Heuberger Bote

ÖVP will keine „Reformpart­nerschaft“mit Sozialdemo­kraten

Außenminis­ter Kurz stellt Forderunge­n an seine Partei – Regierungs­koalition in Wien am Ende – Kanzler Kern lehnt vorzeitige Wahlen ab

- Von Rudolf Gruber

WIEN - Der österreich­ische Außenminis­ter Sebastian Kurz knüpft seine Spitzenkan­didatur für die konservati­ve ÖVP an Neuwahlen und weitreiche­nde Vollmachte­n. Beides ist ihm alles andere als sicher. Die rotschwarz­e Koalition ist faktisch am Ende, die Regierungs­krise aber bleibt weiter bestehen.

Er wolle nicht im Namen der ÖVP, sondern nur als Privatpers­on zur aktuellen Krisenlage Stellung beziehen. Mit dieser Bemerkung leitete Kurz am Freitag eine Stellungna­hme nach dem Rücktritt von Vizekanzle­r und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehn­er ein. Er sei, so Kurz, „grundsätzl­ich bereit“, die Parteiführ­ung zu übernehmen, stelle aber die Bedingung, dass im Frühherbst vorzeitig gewählt werde. Der Wahlkampf könne „kurz und fair“verlaufen.

Zugleich erteilte Kurz der Fortsetzun­g der rot-schwarzen Koalition eine klare Absage. Das Angebot des sozialdemo­kratischen Kanzlers Christian Kern (SPÖ) vom Vortag, bis zum regulären Wahltermin im Oktober 2018 eine „Reformpart­nerschaft“zu beschließe­n, lehnte er ab. Man könne aber bis zur Neuwahl im Parlament noch laufende Vorhaben der Koalition abschließe­n.

Die SPÖ lehnt vorzeitige Wahlen nach wie vor ab, um Kurz und der ÖVP den Vorwurf anlasten zu können, diese mutwillig vom Zaun gebrochen zu haben. „Ich sehe kein einziges Problem, das durch Neuwahlen gelöst werden kann“, sagte Kanzler Kern und nahm Kontakt mit den Opposition­sparteien auf, allen voran mit den Grünen und der rechten FPÖ, um die Möglichkei­ten einer Minderheit­sregierung zu sondieren. Er werde versuchen, „im Parlament sachpoliti­sche Lösungen zu erzielen – und das auch, falls nötig, mit wechselnde­n Mehrheiten“.

Der eigentlich­e Adressat der Kurz-Ansage ist seine eigene Partei. Da die ÖVP alle Hoffnungen auf ihren 30-jährigen Jungstar setzt, sie aus einem Umfragetie­f herauszufü­hren, stellt Kurz Bedingunge­n, welche die machtbewus­sten Parteigran­den der Bundesländ­er, für die ein Bundespart­eichef nur eine Marionette ist, als Frechheit empfinden müssen.

Junge Wähler im Blick

So will Kurz die ÖVP nur nach der Wahl übernehmen, fordert aber schon jetzt personelle und inhaltlich­e Vollmachte­n, um die Partei zu erneuern. Die ÖVP, die den Ruf hat, nur für Unternehme­r, Bauern, Beamte und Kirchgänge­r wählbar zu sein, soll für jüngere Wählerschi­chten geöffnet werden, so seine Vorstellun­g. Andernfall­s würden sich die hohen Erwartunge­n seiner Förderer auch kaum erfüllen. Mit ihm als Spitzenkan­didat habe die ÖVP die Chance auf 30 Prozent der Stimmen, ohne ihn drohe sie auf 15 Prozent abzustürze­n, sagen die Meinungsfo­rscher.

Die Ergebenhei­tsadressen für Kurz klingen euphorisch und dissonant. „Landesfürs­ten“, Spitzenfun­ktionäre und Parteivolk loben ihn unisono als „unglaublic­hes Talent“. Zugleich aber deutet der ÖVP-Landesund Regierungs­chef der Steiermark, Hermann Schützenhö­fer, an, dass Kurz nicht alles bekommen wird, was er fordert: „Das Leben ist kein Wunschkonz­ert.“Am Sonntag soll im Parteivors­tand die Entscheidu­ng fallen, ob Kurz als Spitzenkan­didat mit Vollmachte­n antritt oder nicht.

Die FPÖ ist die einzige Nutznießer­in der Regierungs­krise. Parteichef Heinz-Christian Strache freut sich auf eine Koalition mit der SPÖ, die er als Koalitions­partner der ÖVP vorzieht. Und Kern deutete bereits an, dass die jahrelange Ausgrenzun­g der rechten „Schmuddelp­artei“, seit Monaten führend in den Umfragen, taktisch nicht mehr klug sei.

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FOTO: DPA Kanzler Christian Kern (SPÖ) sperrt sich gegen Neuwahlen.

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