Gefeierter Aufsteiger mit optimistischer Botschaft
„Ich muss auf das Meer hinaus fahren und habe dabei ein Ziel“, kündigt Emmanuel Macron am 31. August 2016 mit gepresster Stimme an. Der Abschied vom Wirtschaftsministerium, das er zwei Jahre lang geleitet hat, fällt ihm sichtlich schwer. Doch das Ziel, das der Pro-Europäer im Blick hat, ist zu verlockend. Es heißt Elysée-Palast und am Sonntag hat er es erreicht.
Der sozialliberale Politiker, den vor drei Jahren noch kaum einer kannte, schafft mit seinem Wahlsieg einen Aufstieg, wie ihn das Land noch nicht erlebt hat. Mit 39 Jahren wird er der jüngste Präsident in der Geschichte Frankreichs sein.
Als Macron vor einem Jahr seine Bewegung En Marche gründete, war er noch ein Außenseiter. Doch die Sterne standen günstig für den smarten Ex-Banker: Sein politischer Ziehvater François Hollande musste angesichts katastrophaler Umfragewerte auf eine Kandidatur verzichten. Sein Rivale auf Seiten der Sozialisten, Manuel Valls, verlor die Vorwahlen und der Favorit der Konservativen, François Fillon, verspielte die Präsidentschaft mit seinen Affären. Der Weg war also frei für den Arztsohn, der eigentlich Schriftsteller werden wollte.
Seine Frau Brigitte bewahrt noch die Hefte auf, in denen „Manu“seine ersten Romanentwürfe schrieb. Brigitte ist Teil der Legende Macron. Lehrerin an seinem Gymnasium in Amiens, 25 Jahre älter, Leiterin seines Theaterkurses. Bei der Überarbeitung eines Stückes kam sie ihrem Schüler näher. „Ich habe das nie als Grenzüberschreitung empfunden“, sagte die siebenfache Oma in einer Dokumentation.
Ihr späterer Mann verließ das Gymnasium, um einen Skandal zu vermeiden, machte in Paris Abitur und legte eine Bilderbuchkarriere hin: Politikhochschule Sciences Po, Philosophie-Studium, BeamtenKaderschmiede ENA. Es folgte eine klassische Laufbahn als Finanzinspektor, die Macron 2008 aufgab, um als Investmentbanker bei Rothschild einzusteigen. Ohne Kenntnisse der Finanzwelt brachte er es da zum Teilhaber, der einen milliardenschweren Deal zwischen Nestlé und Pfizer einfädelte.
„Er hat im Kollektiv gespielt, denn er wusste, dass das eine gute Art war, sein Team für sich zu mobilisieren“, erinnert sich der Rothschild-Analyst Laurent Dethomas in der Zeitschrift „Society“. Allerdings war die Gründung seiner Bewegung En Marche ein Schlag für die Sozialisten und vor allem für Hollande, der damals noch Ambitionen auf eine zweite Amtszeit hatte. Anfangs belächelt, hat die Gruppierung, die ihr Gründer bald in eine Partei umwandeln dürfte, inzwischen mehr als 250 000 Mitglieder. Wie eine Art Guru verehren seine Anhänger ihren charismatischen Chef.
Macrons Wahlkampf füllte die Hallen, so wie zuletzt in Paris mit 12 000 Anhängern. In gelben, rosa und blauen T-Shirts feierten die meist jungen „Marcheurs“ihr Idol, das vor allem eines verbreitet: Optimismus. „In diesem verletzten Land wird morgen nicht wie gestern sein“, versprach er in einer seiner Reden, die selten konkret wurden. Als schwammig kritisierten ihn seine Gegner. Der Shootingstar selbst geriet durch die Begeisterung in den Hallen so in Ekstase, dass ihm bei einem Auftritt die Stimme wegblieb. Mit ausgebreiteten Armen stand er auf der Bühne. „Macron, der neue von Gott Gesandte?“, fragte die Zeitung „Libération“.
Die Mehrheit seiner Wähler sieht den neuen Präsidenten eher kritisch. 60 Prozent stimmten nur für den Sozialliberalen, weil sie ihn als das kleinere Übel gegen die Rechtspopulistin Marine Le Pen ansahen. Macron hat nun fünf Jahre Zeit, um sie wirklich von sich zu überzeugen.
Christine Longin