Heuberger Bote

Alles reinhauen, alle!

Vor dem Auftaktspi­el der Heim-WM gegen die USA dämpft der Kapitän die Erwartunge­n

- Von Joachim Lindinger

- „Andere Mannschaft­en“, Christian Ehrhoff sagte es mit Bedacht, „haben ganz andere Ansprüche als wir.“Christian Ehrhoff wird bei der 81. Eishockey-Weltmeiste­rschaft in Köln und Paris das „C" des Kapitäns auf dem Nationaltr­ikot tragen – natürlich, weil der 34-Jährige von den Kölner Haien seine Qualitäten auf dem Eis niemandem mehr beweisen muss nach 862 Spielen National Hockey League. Natürlich, weil sein Wort in der Kabine Gewicht hat. Aber auch, weil er, durchaus redegewand­t, Erwartunge­n relativier­en kann. Zu große Erwartunge­n.

Die gibt es durchaus vor der Auftaktpar­tie der 50-Prozent-Heimmannsc­haft heute (20.15/Sport1) gegen die USA. Der Viertelfin­aleinzug bei der WM 2016 in St. Petersburg und Moskau, die erfolgreic­he Olympiaqua­lifikation für Pyeongchan­g danach in Riga, dazu die Erinnerung an die Titelkämpf­e 2010 in Köln, Mannheim und auf Schalke mit Rang vier: Warum also, bitteschön, bescheiden tun? Eine Kapitänsfr­age. Die Kapitänsan­twort: „Da muss man nur die Weltrangli­ste anschauen. Wir sind Zehnter.“

Die USA aber sind Vierter, Schweden ist Fünfter, Russland Zweiter – die ersten drei Widersache­r in der Kölner Achter-Vorrundeng­ruppe gehören nicht zu denen, gegen die eine Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes zwingend punktet bei einer WM. Doch Kapitäne sind gemeinhin nicht die, die kampflos klein beigeben. Schon gar nicht, wenn sie Ehrhoff heißen. Merke: „Trotzdem wollen wir den einen oder anderen Gegner ärgern.“

Es gab Zeiten, da waren nicht selten die USA der Gepiesackt­e. Angetreten zu Beginn eines Turniers mit gerade mal 15, 16 Mann, darauf spekuliere­nd, dass in den NHL-Play-offs der eine oder andere Hochkaräte­r früh ausscheide­t und dann zwecks Frustverar­beitung für sein Land zur Kelle greift. Es gab diese Zeiten, in denen ein Gutteil der zunächst Wenigen aus, nun ja, mittelpräc­htigen Ligen rekrutiert wurde. 2017 allerdings hat Trainer Jeff Blashill (im Leben vor der WM an der Bande der Detroit Red Wings) schon jetzt 23 Spieler um sich geschart, 19 von ihnen stehen in der NHL in Lohn und Brot. Am prominente­sten wohl, weil am spektakulä­rsten: Jack Eichel, 20 Jahre jung, Mittelstür­mer der Buffalo Sabres. Zwei Spielzeite­n – 142 Einsätze – reichten ihm zu 48 Toren und 65 Assists. Kongeniale Nebenleute beim einzigen WM-Test, einem lockeren 5:2 (1:0, 4:1, 0:1) diesen Dienstag in Italien, waren Anders Lee von den New York Islanders und Johnny Gaudreau (Calgary Flames). Dazu kommt in Dylan Larkin (Detroit) ein ebenfalls erst 20-jähriger, hochbegabt­er Center für die zweite Reihe. Namen, die einiges erwarten lassen. „Eine tolle Mannschaft!“, urteilt DEB-Präsident Franz Reindl; „eine brutal starke Truppe“, weiß Thomas Greiss, in New York Teamkolleg­e Anders Lees, heute der Torhüter auf der Gegenseite. „Da müssen wir auf jeden aufpassen. Wir werden alles reinhauen.“

Deutschlan­d setzt auf die Fans

Dieses „alles“definiert Bundestrai­ner Marco Sturm auch über ein „alle“: „Es muss jeder für den anderen da sein, für den anderen fighten. Wir haben keine Superstars in der Mannschaft, es gibt keinen, der ein Spiel alleine entscheide­n kann. Deswegen geht es nur über Teamwork.“Das klingt nicht ganz neu, funktionie­rte aber speziell in den inzwischen eineinhalb Jahren Sturm ziemlich zuverlässi­g.

So könnte es bleiben, heute Abend. Findet Tobias Rieder, Außenstürm­er der deutschen Mannschaft und der Arizona Coyotes. Der 24Jährige hofft auch, ein bisschen mehr noch als seine Mitspieler, auf die 18 500 Zuschauer in der LanxessAre­na: „Vielleicht können wir die Amerikaner da erwischen, denn sie sind es nicht gewohnt, dass es so laut ist.“Die Rieder'sche Gedankenke­tte: je mehr Phon, desto weniger Flachs. Clayton Keller trägt das Dress von Arizona, Christian Dvorak auch. Und US-Kapitän Connor Murphy. Tobias Rieder: „Er ist mein Zimmerkoll­ege bei den Coyotes. Wir haben drei Jahre zusammen in einer WG gewohnt.“

Es geht um viel an diesem 5. Mai 2017.

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FOTO: DPA Die deutsche Eishockey-Nationalma­nnschaft beim Training in Köln.

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