Senioren am Steuer – aber bitte nur nach einem Eignungstest?
Ich höre das Granteln und Grummeln schon jetzt: „Der hat gut reden, der ist ja noch nicht mal 60!“Aber seien Sie ruhig ein bisschen schadenfroh: Ja, auch ich erreiche in einigen Jahren (hoffentlich) das Seniorenalter. Ein Grund, vor unbequemen Wahrheiten davonzulaufen, ist das keineswegs. Als da wären: Natürlich lassen im Laufe des Lebens in der Regel Seh- und Hörvermögen nach, schwinden Reaktionsvermögen und Beweglichkeit, steigt der Medikamentenkonsum. Dass das dem Autofahren im zunehmend hektischer werdenden Straßenverkehr – vorsichtig ausgedrückt – wenig zuträglich ist, bedarf nicht einmal eines Blickes in irgendwelche dubiosen Statistiken oder in grausige Unfallberichte. Schauen wir doch lieber in die Straßenverkehrsordnung: „Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird“, heißt es dort. Logische Konsequenz sind verpflichtende Eignungstests für ältere Autolenker beim Arzt und Fahrlehrer, an deren Ende Beschränkungen oder auch der Entzug des Führerschein stehen können. So viel Sicherheit muss sein in einer Gesellschaft, die Raucher – zu Recht – aus Gesundheitsgründen aus Gaststätten verbannt und jugendliche Verkehrsrowdys an die Kette gelegt hat. Vertrauen in Senioren ist zwar gut, Kontrolle aber ist besser.
Vertrauen in Senioren ist gut, Kontrolle ist besser. Von Dirk Uhlenbruch
Natürlich kann man alles reglementieren. Aber: Wollen wir das? Und: Wo ziehen wir dann die Grenze? Wenn alle Senioren ab Alter x zum Fahrtauglichkeitstest müssen, müssen dann alle Bürohengste ab – sagen wir – 40, deren Sehkraft nach Jahren vor dem Bildschirm gelitten hat, auch zum Zwangssehtest, ehe der Führerschein verlängert wird? Und was ist mit dem 30-jährigen Disco-Gänger, um dessen Gehör es auch schon mal besser bestellt war? Und die Reaktionsfähigkeit der 50-jährigen Couch-Potato ist auch nicht mehr die, die sie mal war. Testen, oder? Entschuldigung, aber so viel Polemik muss sein.
Wenn ein 80-Jähriger Gas und Bremse verwechselt und in eine Gruppe von Fußgängern rast, dann ist das furchtbar. Wenn eine 80-Jährige beim Einparken drei, vier, fünf Autos demoliert, schüttelt man zu Recht den Kopf. Doch der Ruf nach flächendeckenden Tests ist zu einfach. Und er ist in einer immer älter werdenden Gesellschaft wenig zukunftsträchtig.
Der bessere – sozialere, ökologischere, modernere – Ansatz wäre es, darüber nachzudenken, wie man es Alten (und Jungen) ermöglichen kann, das Auto stehen zu lassen. Denn solange man auf dem Land nur zweimal täglich zum Supermarkt kommt, solange der Bus teurer als das Parkhaus ist, solange müssen auch diejenigen Auto fahren, die das nicht mehr sollen und vielleicht auch nicht mehr wollen.
Wir brauchen Alternativen zur Reglementierungswut. Von Andreas Müller