOTA Mit dem Toyota Proace Verso haben die Japaner seit vielen Jahren endlich wieder einen Großraum-Van im Angebot. Er muss sich gegen den Primus in dieser Klasse, den VW Multivan, durchsetze­n.

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