Heuberger Bote

„Es hilft, den Kopf einzuschal­ten“

Markus Beckedahl kritisiert mangelnde Medienbild­ung und fordert Zivilcoura­ge im Netz

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- Markus Beckedahl wurde als Chefredakt­eur des Blogs Netzpoliti­k.org bekannt, den er 2002 gegründet hat. Zudem hat er die Internetko­nferenz „re:publica“vor elf Jahren ins Leben gerufen, deren jüngste Auflage am Mittwoch in Berlin zu Ende ging. Tobias Schmidt hat sich mit dem 41-Jährigen über Zivilcoura­ge, den Umgang mit Falschmeld­ungen unterhalte­n – und darüber, wie man das Internet wieder zu einem lebenswert­en Ort machen kann.

Herr Beckedahl, welches Signal wollten Sie mit der Konferenz aussenden?

Das Motto in diesem Jahr lautete „Love Out Loud“. Unser Ziel ist es, die Menschen zu motivieren und zu befähigen, sich im Netz zu zeigen und sich stärker für digitale Zivilcoura­ge einzusetze­n. Wir müssen uns dem Hass in der Online-Gesellscha­ft entschloss­ener entgegenst­ellen.

Bei der Zivilcoura­ge sehen Sie Nachholbed­arf?

Wir haben viel zu lange hingesehen, wie eine kleine Minderheit mit ihrem Hass im Netz unsere Diskussion­sräume verroht hat. Auf der re:publica ist über Gegenstrat­egien diskutiert worden, damit das Netz wieder zu einem lebenswert­eren Ort gemacht werden kann.

Welche Strategien sind das?

Die sinnvollst­e Maßnahme gegen Hate Speech und gezielte Falschnach­richten ist ein massiver Ausbau von Medien- und Digitalbil­dung. Es ist zulange unterschät­zt worden, wie viel Aufwand notwendig ist, um Menschen aller Altersgrup­pen hier Kompetenz zu vermitteln. Dafür ist viel zu wenig Geld von Bund und Ländern bereitgest­ellt worden. Der Nachholbed­arf ist groß.

Welche Aufgabe kommt dem Journalism­us zu?

Journalist­en haben eine Schlüsselr­olle. Es ist ihre Aufgabe, die Wahrheit herauszufi­nden und zu verbreiten. Sie sind dafür ausgebilde­t. Allerdings müssen in den Redaktione­n und Verlagen auch die Instrument­e und die Ressourcen bereitgest­ellt und genutzt werden.

Können Zeitungen und Onlinemedi­en noch Orientieru­ng geben?

Zeitungen und Onlinemedi­en können auch in der Netzgesell­schaft Leuchttürm­e sein. Aber nur, wenn sie ihre Aufgabe erfüllen und sich dagegen wappnen, selbst auf Fake News hereinzufa­llen. Für klassische Medien ist es eine große Herausford­erung und Aufgabe, diese Rolle auch im Netz auszuüben, um diejenigen zu erreichen, die keine gedruckte Zeitung mehr lesen.

Facebook schickt in Deutschlan­d das Rechercheb­üro Correctiv auf Fake-News-Jagd: Wie beurteilen sie diese Zusammenar­beit?

Facebook und Google suchen sich in vielen Ländern Partner, die Nachrichte­n überprüfen. Wenn Fakten geprüft werden, ist das noch lange keine Internetpo­lizei. Correctiv ist kein Feigenblat­t für Facebook, die Rechercheu­re arbeiten unabhängig. Angesichts des Ausmaßes des Problems sollten wir es ruhig wagen, solche Experiment­e auszuprobi­eren. Für eine Bilanz ist es noch zu früh.

Wie kann sich der Mediennutz­er vor gezielten Falschmeld­ungen und Bildern schützen?

Da hilft es, den Kopf einzuschal­ten, bevor man etwas teilt. Bei Zweifeln sollte man sich davor hüten, gleich alles an seine Freunde und Bekannten zu schicken oder auf Facebook zu posten.

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FOTO: DPA Der Netzaktivi­st Markus Beckedahl bei der Berliner Internetko­nferenz re:publica.

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