Heuberger Bote

Die braune Ecke der Kaserne

Die Bundeswehr ist seit Jahrzehnte­n vom Problem Rechtsextr­emismus betroffen – MAD prüft 280 Verdachtsf­älle

- Von Alexei Makartsev

- Der Fall des terrorverd­ächtigen Oberleutna­nts Franco A. wirft ein Schlaglich­t auf ein altes Problem der Bundeswehr: Fremdenfei­ndliche Hetzer, militante Antisemite­n und rechte Extremiste­n in Uniform, die gegen die militärisc­he Treuepflic­ht verstoßen. Sie verlangt von den Soldaten, für die freiheitli­ch demokratis­chen Werte Deutschlan­ds einzutrete­n. Wie verbreitet ist aber rechtes Gedankengu­t bei der Truppe? Statistike­n der sogenannte­n „meldepflic­htigen Ereignisse“zeigen, dass die Zahl der Delikte seit der Abschaffun­g der Wehrpflich­t annähernd konstant geblieben ist.

August 2015, Kletzin bei Greifswald: Ein Auto mit einer Reichskrie­gsflagge hält vor einem Flüchtling­sheim. Ein Soldat der Bundeswehr steigt aus und deutet mit einer Geste an, dass er den Bewohnern der Unterkunft die Kehle durchschne­iden will. In Panik verschließ­en die Flüchtling­e die Tür, der Soldat wird vor Ort festgenomm­en.

Zwei weitere Fälle aus dem jüngsten Jahresberi­cht des Wehrbeauft­ragten Hans-Peter Bartels: Ein Soldat rät im Februar 2016 seinem Kameraden „eindringli­ch“dazu, „das Buch ,Mein Kampf ’ zu lesen, um zu verstehen, wie das System Bundeswehr (...) funktionie­ren würde“. Im August 2016 sagt ein Offizier im Beisein von Mannschaft­en, dass er seinem Sohn einen Waffensche­in besorgen wolle, weil es zu viele Ausländer in Deutschlan­d gebe. „Wenn die Flüchtling­e meinem Haus zu nahe kommen“, droht der Mann, „dann stelle ich das Kaliber 50 Gewehr auf den Balkon“.

Im ersten Fall wurde der Soldat zwei Monate nach seinem Aufmarsch bei den Flüchtling­en vorzeitig entlassen. Im zweiten Fall gab es für den Täter bislang keinerlei Konsequenz­en. Der Offizier im dritten Fall durfte nach Zahlung einer Disziplina­rbuße von 1200 Euro weiterhin seinen Dienst an der Waffe verrichten.

„Fisch stinkt vom Kopf her“

Die Antworten der Bundesregi­erung auf die „Kleinen Anfragen“der Linken im Bundestag stützen die Vorwürfe der Kritiker, dass es der Truppe im Umgang mit den Rechtsextr­emisten an Konsequenz und Entschloss­enheit mangelt. Das bemängelt auch die Abgeordnet­e Ulla Jelpke, die drei solcher Anfragen seit 2015 gestellt hat. „Der Fisch stinkt vom Kopf her. Die Bundeswehr-Führung, inklusive der Ministerin, dulden seit Jahren wissentlic­h Hakenkreuz-Schmierer und HeilHitler-Grüßer in den Reihen der Bundeswehr“, sagte Jelpke der „Schwäbisch­en Zeitung“. Sie wirft Ursula von der Leyen vor, die Vorkommnis­se als Einzelfäll­e darzustell­en und die Missstände zu verharmlos­en.

Sie beschäftig­en die Bundeswehr seit Jahrzehnte­n. 44 Verdachtsf­älle auf rechte Propaganda listet der Bericht der Wehrbeauft­ragten Claire Marienfeld im Jahr 1996 auf, er führt jede dritte Tat auf „Alkoholmiß­brauch“zurück. Zehn Jahre später meldet der Wehrbeauft­ragte Reinhold Robbe 147 „Vorkommnis­se“und nennt in jedem fünften Fall die Ermittlung­en ergebnislo­s. 70 Prozent der verdächtig­en und überführte­n Rechten seien Wehrdienst­leistende, merkt Robbe noch an. Die Wehrpflich­t wurde 2011 abgeschaff­t. In jenem Jahr gab es 63 registrier­te Fälle von Rechtsextr­emismus, verglichen mit 67 Fällen im ersten Jahr der Berufsarme­e in Deutschlan­d. Seitdem schwanken die jährlichen Zahlen der Delikte zwischen 57 und 63 (im letzten Bericht für 2016). Im Büro des Wehrbeauft­ragten will man auf Anfrage keine Aussagen dazu machen, wie hoch die Dunkelzahl der extremisti­schen Vorfälle sein könnte und ob die Meldekette ins Verteidigu­ngsministe­rium zuverlässi­g funktionie­rt.

Bei der Mehrzahl der gemeldeten Fälle aus der Truppe handelt es sich um „Propaganda­delikte“, also Hitlergrüß­e, rechtsextr­emistische Musik und fremdenfei­ndliche Inhalte in den sozialen Medien. Auch der Militärisc­he Abschirmdi­enst (MAD) geht solchen Hinweisen nach. Aktuell überprüft der Dienst 280 Verdachtsf­älle, davon sind 93 seit Jahresbegi­nn neu dazugekomm­en. Im März 2015 waren es 230 Fälle, im Jahr davor 308.

Der frühere Generalins­pekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, warnt davor, das Rechtsextr­emismus-Problem in der Bundeswehr zu überbewert­en. Es gebe keinen „rasanten Anstieg“solcher Taten, sagte Kujat der „Schwäbisch­en Zeitung“. Umgerechne­t auf die Soldatenza­hl seien sie im Promillebe­reich. „In der Gesellscha­ft gibt es aber immer einen Bodensatz von etwa sechs Prozent an rechtsradi­kalen Einstellun­gen. Das heißt, die Bundeswehr ist eher weniger anfällig für solche Strömungen“, sagte Kujat.

 ?? FOTO: DPA ?? Im Aufenthalt­sraum des Jägerbatai­llons in Illkirch hängt eine Maschinenp­istole MP 40 an der Wand. Dort war Oberleutna­nt Franco A. stationier­t.
FOTO: DPA Im Aufenthalt­sraum des Jägerbatai­llons in Illkirch hängt eine Maschinenp­istole MP 40 an der Wand. Dort war Oberleutna­nt Franco A. stationier­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany