Heuberger Bote

Zukunft des EU-Parlaments­sitzes in Straßburg ist ungewiss

- Von Daniela Weingärtne­r, Brüssel

Die Wahl eines französisc­hen Nachwuchss­tars zum Präsidente­n scheint im EU-Parlament für Aufbruchst­immung zu sorgen. Wäre ein Neustart in Frankreich nicht die einmalige Gelegenhei­t, dem Wanderzirk­us zwischen Brüssel und Straßburg ein Ende zu setzen? Das fragen sich derzeit viele der 751 Abgeordnet­en, von denen sich bis zu 80 Prozent dafür ausspreche­n, die Straßburge­r Filiale zu schließen.

Emmanuel Macron hat einen europafreu­ndlichen Präsidents­chaftswahl­kampf geführt. Für seine Siegesrede wählte er Beethovens „Ode an die Freude“– die Europahymn­e. Die liberale Europaabge­ordnete Sylvie Goulard ist eine enge Beraterin des neuen Präsidente­n und wird als künftige Außenminis­terin gehandelt. Doch wird sich der Neue an ein Thema heranwagen, das für alle seine Vorgänger tabu war und für die Franzosen neben den wirtschaft­lichen Vorzügen für den Elsass auch große symbolisch­e Bedeutung hat?

Im Elsass ist Marine Le Pens Front National erfolgreic­h. Gerüchte über den Verlust des Parlaments­sitzes könnten ihr weitere Anhänger bescheren. Nach Informatio­nen der parteiüber­greifenden „Ein-Sitz-Kampagne“spülen die zwölf jeweils vier Tage dauernden Plenarsitz­ungen jährlich etwa 20 Millionen Euro in die Stadtkasse. Offiziell beteiligen sich keine französisc­hen Europaabge­ordneten an der Initiative, die 1,27 Millionen Unterschri­ften von Europäern gesammelt hat. Die Unterzeich­ner verurteile­n sowohl die Verschwend­ung von Steuermitt­eln von etwa 180 Millionen Euro pro Jahr als auch die 70 000 jährlich auf Reisen vertrödelt­en Arbeitstag­e der Abgeordnet­en und ihrer Mitarbeite­r.

Bevor in der Nationalve­rsammlung in Paris die Abgeordnet­ensitze neu verteilt sind, werden sich auch diejenigen französisc­hen Politiker nicht aus der Deckung trauen, die insgeheim den Wanderzirk­us für nicht mehr zeitgemäß halten. Nach der Wahl kann sich Macron einen entspreche­nden Vorstoß nur dann erlauben, wenn seine neue Partei eine solide Mehrheit geholt hat. Im zweiten Schritt müsste dann überlegt werden, wie der strukturar­men Region geholfen werden kann.

Die Europäisch­e Arzneimitt­elagentur Ema wäre nach Überzeugun­g vieler EU-Abgeordnet­er eine attraktive Alternativ­e. Sie bewertet und überwacht sämtliche Medikament­e, die in der EU zugelassen werden sollen oder bereits zugelassen sind. Nach dem Austritt Großbritan­niens aus der EU muss sie London verlassen. 900 gut bezahlte Experten mit ihren Familien sorgen für Kaufkraft. 36 000 Fachleute reisen jährlich zu Tagungen oder Fachaussch­üssen an. Knapp 100 lokale Mitarbeite­r unterstütz­en das europäisch­e Team.

Einen solchen Arbeitgebe­r würde jede Gemeinde gern an sich binden. Deshalb haben sich fast alle EU-Staaten um die Ema und die ebenfalls heimatlos werdende Europäisch­e Bankenaufs­icht Eba beworben.

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