Von der Leyen will Wehrdisziplinarordnung überprüfen
Verteidigungsministerin reagiert auf den Skandal um Oberleutnant Franco A. – Kritik der Opposition
- Ursula von der Leyen bestellt zum Rapport: 100 Generäle und Admirale müssen am Donnerstag im Berliner Verteidigungsministerium antreten. „Klärung auf höchster Ebene“sei notwendig, gibt Generalinspekteur Volker Wieker das Ziel vor. Man will Konsequenzen aus dem Fall des rechtsextremen Oberleutnants Franco A. ziehen und die Innere Führung stärken. Von einer „freimütigen und offenen Aussprache“ist hinterher in Bundeswehrkreisen die Rede. Und die Verteidigungsministerin zieht erste Konsequenzen: Eine Arbeitsgruppe soll die Wehrdisziplinarordnung überprüfen. Ziel müsse es sein, „schneller, sicherer und transparenter vorzugehen und die Verantwortungsebene zu stärken“.
„Sicherheitsschleifen“sollten eingebaut und das Mehraugenprinzip gestärkt werden, damit verhindert werde, dass wie im Fall Franco A. „Dinge unter den Tisch gekehrt werden“. Auch beim Streitkräfteamt, das trotz der von Rassismus durchdrungenen Masterarbeit des Offiziers tatenlos geblieben war, greift von der Leyen durch, kündigt Verwaltungsermittlungen an.
Die Ministerin erklärt, dass bei rechtem Gedankengut nicht weggesehen werden darf. Doch der Fall Franco A. ist längst zu einem Fall von der Leyen geworden. Durch ihre pauschale Kritik an der „Haltungsschwäche“der Truppe hat sich die CDU-Politikerin selbst in die Schusslinie begeben. Enttäuschung herrscht bei den Soldatinnen und Soldaten vor. Und dann der Auftritt am Mittwoch in Illkirch, wo Franco A. stationiert war, mit dutzenden Journalisten im Schlepptau: SPD-Generalsekretärin Katarina Barley wirft der Ministerin eine „klebrige Selbstinszenierung“vor, die keine Probleme bei der Bundeswehr löse.
Keine Show, aber Aufklärung
Der Koalitionspartner hat sich auf die Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt eingeschossen und wittert die Chance, das Thema politisch auszuschlachten. Die SPD fordert - wie die Grünen - eine Sondersitzung des Verteidigungsausschusses, will von der Leyen selbst zum Rapport bestellen und ins Kreuzverhör nehmen: „Es wird auch darum gehen, die Verantwortung der Ministerin zu diskutieren“, erklärt SPD-Verteidigungsexperte Lars Klingbeil. „Wir wollen keine Show, sondern Sachaufklärung. Deswegen wollen wir Ursula von der Leyen direkt befragen“, macht die Grünen-Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger Druck auf Bundestagspräsident Norbert Lammert, die Sondersitzung zu genehmigen.
Zum Antritt der Generäle in Berlin waren zunächst Fotografen und Kamerateams geladen, dann plötzlich kommt die Absage: Kein Bildtermin, erklärt das Ministerium, das offenbar den Eindruck vermeiden will, von der Leyen setze auf Inszenierung. Aus den eigenen Reihen kommt nicht viel Rückhalt. Hatte sich am Mittwoch Kanzlerin Angela Merkel noch zu von der Leyen bekannt, nimmt tags darauf CDU-Vize Thomas Strobl die Parteifreundin in die Pflicht. Es sei „die Verantwortung der Ministerin, diese Aufklärung zu machen“.
Weil sich Franco A. als syrischer Flüchtling registriert und offenbar einen Anschlag vorbereitet hatte, hat der Generalbundesanwalt die Ermittlungen übernommen. Mit fünf weiteren Männern stand der Oberleutnant in Kontakt, einer von ihnen soll eine „Todesliste“mit Politikernamen geführt haben. Handelte es sich um die Keimzelle eines rechtsradikalen Netzwerkes? In Franco A.‘s „Heimatkaserne“wurde ein Sturmgewehr mit eingeritztem Hakenkreuz gefunden, aber niemand bereitete dem Treiben ein Ende.
„Es geht nicht um einen Generalverdacht, sondern um die ganz berechtigte Sorge, dass all die Selbstreinigungskräfte nicht so zur Wirkung gelangen, wie wir uns alle das wünschen“, fasst Generalinspekteur Wieker die alarmierende Lage zusammen.