Heuberger Bote

„Ich hatte Angst, auf Deutsch zu bedienen“

Berghaus Knopfmache­r gleicht Personalma­ngel mit jungen Syrern aus

- Von Lilia Ben Amor

- Der eine spricht kaum Deutsch, der andere hat noch nie im Service gearbeitet – aber beide packen ordentlich mit an. Katia Schill hat im Berghaus Knopfmache­r in Fridingen zwei junge Syrer angestellt. Damit gleicht sie den Personalma­ngel aus, dem sie sich ausgesetzt sieht.

„Ist alles recht?“, fragen die beiden regelmäßig mit breitem Lächeln. „Zum Wohle und guten Appetit“kommt es wie aus der Pistole geschossen, wenn sie etwas an den Tisch bringen. Amer Al-Shalash spricht sehr gut Deutsch und bedient spielerisc­h das Bestellsys­tem, Abdalsalam Ibrahim trägt wackelfrei und ohne Probleme zahlreiche Gläser und Teller. Sie sind vor zwei und drei Jahren aus Syrien geflüchtet. Jetzt sind die beiden wertvolle Service-Kräfte im Berghaus Knopfmache­r in Fridingen.

„Es kommen so viele Leute am Wochenende. Aber ich kann nur so viel leisten, wie ich an Personal habe. Hier oben jemanden zu bekommen, ist schwierig“, sagt Katia Schill. Sie und ihr Mann haben den Familienbe­trieb 2010 übernommen. Sie kann sich keinen anderen Job vorstellen, doch am Ansehen der Gastronomi­e liegt das nicht: „Das Problem ist, dass den jungen Leuten heute beigebrach­t wird: Nur studierte Berufe sind echte Berufe. Service ist da fast schon niedere Arbeit.“

Ihr Sohn möchte den Betrieb später einmal übernehmen, doch in der Schule kam das nicht gut an. Als er in der sechsten Klasse seinen Berufswuns­ch verkündete, hätte sein Lehrer ihn ausgelacht, erzählt Schill. „Er hat ihm gesagt, dass er sich dann nur die Beine in den Bauch steht und wenig verdient.“Dieses schlechte Ansehen vieler Berufe in der Gastronomi­e sei einer der Gründe für den Personalma­ngel, vermutet Schill.

Umso mehr freut sie sich über ihre neuen Arbeitskrä­fte Ibrahim und Al-Shalash. Ibrahim sprach kaum Deutsch, als er im Sommer 2016 ein Praktikum im Berghaus Knopfmache­r machte. „Ich hab nur gefragt: Kann er denn Zahlen? Hauptsache er weiß, an welche Tische er laufen muss“, erzählt Schill lachend.

Für Ibrahim und Al-Shalash war die Anfangszei­t in Deutschlan­d hart. „Ich war zum ersten Mal ganz allein. Mir hat niemand geholfen und ich habe nichts verstanden“, sagt AlShalash. Er floh 2014 mit seinem Onkel aus Raqqa in Syrien. Er war 17, als er seine Familie verließ. „In Syrien gibt es für niemanden eine Zukunft. Wenn man sich von Europa erzählt, dann erzählt man vom Paradies. Ich wollte in Deutschlan­d studieren und dann meiner Familie helfen.“

Ibrahim und Al-Shalash haben beide das Abitur in Syrien gemacht. Al-Shalash spricht gut Deutsch, aber es reicht nicht für ein Studium. Ibrahim kämpft noch mit der DeutschPrü­fung für das Zertifikat B1. Der 24Jährige hat mehr Talent in Sachen Balance und Geschickli­chkeit. In Damaskus hat er in einem Restaurant gearbeitet. Er träumt davon, irgendwann sein eigenes Restaurant zu eröffnen. Doch beide hatten am Anfang Angst, auf Deutsch zu bedienen.

Ausländerf­eindliche Bemerkunge­n

Bei den Gästen des Berghauses Knopfmache­r kommen die beiden jungen Männer gut an. Nur einmal hatte Katia Schill eine negative Erfahrung, die hat sie den beiden aber verheimlic­ht. „Es war ein Mann an Tisch 54 und er wollte ein Spezi“, das weiß sie noch genau. Doch der Mann hat sich missversta­nden gefühlt und ausländerf­eindliche Bemerkunge­n gemacht.

„Ich überlege mir schon, welches Bild wir nach außen zeigen und was vor allem ältere Herrschaft­en denken“, sagt Schill. Doch Ibrahim und Al-Shalash seien so motiviert, alles zu lernen, dass sie den beiden eine Festanstel­lung angeboten hat. Die 44-Jährige ist besonders vom Mut der beiden beeindruck­t: „Ich schreie nicht, stellt alle Flüchtling­e ein. Ich schreie, probiert alles aus und wenn es euch Spaß macht, dann könnt ihr es auch.“

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FOTO: LILIA BEN AMOR Abdalsalam Ibrahim (links) und Amer Al-Shalash waren nervös, als sie zum ersten Mal auf dem Knopfmache­r-Felsen bedient haben.
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