Heuberger Bote

Kleine Tricks mit großer Wirkung

Oft helfen schon winzige Veränderun­gen, um die Zufriedenh­eit am Arbeitspla­tz zu steigern

- Von Maria Fiedler

Unzufriede­n am Arbeitspla­tz? Wer das Gefühl kennt, muss nicht gleich den Job wechseln. Mittels kleiner Veränderun­gen lässt sich die Situation oft schon deutlich verbessern. Job Crafting nennt sich das Phänomen. Was müssen Beschäftig­te dafür tun?

Es kann die Personaler­in sein, die sich tiefer ins Arbeitsrec­ht einarbeite­t als nötig, weil sie eine Leidenscha­ft für Jura hat. Oder die Krankensch­wester, die ihre Schichten mit denen ihrer Lieblingsk­ollegen zusammenle­gt und nun wieder gerne zur Arbeit geht. Oder auch der Koch, der sich als Künstler sieht, seitdem er die Gerichte kreativ auf dem Teller anrichtet. Diese Personen wissen es vielleicht nicht: Doch sie alle wenden dieselbe Technik an. „Job Crafting“oder „aktive Arbeitspla­tzgestaltu­ng“nennt es sich, wenn Menschen kleine Änderungen an ihrem Job vornehmen.

„Die Wirkung kann erheblich sein: Wer die Spielräume innerhalb seiner Tätigkeit erkennt, bekommt ein stärkeres Gefühl der Selbstbest­immung“, sagt Psychologi­n und Sachbuchau­torin Ilona Bürgel. „Das kann Stress reduzieren und Burn-out vorbeugen.“Und: Wer mehr Spaß an der Arbeit hat, ist automatisc­h engagierte­r und oft erfolgreic­her.

Job Crafting als Wirtschaft­sfaktor

So glauben manche sogar, dass sich Job Crafting zu einem Wirtschaft­sfaktor entwickelt. „Die Arbeitnehm­er der Zukunft suchen nicht nach einem perfekt designten Job – sie möchten ihn anhand ihrer persönlich­en Stärken und Interessen mitgestalt­en“, sagt Eva B. Müller. Sie war viele Jahre als Führungskr­aft in internatio­nalen Unternehme­n tätig und arbeitet nun als Autorin, Beraterin und Trainerin in den Bereichen Führung und Kommunikat­ion.

Die Veränderun­gen, die Job Crafter an ihrer Tätigkeit vornehmen, müssen nicht groß sein. „Es geht schließlic­h nicht um Revolution sondern um Evolution“, sagt Bürgel. Wer die Gleitzeit ausnutzt, um seiner Langschläf­erneigung nachzukomm­en oder sich ein neues Ablagesyst­em für seine Dokumente ausdenkt, muss noch nicht einmal den Vorgesetzt­en um Erlaubnis fragen. Dennoch lohnt es sich, darüber nachzudenk­en, welche Art von Job Crafting infrage kommt.

Experten teilen die möglichen Stellschra­uben in vier Gruppen ein: „Erstens: Was arbeite ich? Damit sind die Aufgaben gemeint. Zweitens: Mit wem arbeite ich? Das können Kollegen oder Kunden sein. Und drittens: Wie sehe ich meinen Job? Dabei geht es um die innere Haltung“, zählt Organisati­onsberater­in Frauke SchmidPete­r auf. Als eine vierte Stellschra­ube sieht sie die Frage: „Wo und wann arbeite ich?“. Kontext, Arbeitspla­tz und Arbeitszei­ten wären Beispiele.

Um strukturie­rt Job Crafting zu betreiben, rät Schmid-Peter dazu, sich über einen längeren Zeitraum hinweg alle Aufgaben aufzuschre­iben, die im Arbeitsall­tag anfallen. Dann kann man darüber nachdenken, welche einem Freude bereiten – und welche eher Energie rauben. „Bei unliebsame­n Tätigkeite­n sollten Arbeitnehm­er versuchen, diese zu reduzieren oder schauen, ob es Kollegen gibt, denen diese Aufgaben mehr liegen. Vielleicht will ja jemand tauschen“, erklärt Schmid-Peter.

Eigene Stärken bewusst machen

Psychologi­n Bürgel hält es außerdem für sinnvoll, sich bewusst zu machen, was die eigenen Stärken sind. Jemand der besonders neugierig ist, kann sich zum Beispiel in ein Team einbringen, das im Unternehme­n neue Software als Erstes nutzt. Arbeitnehm­er, die gerne anderen etwas beibringen, haben möglicherw­eise Spaß daran, bei der Einarbeitu­ng neuer Kollegen zu helfen. Zur Frage „Mit wem arbeite ich?“empfiehlt Organisati­onsberater­in Schmid-Peter, sich bewusst zu machen, mit welchen Kollegen man gerne zusammenar­beitet. „Vielleicht gibt es die Möglichkei­t, stärker gemeinsam an Projekten zu arbeiten – oder zumindest häufiger zusammen Mittag zu essen.“

Wenn Arbeitnehm­er die innere Haltung verändern, mit der sie an ihren Job herangehen, spricht Beraterin Müller von einem „mental shift“, von einer mentalen Verschiebu­ng. Dabei werde dem Beruf oder einzelnen Aufgaben ein ganz besonderer Sinn zugeschrie­ben. „Ein Rettungssa­nitäter, der zu sehr über die negativen Aspekte seiner Arbeit nachdenkt, kann sich wieder mentale und körperlich­e Ressourcen beschaffen, indem er sich vor Augen führt, dass seine Arbeit vielen Menschen hilft“, erklärt Müller.

Arbeitnehm­er sollten aber immer beachten: Wenn die Veränderun­gen, die sie vornehmen, auch andere betreffen, ist es klug, sich mit Kollegen und Vorgesetzt­en abzusprech­en. „Wer einen neuen Kundenkrei­s möchte, braucht sogar die Unterstütz­ung von oben“, sagt Autorin Bürgel. Führungskr­äfte müssten außerdem sicherstel­len, dass die Pläne des Angestellt­en nicht im Gegensatz zu den Unternehme­nszielen stehen.

Und obwohl die langfristi­gen Folgen von Job Crafting oft positiv sind, weist Müller darauf hin, dass es kurzfristi­g zu Stress führen kann – verursacht durch zusätzlich­e oder unbekannte Tätigkeite­n, oder auch durch neue Sozialkont­akte. Doch Müller kann beruhigen: „Das ist ein ganz normaler Vorgang, wenn Menschen neue Dinge lernen und ausprobier­en.“(dpa)

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FOTO: MONIQUE WÜSTENHAGE­N/DPA Rundum zufrieden am Arbeitspla­tz: Wer den Zustand erreichen will, sollte systematis­ch vorgehen.

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