Lehrerfortbildungen könnten Pflicht werden
Fraktionen von Grünen und CDU wollen damit die Qualität des Unterrichts verbessern
STUTTGART - Schulleiter sollen die Möglichkeit bekommen, Lehrer zu Fortbildungen zu verpflichten. Das ist nur einer der Vorschläge, mit denen die Regierungsfraktionen von Grünen und CDU die Qualität an baden-württembergischen Schulen verbessern möchten. Die Ideen reichen von einer Fortbildungspflicht bis hin zu besseren und stärker koordinierten Angeboten.
Grund dafür ist das Qualitätsniveau an baden-württembergischen Schulen, das massiv abgesackt ist. Das attestierten im vergangenen Jahr zwei Vergleichsstudien dem Südwesten. Die Lösung dieses Qualitätsproblems wollen die beiden Regierungsfraktionen nicht allein Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) überlassen, sondern sich aktiv in die Debatte einbringen.
Fortbildungen vernachlässigt
Für eine erste Standortbestimmung haben die Fraktionen im Februar eine Expertenanhörung im Landtag veranstaltet. Die Erkenntnis: Es hapert unter anderem an der Fortbildung für Lehrer. Diesem Thema haben sich die Fraktionen nun gesondert angenommen. In einer Fachtagung steuerten alle Akteure, die an der Lehrerfortbildung beteiligt sind, ihre Kritik und Verbesserungsvorschläge bei.
Wie bedeutend und effektvoll Fortbildung ist, betonte die Heidelberger Bildungswissenschaftlerin Anne Sliwka. Neu Gelerntes könnten Lehrer direkt anwenden. „Das ist aber in Deutschland unterentwickelt“, so die Professorin. „Die Fortund Weiterbildung wird in BadenWürttemberg seit Jahren systematisch vernachlässigt“, sagte auch Michael Hirn, Experte der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) für Weiterbildung. Zum Teil seien Lehrer Fortbildungsmuffel, weil passende Angebote fehlten oder überbucht seien. Weitgehend einig waren sich die mehr als 100 Teilnehmer darin, dass die Angebote an Fortund Weiterbildungen im Land zu unstrukturiert seien.
Am letzten Punkt setzen auch die Bildungspolitiker Sandra Boser (Grüne) und Karl-Wilhelm Röhm (CDU) an. „Die Angebote muss man mit einem Knopfdruck sehen können“, sagt Röhm. „Das muss man in einer Hand zusammenführen.“Auch seine Kollegin Boser plädiert für eine koordinierende Stelle für Fort- und Weiterbildungen. „Eine Neugründung hätte den Charme, dass sie ganz unbelastet ist“, sagt sie und verweist als Beispiel auf das Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein. Wer den Hut im Südwesten aufhaben soll, will sie aber nur im Einvernehmen mit dem Kultusministerium und den Akteuren der Fortbildungen erörtern. „Ich würde die bewährte Struktur belassen“, erklärt Röhm.
Boser verweist darauf, dass es in allen Ländern mit sehr guten Ergebnissen bei der PISA-Studie eine Fortbildungspflicht für Lehrer gebe. „Ich fände es gut, wenn Schulleiter die Möglichkeit hätten, Fortbildungen anzuordnen“, sagt die grüne Bildungsexpertin Sandra Boser. „Unternehmer können ihre Mitarbeiter ja auch verpflichten.“Ihr CDU-Kollege Röhm erklärt: „Fortbildungen dürfen keine Zufälligkeit sein.“Er appelliert dabei aber an die Selbstverantwortung der Lehrer. „Wir müssen Fortbildungen stärker den Bedürfnissen der einzelnen Schulen anpassen“, lautet ein weiterer Vorschlag der Fraktionen, den Boser formuliert. Bei Themen wie Digitalisierung oder Umgang mit Heterogenität sollten Lehrerkollegien von Experten an ihrer Schule gemeinsam fortgebildet werden. „Wir müssen wegkommen vom Einzelkämpfertum. Multiplikatoren-Schulungen sind oftmals nicht sinnvoll“, so Boser.
Bei solchen Angeboten wird ein Lehrer extern geschult und soll sein Wissen in seinem Kollegium verbreiten – was laut Experten oftmals nicht fruchtet. Röhm greift einen Vorschlag der Bildungswissenschaftlerin Sliwka auf: Die Kollegien von Schulen einer Region könnten gemeinsam fortgebildet werden. Zudem muss es laut Boser bei drängenden Themen wie Inklusion mehr Angebote geben. „Da gibt es ewige Wartelisten.“
Lehrer kritisieren Befragung
Weitere Erkenntnisse erwarten die Fraktionen zudem von einer Lehrerbefragung, die das Kultusministerium bis Montag online durchgeführt hat. Etwa zehn Prozent aller Lehrer, nämlich 13 340, haben sich laut einem Ministeriumssprecher beteiligt. Kritik am Fragebogen kam von den Lehrerverbänden. Laut Michael Brand, Landesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung, beklagten viele Lehrer, dass sie keine Frage überspringen oder neutral beantworten konnten. „Aus unserer Sicht fehlten ganze Bereiche in der Befragung“, ergänzt GEW-Landesgeschäftsführer Matthias Schneider. Inhaltliche Aussagen zur Befragung will die Kultusministerin vor der Sommerpause vorstellen.