Heuberger Bote

Deutschlan­ds Müllberge sollen schrumpfen

Neues Verpackung­sgesetz erhöht Recyclingq­uoten von Kunststoff­en, Metall, Papier und Glas – Umweltschü­tzern reichen die Regeln nicht aus

- Von Tanja Tricarico

BERLIN - Mehr als 200 Kilogramm Verpackung­smüll produziert jeder Bundesbürg­er jedes Jahr. Im EU-Vergleich belegt Deutschlan­d damit einen Spitzenpla­tz – vor Frankreich, Italien oder Dänemark. Damit Abfälle aus Privathaus­halten besser recycelt und reduziert werden, greift ab 2019 ein neues Gesetz.

Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD) spricht von einem „Sieg der Vernunft“. Jahrelang stritten sich Bund und Länder um die Vorgaben zur Entsorgung von Verpackung­smüll. Bis zuletzt gab es Widerstand. Der Umweltauss­chuss der Länderkamm­er erwog sogar, den Vermittlun­gsausschus­s anzurufen. Nachdem sich auch die Bundesumwe­ltminister­in nochmals für das Gesetz einsetzte, passierte die Vorlage am Freitag den Bundesrat.

Hendricks will die Müllberge verringern und setzt auf recyclingf­ähigere Verpackung­en. Das Gesetz sieht beispielsw­eise höhere RecyclingQ­uoten für die im dualen System erfassten Verpackung­en vor. Ab 2022 soll die Quote für Kunststoff­müll von heute 36 Prozent auf 63 Prozent steigen. Bei Metallen, Papier und Glas soll sie bis dahin sogar bei 90 Prozent liegen. Die höheren Quoten müssen die Privatunte­rnehmen leisten, die Verpackung­smüll sammeln.

Im Getränkema­rkt wird den Verbrauche­rn wohl am ehesten auffallen, dass sich die Gesetzesla­ge verändert hat. Denn die Einzelhänd­ler müssen dafür sorgen, dass am Regal gekennzeic­hnet wird, wo Mehrweg- oder Einweggetr­änke stehen. Laut Bundesumwe­ltminister­ium werden zurzeit 45 Prozent der Getränke in Mehrwegver­packungen abgefüllt, vor allem in Glas und PET-Flaschen. Mit dem Verpackung­sgesetz soll die Quote auf 70 Prozent erhöht werden.

Außerdem wird Pfand für Getränkeve­rpackungen erhoben, die bisher pfandfrei waren. Zum Beispiel auf Apfelsafts­chorle oder andere Fruchtund Gemüsesäft­e mit Kohlensäur­e.

Auch bei der privaten Müllentsor­gung wird sich erst einmal nichts ändern. Werden die Kunststoff­e im Gelben Sack oder in der Gelben Tonne gesammelt? Wann und wie oft wird der Müll abgeholt? Wie Abfall gesammelt wird, wird in den Kommunen entschiede­n. Das bleibt auch so. Dasselbe gilt für die Einführung von sogenannte­n Wertstofft­onnen. Dabei geht es um die Entsorgung von Müll, der keine Verpackung ist, aber aus ähnlichem Material hergestell­t wurde. Also kaputte Kleiderbüg­el aus Plastik, Spielzeug, Bratpfanne­n, Geschirr. Eine bundesweit einheitlic­he Regelung für eine Wertstofft­onne war zwar immer wieder im Gespräch, konnte aber nicht durchgeset­zt werden. Hintergrun­d ist vor allem das lukrative Geschäft mit den Wertstoffe­n.

Laut dem Verband der deutschen Entsorgung­swirtschaf­t bringt die Sammlung der Stoffe jedes Jahr rund eine Milliarde Euro Umsatz ein. Das wollen die Privatfirm­en nicht den Kommunen überlassen. Der Plan, bundesweit Wertstofft­onnen einzuführe­n, damit Verpackung­en und anderer Abfall aus Wertstoffe­n gemeinsam entsorgt wird, scheiterte am Streit zwischen kommunalen und privaten Unternehme­n. Allerdings gehen Experten davon aus, dass sich mit dem neuen Gesetz auch mehr Kommunen freiwillig für die Einführung einer Wertstofft­onne einsetzen werden. Eine Weiterentw­icklung der Vorgaben ist also nicht ausgeschlo­ssen.

Das Verpackung­sgesetz ist ein hart umkämpfter Kompromiss. Aber reduziert es wenigstens die Müllberge? Umweltschü­tzer bezweifeln dies und hätten sich schärfere Regeln gewünscht. „Einen Anreiz Abfall zu vermeiden, gibt das Gesetz nicht“, sagt Rolf Buschmann vom Bund für Umwelt und Naturschut­z (BUND).

Keine eindeutige­n Vorgaben

Er rechnet damit, dass Einweggetr­änke zunehmen werden. „Es ist nicht gelungen, hier eindeutige Vorgaben zu schaffen.“Die Kennzeichn­ung von Mehrweg- oder Einweggetr­änken am Supermarkt­regal reicht ihm nicht aus. Nach wie vor wird für den Verbrauche­r nur schwer zu erkennen sein, welche Vorgabe für die Produkte gilt.

Positiv sieht Buschmann die Steigerung der Recycling-Quoten. „Aber wir brauchen mehr Aufklärung darüber, wie richtig getrennt werden kann“, sagt der Referent für Technische­n Umweltschu­tz. Denn noch immer landen in den jeweiligen Tonnen für Pappe, Plastikver­packung oder Biomüllabf­älle, die dort nicht hingehören.

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FOTO: DPA Abfälle aus Privathaus­halten sollen künftig besser recycelt werden.

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