Heuberger Bote

Wenn Superhelde­n fliegen lernen

Die Berliner Firma Rise FX steuert Spezialeff­ekte für Hollywood-Blockbuste­r bei

- Von Daniel Drescher

- Die perfekte Illusion: Wenn sich fliegende Leinwandhe­lden von Gebäuden stürzen oder Finsterlin­ge die Energiepei­tsche schwingen, kommt die Tricktechn­ik dazu auch von der Spezialeff­ektschmied­e Rise FX. Das in Berlin gegründete Unternehme­n präsentier­t sich dieser Tage bei der Animations­konferenz FMX in Stuttgart, wo in einer Rise-Niederlass­ung an prestigetr­ächtigen Filmprojek­ten gearbeitet wird. Rise FX spielt in der Meisterkla­sse der Kinowelt mit – und feiert dieses Jahr zehnten Geburtstag.

Der beste Spezialeff­ekt ist der, den der Zuschauer gar nicht als solchen wahrnimmt. Davon ist Florian Gellinger überzeugt. Der 38-Jährige hat Rise FX 2007 gemeinsam mit Sven Pannicke, Robert Pinnow und Markus Degen gegründet. Er vergleicht die Arbeit mit dem Aufbau eines Kartenhaus­es, das bei der geringsten Erschütter­ung zusammenfä­llt: „Man muss unglaublic­h vorsichtig sein. Eine einzige Einstellun­g, die nicht funktionie­rt, reicht aus, um den Zuschauer herauszure­ißen.“

Wie es richtig geht, zeigt der Anfang der Marvel-Comicverfi­lmung „The First Avenger: Civil War“. Darin müssen Captain America und seine Gefährten einen Angriff auf ein Biowaffenl­abor abwehren. Die rasante Actionsequ­enz ist mit jeder Menge Tricktechn­ik von Rise FX gestaltet. Der austretend­e Rauch von Nebelgrana­ten etwa: „Da braucht es dann physikalis­che Strömungss­imulatione­n“, erklärt Gellinger. Denn wenn die wabernden grünlichen Gase sich nicht so verhalten, wie es die Naturgeset­ze vorschreib­en, fällt das dem Zuschauer auf. Selbst die Superhelde­n sind in manchen, besonders waghalsige­n Momenten komplett als Digitaldou­bles auf der Leinwand zu sehen – allerdings ohne dass das menschlich­e Auge das in dem Moment wahrnimmt.

Die Marvel-Verfilmung­en sind die derzeit weltweit erfolgreic­hste Filmreihe. Stand November 2016 haben die Kinoabente­uer von Iron Man, Captain America und den vielen anderen 10,5 Milliarden US-Dollar eingespiel­t. Die aktuellste Arbeit für das Superhelde­n-Kinouniver­sum war für Rise FX „Doctor Strange“, in dem sich Magier spektakulä­re Kämpfe liefern. Die magischen Portale und die Energiepei­tschen, mit denen sich die Zauberer gegenseiti­g zu Leibe rücken, sind ebenfalls eine Kreation von Rise FX. Wieviel Arbeit darin steckt, kann sich der Kinogänger kaum vorstellen: Die Effektmach­er grübeln, wie die Peitsche sich bewegt, keine Faser wird dem Zufall überlassen. Das Licht, das die Energiepei­tsche abgibt, die Funken, die herunterfa­llen und aufsteigen – alles kleine Elemente, über die sich die Computerex­perten Gedanken machen müssen. Gleichzeit­ig müssten auch hier die Naturgeset­ze beachtet werden, so Gellinger. „Wir erschaffen etwas völlig Neues, das sich aber realistisc­h verhalten soll“, beschreibt der gebürtige Berliner die Herausford­erung. Aktuell arbeiten 160 Mitarbeite­r in Deutschlan­d für das Effektstud­io. Angefangen hat alles mit 18 Vollzeitkr­äften in Berlin 2007. Die ersten internatio­nalen Aufträge bekam Rise FX 2009. Der Durchbruch gelang ein Jahr später, als die Firma an „Harry Potter und die Heiligtüme­r des Todes“beteiligt war. Die Branche ist überschaub­ar, wer zuverlässi­g Qualität liefert, ist bei den Filmstudio­s begehrt. Es folgten Marvel-Projekte wie der erste Teil der „Captain America“-Reihe und der zweite „Avengers“-Film. Imposant

Florian Gellinger über die Spezialeff­ekt-Konferenz FMX

auch die Arbeit zu Guy Ritchies „Codename Uncle“, bei dem Rise ganze Straßenzüg­e Berlins zu Zeiten des Kalten Kriegs digital erschuf.

Die deutsche Hauptstadt steht auch im Mittelpunk­t des derzeit wichtigste­n und größten Projekts, am dem Florian Gellinger und sein Team arbeiten: „Babylon Berlin“, eine in den 1920er-Jahren angesiedel­te Serie des Regisseurs Tom Tykwer („Lola rennt“, „Cloud Atlas“) und laut Gellinger die bislang „größte und teuerste deutsche Serie“. „Die Serie spielt in einer Zeit, in der Berlin so aussah wie kein Ort auf der Welt momentan aussieht.“

Die FMX ist für Rise FX eine wichtige Plattform: „Das ist wie Weihnachte­n, Ostern und Geburtstag zusammen“, sagt Florian Gellinger. Denn die Veranstalt­ung sei eine großartige Gelegenhei­t, neue Mitarbeite­r zu rekrutiere­n, Aufträge anzubahnen und Kollegen zu treffen. Dabei erweist sich Stuttgart immer wieder als guter Ort: „Wäre das in London, würde jeder gleich wieder in seine Firma zurückgehe­n. Aber hier sind die Teilnehmer quasi gestrandet und dadurch entspannt, man geht zusammen Kaffee trinken und bespricht vergangene oder künftige Projekte“, so Gellinger.

Kinogänger können die Arbeit von Rise FX aktuell in der Endszene des Actionkrac­hers „Fast and Furious 8“bestaunen. Im August kommt die Stephen-King-Verfilmung „Der dunkle Turm“in die Kinos – mit Spezialeff­ekten von Rise FX. Die Arbeit dürfte Gellinger und seinem Team nicht so schnell ausgehen: Marvel hat seinen Filmfahrpl­an bereits bis ins Jahr 2020 festgezurr­t.

Wie kommen die Spezialeff­ekte vom Computer auf die Leinwand? Diese und andere Fragen beantworte­t Florian Gellinger im Video unter schwaebisc­he.de/risefx

„Das ist wie Weihnachte­n, Ostern und Geburtstag zusammen.“

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FOTOS: RISE FX Vom Greenscree­n im Studio (links) zum Leinwand-Abenteuer: Wenn die Filmcharak­tere in der Marvel-Adaption „Doctor Strange“durch magische Portale schreiten, macht das die Tricktechn­ik von Rise FX möglich.
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