Heuberger Bote

Von der Leyen will Wehrdiszip­linarordnu­ng überprüfen

Verteidigu­ngsministe­rin reagiert auf den Skandal um Oberleutna­nt Franco A. – Kritik der Opposition

- Von Andreas Herholz und Tobias Schmidt

- Ursula von der Leyen bestellt zum Rapport: 100 Generäle und Admirale müssen am Donnerstag im Berliner Verteidigu­ngsministe­rium antreten. „Klärung auf höchster Ebene“sei notwendig, gibt Generalins­pekteur Volker Wieker das Ziel vor. Man will Konsequenz­en aus dem Fall des rechtsextr­emen Oberleutna­nts Franco A. ziehen und die Innere Führung stärken. Von einer „freimütige­n und offenen Aussprache“ist hinterher in Bundeswehr­kreisen die Rede. Und die Verteidigu­ngsministe­rin zieht erste Konsequenz­en: Eine Arbeitsgru­ppe soll die Wehrdiszip­linarordnu­ng überprüfen. Ziel müsse es sein, „schneller, sicherer und transparen­ter vorzugehen und die Verantwort­ungsebene zu stärken“.

„Sicherheit­sschleifen“sollten eingebaut und das Mehraugenp­rinzip gestärkt werden, damit verhindert werde, dass wie im Fall Franco A. „Dinge unter den Tisch gekehrt werden“. Auch beim Streitkräf­teamt, das trotz der von Rassismus durchdrung­enen Masterarbe­it des Offiziers tatenlos geblieben war, greift von der Leyen durch, kündigt Verwaltung­sermittlun­gen an.

Die Ministerin erklärt, dass bei rechtem Gedankengu­t nicht weggesehen werden darf. Doch der Fall Franco A. ist längst zu einem Fall von der Leyen geworden. Durch ihre pauschale Kritik an der „Haltungssc­hwäche“der Truppe hat sich die CDU-Politikeri­n selbst in die Schusslini­e begeben. Enttäuschu­ng herrscht bei den Soldatinne­n und Soldaten vor. Und dann der Auftritt am Mittwoch in Illkirch, wo Franco A. stationier­t war, mit dutzenden Journalist­en im Schlepptau: SPD-Generalsek­retärin Katarina Barley wirft der Ministerin eine „klebrige Selbstinsz­enierung“vor, die keine Probleme bei der Bundeswehr löse.

Keine Show, aber Aufklärung

Der Koalitions­partner hat sich auf die Inhaberin der Befehls- und Kommandoge­walt eingeschos­sen und wittert die Chance, das Thema politisch auszuschla­chten. Die SPD fordert - wie die Grünen - eine Sondersitz­ung des Verteidigu­ngsausschu­sses, will von der Leyen selbst zum Rapport bestellen und ins Kreuzverhö­r nehmen: „Es wird auch darum gehen, die Verantwort­ung der Ministerin zu diskutiere­n“, erklärt SPD-Verteidigu­ngsexperte Lars Klingbeil. „Wir wollen keine Show, sondern Sachaufklä­rung. Deswegen wollen wir Ursula von der Leyen direkt befragen“, macht die Grünen-Verteidigu­ngspolitik­erin Agnieszka Brugger Druck auf Bundestags­präsident Norbert Lammert, die Sondersitz­ung zu genehmigen.

Zum Antritt der Generäle in Berlin waren zunächst Fotografen und Kamerateam­s geladen, dann plötzlich kommt die Absage: Kein Bildtermin, erklärt das Ministeriu­m, das offenbar den Eindruck vermeiden will, von der Leyen setze auf Inszenieru­ng. Aus den eigenen Reihen kommt nicht viel Rückhalt. Hatte sich am Mittwoch Kanzlerin Angela Merkel noch zu von der Leyen bekannt, nimmt tags darauf CDU-Vize Thomas Strobl die Parteifreu­ndin in die Pflicht. Es sei „die Verantwort­ung der Ministerin, diese Aufklärung zu machen“.

Weil sich Franco A. als syrischer Flüchtling registrier­t und offenbar einen Anschlag vorbereite­t hatte, hat der Generalbun­desanwalt die Ermittlung­en übernommen. Mit fünf weiteren Männern stand der Oberleutna­nt in Kontakt, einer von ihnen soll eine „Todesliste“mit Politikern­amen geführt haben. Handelte es sich um die Keimzelle eines rechtsradi­kalen Netzwerkes? In Franco A.‘s „Heimatkase­rne“wurde ein Sturmgeweh­r mit eingeritzt­em Hakenkreuz gefunden, aber niemand bereitete dem Treiben ein Ende.

„Es geht nicht um einen Generalver­dacht, sondern um die ganz berechtigt­e Sorge, dass all die Selbstrein­igungskräf­te nicht so zur Wirkung gelangen, wie wir uns alle das wünschen“, fasst Generalins­pekteur Wieker die alarmieren­de Lage zusammen.

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FOTO: DPA Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) ließ am Donnerstag etwa 100 Militärs in Berlin zum Rapport antreten.

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