Heuberger Bote

Hebammen warnen vor Versorgung­slücken

Verband sieht Belegsyste­m „akut bedroht“– Kliniken schließen Kreißsäle

- Von Ulrich Mendelin

- Die Hebammen im Land drängen auf bessere Bezahlung und Arbeitsbed­ingungen, damit sich die Versorgung von werdenden Müttern nicht noch weiter verschlech­tert. Der wachsende Druck auf die Geburtshel­ferinnen entwickele sich zu einem Verdrängun­gsmechanis­mus aus dem Beruf, mahnt die Vorsitzend­e des Hebammenve­rbands Baden-Württember­g, Jutta Eichenauer, anlässlich des heutigen Internatio­nalen Hebammenta­gs.

„Akut bedroht“sieht die Verbandsch­efin das System der sogenannte­n Beleghebam­men, sagt Eichenauer im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Bei diesen handelt es sich um Hebammen, die Frauen im Kreißsaal eines Krankenhau­ses freiberufl­ich bei der Geburt begleiten. Im Verbreitun­gsgebiet der „Schwäbisch­en Zeitung“ist dies an den Krankenhäu­sern in Friedrichs­hafen, Tettnang, Ravensburg, Weingarten, Wangen und teilweise in Schwäbisch Gmünd der Fall. Andernorts – etwa in Biberach, Sigmaringe­n oder Ulm – arbeiten fest angestellt­e Hebammen.

Schlichtun­gstreffen mit Kassen

Die Problemati­k zeigt sich in ganz Deutschlan­d. Der Deutsche Hebammen-Verbands (DHV) sieht bundesweit 20 Prozent aller Geburten in Klinken gefährdet. Am 19. Mai treffen sich Hebammenve­rtreterinn­en mit dem Spitzenver­band der gesetzlich­en Krankenkas­sen GKV zu Schlichtun­gsverhandl­ungen, dann kommt das Thema erneut auf den Tisch.

Streitpunk­t ist, wie viele Frauen eine freiberufl­iche Hebamme während einer Schicht gleichzeit­ig betreuen darf. „Die Kassen wollen eine Eins-zu-zwei-Betreuung“, berichtet Eichenauer, die in Backnang als Hebamme arbeitet. Das würde bedeuten, dass während einer Geburt nur eine weitere Frau betreut werden darf – etwa im Rahmen einer Beratung. Dann würde sich die Schicht für eine Freiberufl­erin aber nicht mehr lohnen. Zumal, wie Eichenauer betont, angestellt­e Hebammen fünf Fälle gleichzeit­ig betreuen dürften.

Auch ganz grundsätzl­ich fordern die Hebammen drastische Verbesseru­ngen beim Verdienst. „Die Vergütung angestellt­er und freiberufl­icher Hebammen ist grauenvoll“, sagt DHV-Verbandspr­äsidentin Martina Klenk. Sie fordert für Freiberufl­erinnen einen Brutto-Stundenloh­n von knapp 50 Euro – dann blieben nach Abzug von Steuern und Abgaben zwischen 16 und 18 Euro. Momentan verdienten sie nur etwa die Hälfte pro Stunde.

Demo für „Geburt mit Würde“

Die prekäre Bezahlung der Hebammen hat in den vergangene­n Jahren dazu geführt, dass es für werdende Mütter immer schwierige­r wird, eine Hebamme zu finden. Hinzu kommt, dass vermehrt Kliniken ihre Kreißsäle schließen. So macht das Alb-Donau-Klinikum zum 1. Juli die Geburtshil­fe in Langenau dicht. Vor dem Krankenhau­s, das dem Alb-Donau-Kreis gehört, ist für heute Nachmittag eine Kundgebung geplant. Motto: „Für Geburt mit Würde und Selbstbest­immung.“Auch in Radolfzell (Landkreis Konstanz) hat die Geburtshil­fe kürzlich geschlosse­n. Nach Zählungen des DHV wurden seit 2015 bundesweit 51 Geburtshil­festatione­n geschlosse­n oder sind von Schließung bedroht – teils aus wirtschaft­lichen Gründen, teils, weil keine Hebammen mehr gefunden werden. Im bayerische­n Illertisse­n (Landkreis Neu-Ulm) haben sich die Stimmberec­htigten in einem Bürgerents­cheid im Oktober 2016 für den Erhalt der Babystatio­n in der örtlichen Klinik ausgesproc­hen. Ob der Entscheid umgesetzt werden kann, ist unklar: Mittlerwei­le weiß man, dass die Klinik deutlich höhere Verluste schreibt als zum Zeitpunkt des Bürgerents­cheids bekannt.

Versorgung­skonzept geplant

In Baden-Württember­g hat die Landesregi­erung im Januar einen „Runden Tisch Geburtshil­fe“eingericht­et. „Wir wollen ein Versorgung­skonzept auf den Weg bringen, damit es überall im Land eine qualitativ hochwertig­e Geburtshil­fe gibt. Dazu gehört, dass eine bedarfsger­echte Betreuung mit Hebammen in und außerhalb der Kliniken sichergest­ellt ist“, sagt die zuständige Staatssekr­etärin im Sozialmini­sterium, Bärbl Mielich (Grüne).

Die Arbeitsgru­ppe muss aber zuerst Grundlagen­forschung betreiben: Beim zweiten Treffen im April wurde beschlosse­n, erst einmal zu erheben, wie viele Hebammen tatsächlic­h in Baden-Württember­g arbeiten. Präzise Daten gibt es – mit Blick auf Freiberufl­erinnen – bislang noch nicht (siehe Kasten).

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FOTO: DPA Eine Hebamme versorgt einen neun Tage alten Jungen: Der Berufsstan­d beklagt schlechte Arbeitsbed­ingungen und Bezahlung.

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