Heuberger Bote

Schon sehr durchdacht

Laura Siegemund gewinnt ihr Lieblingst­urnier

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(dpa/SID) - Es war ein kleiner Moment, der verdeutlic­hte, dass sich Laura Siegemund an die Rolle einer Turniersie­gerin noch gewöhnen muss: Als sie nach ihrem Finalerfol­g auf dem Centre Court des Stuttgarte­r Tennisturn­iers das Mikrofon in der Hand hielt, war die 29-jährige Metzingeri­n erst nicht sicher, ob sie auf Deutsch oder Englisch beginnen sollte. Dann plauderte sie einfach los. Für Laura Siegemund war es ein aufregende­r Sonntag, an dem sie mit dem famosen 6:1, 2:6, 7:6 (7:5) über KerberBezw­ingerin Kristina Mladenovic ihren zweiten WTA-Titel und den größten Erfolg ihrer Karriere feierte. „Es war wirklich gigantisch. Das ist der schönste Tennismome­nt für mich gewesen“, sagte die Lokalmatad­orin, als sie sich – rund eineinhalb Stunden nachdem die Tränen sie überwältig­t hatten – den Fragen der Journalist­en stellte. Den Pokal hatte sie dabei und neben sich auf den Tisch gestellt.

Wer Siegemund mit der Trophäe strahlen, wer sie beim Porsche Grand Prix spielen und siegen sah, kann sich kaum vorstellen, dass ihre Karriere eigentlich schon einmal beendet war. Als Jugendlich­e wurde sie gefeiert, musste Vergleiche­n mit Steffi Graf standhalte­n, zerbrach aber fast am Druck. Erst als sie eine Pause einlegte, fand sie die Gelassenhe­it. Nach zu vielen Niederlage­n beschloss sie 2012, das Profi-Leben zu beenden. Studierte Psychologi­e, bestand ihren A-Trainer-Schein. Der Titel von Siegemunds Bachelor-Arbeit (Note 1,3): „Versagen unter Druck“.

Gegen die 23-jährige Französin Mladenovic, bislang eine der erfolgreic­hsten Spielerinn­en der Saison, meisterte der Wirbelwind den Druck famos. Auf Angelique Kerber hatten vielleicht viele als Finalistin gesetzt – oder zumindest gehofft. Aber Wildcard-Inhaberin Siegemund? Nicht bei diesem hoch dekorierte­n Feld, trotz der Finalteiln­ahme letzte Saison. „Das ist nicht nur eine unglaublic­he körperlich­e und spielerisc­he Leistung, sondern vor allem auch mental großartig“, lobte Bundestrai­nerin Barbara Rittner.

Die Geschichte des Endspiels spitzte sich im dritten Satz zu. Nur kurz ließ sich Siegemund irritieren, als sie bei 5:4 zum zweiten Mal wegen Zeitübersc­hreitung verwarnt wurde und ein wichtiger Punkt an Mladenovic ging. Ein Rückstand im Tiebreak hielt sie nicht auf: „Ich war wirklich ruhig und wusste, was ich zu tun hatte.“Laura Siegemund klebt nicht an der Grundlinie, sondern rückt ans Netz vor, hat ein feines Händchen für Volleys und Stopps. „Einiges ist Intuition, aber im Gros ist das schon sehr durchdacht, das Ganze“, sagte sie. „Ich bin mit Sicherheit eine Spielerin, die die Spielzüge plant.“

Der Lohn in Stuttgart: 107 036 Euro Preisgeld, ein Sportwagen und von Montag an Weltrangli­stenplatz 30.

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FOTO: DPA Ihr schönster Tennismome­nt: Laura Siegemund.

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