Steinmeiers diplomatischer Balanceakt
Ganz im Zeichen der jüngsten Krise zwischen Deutschland und Israel fliegt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier heute nach Jerusalem. Während des viertägigen Besuchs gehe es darum, die Gräben nicht weiter zu vertiefen, zugleich aber auch den großen Sorgen über die israelische Siedlungspolitik und die Entwicklung im NahostKonflikt Ausdruck zu geben, hieß es am Freitag aus dem Präsidialamt.
Steinmeier wird dabei nicht mit den regierungskritischen Organisationen Breaking the Silence (Das Schweigen brechen) und B’Tselem zusammenkommen. Ein Treffen von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) mit den beiden Gruppen hatte vor Kurzem für einen Eklat gesorgt. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte ein geplantes Treffen mit Gabriel kurzfristig ab.
Vorgesehen sind während Steinmeiers Reise aber Gespräche mit den Schriftstellern Amoz Oz und David Grossmann, die ebenfalls Kritiker des Siedlungsbaus in den besetzten Gebieten sind. Der Bundespräsident werde sich nicht von Gabriel distanzieren, hieß es. Sein Eintreten für eine Zwei-Staaten-Lösung und seine Kritik an der „völkerrechtswidrigen Siedlungspolitik“würden an Klarheit nichts vermissen lassen.
Steinmeier will am Sonntag mit dem israelischen Präsidenten Reuven Rivlin und mit Netanjahu zusammentreffen. Auch ein Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem ist geplant. Am Dienstag reist er in die palästinensischen Gebiete und trifft den Präsidenten der Autonomiebehörde, Mahmud Abbas. An Arafats Grab legt er einen Kranz nieder.
Gabriel verteidigte derweil sein Treffen mit den Aktivisten. „Unter Demokraten muss es möglich sein, sich auch mit regierungskritischen Organisationen zu treffen“, sagte er der „Bild“-Zeitung und betonte. „Unter Demokraten stellt man sich keine Ultimaten. Der israelische Premierminister wollte mich dazu zwingen, ein Treffen mit unbescholtenen israelischen Bürgern abzusagen.“
Als Verbündeter zu wichtig
An einem neuen Eklat ist Netanjahu nicht interessiert. Dafür sind die Deutschen als Verbündete, die Israel mit Militärhilfe wie der Lieferung von subventionierten U-Booten der Dolphin-Klasse unterstützen, zu wichtig. Auch als Fürsprecher Israels in der EU und internationalen Gremien ist Berlin für Netanjahu unverzichtbar. Davon abgesehen hat die Ausladung von Gabriel unter Israelis heftige Kontroversen ausgelöst. In einer Zeitungsanzeige auf Seite eins der „Haaretz“dankten namhafte Stimmen aus dem Friedenslager am Freitag ausdrücklich Gabriel und Angela Merkel (CDU), klare Haltung bewiesen zu haben. „Mit der Unterstützung für Menschenrechtsorganisationen, die gegen die Besatzung kämpfen, haben Sie sich als wahre Freunde Israels erwiesen.“Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem Avraham Burg, einst Knesset-Präsident, Michael Ben-Yair, ehemals Generalstaatsanwalt, Israel-Preisträger, Intellektuelle sowie frühere Abgeordnete und Diplomaten. Im nach rechts gedrifteten Israel mögen sie bloß für eine schwindende Minderheit sprechen. Doch die hofft nun auf Steinmeiers moralische Unterstützung, wenngleich nur mit deutlichen Worten. Dem Bundespräsidenten steht in Jerusalem ein diplomatischer Balanceakt bevor.