200 Jahre in Zeitraffer
Bei Ausstellungseröffnung zur Evangelischen Stadtkirche wird deren Geschichte erläutert
- Für eineÜberraschung hat Stadtpfarrer Jens Junginger bei der Ausstellungseröffnung zu „200 Jahre Evangelische Stadtkirche“am Freitagabend gesorgt: Nach dem Musikstück durch Rafael Diesch am Marimbaphon war er verschwunden. Plötzlich tauchte er auf der Kanzel über dem Altarraum auf, um von dort aus die Besucher im voll besetzten Kirchenschiff Willkommen zu heißen.
„Diese Kanzel, unübersehbar zentral positioniert, sie ist das in Stein verankerte und in Holz gestaltete eigentliche Markenzeichen dieser evangelischen Kirche“, erklärte Junginger. „Diese Kanzel ist zugleich das Sinnbild für Veränderung und Beständigkeit wie es diese Kirche als Ganzes ist. Für Beständigkeit hinsichtlich der Inhalte des christlichen Glaubens. Für Veränderung hinsichtlich einer Öffnung und Offenheit dafür, dass diese Inhalte wieder an persönlicher Relevanz und öffentliche Plausibilität gewinnen“, bemerkte er.
200 Jahre seien für eine Kirche kein sonderlich hohes Alter. Aber, wie nur wenige Kirchen strahle sie Würde, Feierlichkeit, Leichtigkeit und Originalität aus. Sie spiele eine zentrale Rolle in der Tuttlinger Stadtgeschichte, stellte Oberbürgermeister Michael Beck in seiner Begrüßung fest. „Die Kirche war das größte nach dem Stadtbrand errichtete Gebäude und fasste damals mehr Menschen als unsere neue Stadthalle“, so Beck. Die Kirche wurde 1817 errichtet, erhielt die heutige Prägung aber erst durch den Umbau im Jahr 1903. Die Modelle und Figuren an der Fassade wurden aus privater Hand finanziert, die neuen Fenster ebenfalls. „Auch heute gibt es Menschen in dieser Stadt, die mittels einer Stiftung zum Erhalt der Kirche beitragen, und so spiegelt die Stadtkirche auch den Bürgersinn in der Stadt wieder“, stellte Beck fest.
Museumsleitern Gunda Woll blickte auf die Geschichte der Stadtkirche zurück.
„Die Geschichte der Kirche ist durch fünf Abschnitte gekennzeichnet, die in ihrem Zusammenspiel dem Gebäude sein einzigartiges Gepräge geben“, erklärte sie: Zunächst der puristische, einfach gehaltene Bau, der 1817 eingeweiht wurde. Im Jahr 1868 folgte die Turmerhöhung, weil die Katholiken angefangen hatten, eine eigene Kirche zu bauen, die evangelische Kirche aber weiterhin der sichtbare Hauptbau in der Stadt bleiben sollte.
26 Jahre später wurde die Altarwand mit den Gemälden neu gestaltet. 1903 erfolgte der Umbau durch Heinrich Dolmetsch mit der Aufrichtung des Giebels, der dem eher einfachen klassizistischen Bau, durch Jugendstilelemente seine heutige Prägung gab, „eine Kombination, die schwer in eine Stilschublade zu packen ist, aber in sich sehr stimmig wirkt“, erklärte Woll.
Bei der notwendigen Sanierung und Renovierung von 1974 bis 1978 wurde das Kirchenschiff verkürzt und ein neues Foyer integriert. „Die Ausstellung im Fruchtkasten hat uns vor besondere Herausforderungen gestellt, denn so schwergewichtige Exponate wie die Orgel, die Uhr und die Glocke, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts von Johann Rosenlechner in Konstanz gegossen und vom württembergischen Landesherrn zum Kirchenneubau gestiftet worden war, hatten wir noch nie“, gab Woll bekannt und machte die Besucher neugierig auf die Ausstellung, die nach der Eröffnung in der Stadtkirche gemeinsam besucht wurde.