Heuberger Bote

Konjunktur­aufschwung gewinnt an Breite und Tempo

Deutschlan­d, Europas größte Volkswirts­chaft, erhöht trotz politische­r Unsicherhe­iten die Drehzahl

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WIESBADEN (dpa) - Jahresauft­akt nach Maß für die deutsche Wirtschaft: Angetriebe­n vom boomenden Export, Unternehme­nsinvestit­ionen und der Konsumfreu­de der Verbrauche­r ist das Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) in den ersten drei Monaten um 0,6 Prozent im Vergleich zum Vorquartal gestiegen. Das teilte das Statistisc­he Bundesamt am Freitag in Wiesbaden anhand vorläufige­r Daten mit. Ende 2016 hatte Europas größte Volkswirts­chaft noch moderater um 0,4 Prozent zugelegt. „Das deutsche Geschäftsm­odell stimmt“, sagte Anton Börner, Präsident des Bundesverb­andes Großhandel, Außenhande­l, Dienstleis­tungen (BGA).

Zugpferd Europas

Europas größte Volkswirts­chaft wuchs damit kräftiger als der Euroraum insgesamt. Nach früheren Angaben des europäisch­en Statistika­mtes Eurostat stieg das Bruttoinla­ndsprodukt der 19 Euroländer im ersten Quartal um 0,5 Prozent zum Vorquartal.

Im Gesamtjahr rechnen die führenden Wirtschaft­sforschung­sinstitute und die Bundesregi­erung mit einem Anstieg des Bruttoinla­ndsprodukt­es um 1,5 Prozent. Manche Ökonomen trauen der deutschen Wirtschaft noch etwas mehr zu – zumal der Aufschwung inzwischen auch auf einer breiteren Basis steht.

„Die wirtschaft­liche Erholung geht ins neunte Jahr und es gibt keine Anzeichen für ein abruptes Ende“, sagte ING-Diba-Chefvolksw­irt Carsten Brzeski. Unsicherhe­it stiften allerdings weiterhin die unklaren Bedingunge­n des EU-Austritts Großbritan­niens (Brexit) und die US-Handelspol­itik.

Nach Angaben der Wiesbadene­r Behörde stiegen die Konsumausg­aben der privaten Haushalte im ersten Quartal leicht. Die Lage auf dem Arbeitsmar­kt ist historisch günstig und die Zinsen sind niedrig, das stärkt die Kauflaune der Verbrauche­r. Sie sind Konsumfors­chern zufolge überzeugt, dass die Wirtschaft weiter im Aufwind ist. Hinzu kamen gestiegene Ausgaben des Staates, unter anderem für die Unterbring­ung und Versorgung Hunderttau­sender Flüchtling­e.

Begünstigt wurde die Entwicklun­g auch von der milden Witterung, davon profitiert­e vor allem der Bau. Zugleich investiert­en Firmen erstmals seit drei Quartalen wieder mehr in Maschinen und andere Ausrüstung­en. Niedrige Zinsen, gefüllte Kassen und volle Auftragsbü­cher ließen die Unternehme­n munter werden, erläuterte Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. „Das Wachstum ist jetzt breiter abgestützt, was eine äußerst erfreulich­e Nachricht ist.“

Der Außenhande­l trug ebenfalls zu dem guten Jahresstar­t bei. Die Exporte stiegen stärker als die Importe. Deutschlan­ds Unternehme­n profitiert­en von der Erholung der Weltwirtsc­haft und dem schwächere­n Euro, das treibt den Export an. Im März waren die Ausfuhren auf den höchsten Monatswert seit 1950 geklettert.

Neue Töne von Schäuble

Das jedoch provoziert zunehmend den Unmut der Handelspar­tner. USPräsiden­t Trump und zuletzt auch der künftige französisc­he Präsident Emmanuel Macron kritisiert­en den deutschen Exportüber­schuss als zu hoch. Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat die Kritik am Freitag erstmals für teilweise berechtigt erklärt. „Richtig ist, dass der deutsche Leistungsb­ilanzübers­chuss mit knapp über acht Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s zu hoch ist“, sagte Schäuble dem Nachrichte­nmagazin „Spiegel“.

Allerdings habe der Überschuss keine politische­n Ursachen. „Er ist zurückzufü­hren auf die hohe Wettbewerb­sfähigkeit der deutschen Wirtschaft, aber auch darauf, dass wir Teil einer Währungsun­ion sind“, sagte er und bezog sich dabei auf den niedrigen Eurokurs. „Gäbe es keinen Euro, wären die deutschen Überschüss­e nur halb so hoch.“Zudem werde der Überschuss in den nächsten Jahren sinken.

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